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Cal
» M elina«, sprach ich und lächelte. »Wie schön, dass du den Weg zu uns zurückgefunden hast.«
»Fick dich!«, spie sie mir entgegen. »Ich erklärte dir bereits, wenn du mich nicht aus dem Vertrag lässt, werde ich gehen.«
Ja, das hatte sie gesagt. Mir war nur nicht klar gewesen, dass sie es wirklich versuchen würde. »Du kannst nicht gehen.«
»Warum?«
Das darf ich dir nicht sagen, aber ich beschütze dich.
»Weil ich dein Boss bin und dein Vertrag keine Kündigung vorsieht.«
»Dann gehe ich zu einem Anwalt.«
»Mach nur!«, forderte ich sie auf und fügte hinzu: »Das übersteigt dein Budget vermutlich bei Weitem.«
»Du bist so ein Arschloch, Cal.«
Ich weiß, aber in diesem Fall ist es wirklich zu deinem Besten.
Bo hatte mir mitgeteilt, dass seit heute Morgen Jonnys Männer in Vegas unterwegs wären, um ein paar Mädchen zu finden. Der Kerl war so ein gottverdammter Wichser! Sobald ich genügend Beweise gegen ihn hatte, würde ich diese Scheiße ein für alle Mal dem FBI übergeben. Ich hatte die Schnauze gestrichen voll von all den Lügen und diesem Versprechen, das mich als Arschloch dastehen ließ.
Okay, eigentlich liebte ich es, ein Arschloch zu sein. Diese Rolle stand mir hervorragend, aber ich wollte selbst entscheiden, wann ich eins war. Melina hier einsperren zu müssen, war echt unter aller Sau. Ich wusste, sie wollte sich ihren Traum von einer eigenen Modelinie verwirklichen, doch ich konnte ihr nicht dabei helfen. Noch nicht! Wir waren kurz vor dem Ziel, diesen Bastard O’Brien endlich einzubuchten und wenn sie jetzt nicht die Füße stillhielt, könnte das in einem Desaster enden.
»Ich weiß. Aber auch wenn du das nicht glauben willst, bin ich ein Arschloch, das es gut mit dir meint, Melina. Mit dir und deinem Jungen.«
»Lass Jace da raus!«
»Was ist dein Problem? Habe ich dir nicht ein schönes Zuhause gegeben? Sorge ich nicht dafür, dass du ausreichend Kohle verdienst? Ich sage dir eins, Melina, ohne mich würdest du in irgendeiner Spelunke für ein paar lumpige Dollar die Beine breitmachen. Hier musst du dich nicht prostituieren, du hast einen zuverlässigen Kundenstamm, du hast sogar einen eigenen verfickten Leibwächter. Dein Sohn wird versorgt und lebt bei dir, obwohl du genau weißt, wie übel schwer es ist, in dieser Stadt legal und seriös an Geld zu kommen. Also halte die Klappe und sei einfach ein kleines bisschen dankbar, dass ich deine Mutter kannte. Verstanden?« Ich presste die Worte mühsam beherrscht heraus, denn am liebsten wollte ich sie schütteln und fragen, ob sie nur noch scheiße im Hirn hatte, das alles überhaupt infrage zu stellen.
Melina schien zu überlegen, abzuwägen, dann stemmte sie ihre Hände in die Hüften. »Weißt du was, Cal?«, sagte sie plötzlich zuckersüß. »Du wirst mich aus dem Vertrag entlassen. Ganz sicher! Vielleicht muss ich meinen Körper bei dir nicht für ein paar lumpige Dollar verkaufen, wofür ich dir wirklich dankbar bin, aber trotzdem kannst du mich mal!«
Ich holte tief Luft.
»Ich kündige! Und wenn du das nicht anerkennst, dann nehme ich mir einen Anwalt. Ich werde dich verklagen, deinen Ruf durch den Dreck und dir die Kohle aus der Tasche ziehen.« Ihr Blick war ruhig, ihre Augen schossen Feuerpfeile auf mich ab und zu meiner eigenen Überraschung glaubte ich ihr sogar.
Sollte sie es tatsächlich versuchen, könnte sie das niemals bis zum Ende durchziehen. Waren wir mal ehrlich, so eine Klage kostete einiges und ich verfügte über ganz andere finanzielle Mittel.
»Schön, dann sehen wir uns also übermorgen Abend, wie immer pünktlich.«
Ich lehnte mich lässig auf meinem Stuhl zurück, weil ich genau wusste, dass es Melina nerven würde, wenn ich ihre Drohungen einfach ignorierte. Ich war also nicht nur ein Arschloch, weil ich Menschen benutzte, ich war auch ein Wichser, weil ich mit ihnen spielte.
Melina tat das, was sie immer tat, wenn ich das letzte Wort behielt und ihr klar wurde, dass sie mich brauchte. Sie zeigte mir schnaubend den Mittelfinger und verließ mein Büro. Natürlich nicht, ohne die Tür hinter sich zuzudonnern, dass beinahe der Putz von den Wänden fiel. Natürlich war ich nicht fair zu ihr, aber ich tat das zu ihrem Schutz. Solange Jonnys Männer in Vegas unterwegs waren, solange Scarlett in der Stadt war ... nun, es war das Beste für Melina und Jace, für uns alle.
»Meinst du nicht, das war ein bisschen heftig?«, fragte Bo von der Couch aus, wo er bis eben in einer Zeitschrift über Autos geblättert hatte.
»Meinst du nicht, das geht dich einen Scheiß an?«, zischte ich und sah ihm drohend in die Augen. »Misch dich nicht in meine Geschäfte ein. Verstanden?«
»Kapiert, Boss!«, erklärte er schmunzelnd, hob abwehrend die Hände und verbarg sein Gesicht wieder hinter der Zeitschrift. Bo wich mir selten von der Seite und ich war ihm dafür dankbar. Er hatte mir schon mehrfach das Leben gerettet und sich dabei selbst eine Kugel eingefangen. Okay, es war nur ein Streifschuss gewesen, doch ohne ihn wäre ich längst tot. Denn ich war der Boss und ich musste den Kopf hinhalten, wenn irgendwelche Kerle auf Mafiosi machten. Klar, der böse Junge in mir wollte auch mitspielen, aber der anständige hielt sich von Drogen, Waffen und Prostitution fern. Hin und wieder kam es natürlich vor, dass einer meiner Angestellten in den Clubs meinte, er könnte Drogen verticken, aber das ließ ich nicht zu. Denn ich musste dann beim Drogenkartell der Mexikaner oder wem auch immer antanzen und die Wogen glätten. Manchmal klappte es. Manchmal wurde uns der Arsch versohlt. Manchmal gab es auch den ein oder anderen Toten, allerdings nur, wenn ich mein eigenes Leben schützen musste. Ich würde niemanden einfach so aus Spaß abknallen. Nein, eine Seite von mir war immer noch gut – trotz der Scheiße, welche die dunkle Seite meines Geschäfts mit sich brachte. Es war ein Teil von mir, aber eben nur ein Teil. Solange ich nicht vorhatte, in der Versenkung zu verschwinden, musste ich hart und unerbittlich sein.
»Behalte sie im Auge, Bo«, sagte ich nachdenklich. »Ich habe da so ein Gefühl, dass sie bald bei einer Anwältin aufschlagen wird.«
»Du denkst an Scarlett?«
»Wenn Melina nur einen Bruchteil dessen weiß, was wir wissen, dann wird sie zu ihr gehen.«
»Um aus dem Vertrag zu kommen?«
»Jepp!«
»Das bedeutet Ärger«, murmelte er, legte die Zeitschrift zur Seite und steckte seine Waffe, die er auf dem Tisch abgelegt hatte, zurück ins Holster an seinem Rücken. Er griff nach seinem schwarzen Jackett und zog es über. »Riesigen Ärger mit Scarlett.«
»Und genau darum wirst du Melina im Auge behalten und davon abhalten, zu ihr zu gehen.«
»Und wie bitte soll ich das machen?«
»Das überlasse ich dir. Kette sie ans Bett, kette sie an dich, aber lass sie nicht allein.«
»Und Scarlett?«
»Lass Scarlett mal meine Sorge sein.«
»Du wirst es verkacken, Boss.«
»Wenn du es verkackst, wirst du sterben, Bo«, erwiderte ich in demselben saloppen Tonfall, meinte es allerdings todernst. Bo lachte, denn er wusste, dass ich ihn nicht umbringen würde. Nun, er glaubte es zu wissen. Er kannte mich nur als rational denkenden Kopfmensch, aber Scarlett ... Melina ... diese ganze große Geschichte außenrum brachte mich dazu, dass ich nicht mehr nur überlegte Entscheidungen traf, sondern auch ein bisschen auf mein Herz hörte.
Nur ein bisschen.
Aber ich tat es.
Fuck!