A
ls ich mich von einem Taxi durch den morgendlichen Verkehr fahren ließ, sinnierte ich über dieses warme Gefühl in meiner Brust. Seit Cal gestern Abend am Flughafen aufgetaucht war und diese romantische Ansprache gehalten hatte, welche sämtliche Herzen der anwesenden Frauen – inklusive meines – für sich einnahm und wir im Anschluss geredet hatten, war es anders. Jepp, der Sex war nach wie vor hart, heftig und extrem geil, aber irgendetwas war einfach anders. Wie selbstverständlich hatte ich aus meiner ›Royal Suite‹ Kleidung für den heutigen Tag und die wichtigsten Toilettenartikel inklusive meines Laptops und die Handtasche geholt. Es fühlte sich fast nach Alltag, nach einer Art Partnerschaft an, von der ich ja eigentlich wusste, dass ich sie nicht wollte. Nicht wollen durfte. Und das nicht nur, weil Cal in Las Vegas lebte und mein Mittelpunkt New York war. Oh nein, eigentlich ging es eher um die emotionale Bindung, die man zu jemandem aufbaute, von dem man wusste, er war nicht gut für einen. Cal hatte mich in der kurzen Zeit, in der wir uns kannten, von A nach B geschleudert. Vielleicht nicht physisch, aber psychisch.
Er war schwarz. Ich war weiß.
Ich stand auf der einen Seite des Gesetzes und er dehnte es auf die andere, übertrat es manchmal, und genau damit hatte ich zu kämpfen. Ich wusste, wenn auch nicht aus seinem Mund, dass er mit Sicherheit schon einige Menschen gefoltert oder sogar getötet hatte. Oft genug kamen Anspielungen in diese Richtung. Na ja, das machte mir zu schaffen. Nur dummerweise suchte sich das Herz nicht aus, in wen man sich verliebte und wer gut für einen war.
Jetzt saß ich in meinem Büro und konnte einfach nicht aufhören, darüber zu sinnieren, wie diese Geschichte mit Cal und mir weiter- oder ausgehen würde.
»Scarlett?«, fragte plötzlich jemand und riss mich aus meinen Gedanken. »Wir müssen los.«
Ich warf einen schnellen Blick auf die Uhr. War es wirklich schon so spät?
Meine Finger angelten nach meinem Handy und ich schickte eine Nachricht an Melina, die eigentlich heute vorbeischauen wollte, um mir die Unterlagen ihres Arbeitsvertrages zu bringen. Ich hatte keine Ahnung, wie lange der Termin bei unserem Mandaten dauern würde, deshalb sagte ich ihr sicherheitshalber ab. Zudem musste ich mich für das vergangene Wochenende entschuldigen, aber sie nahm es freundlich auf und antwortete mir, dass es sich ein anderes Mal ergeben würde. Wenn ich ehrlich war, dann glaubte ich ihr. Sie reagierte so liebevoll wie meine Mom, obwohl ich das Gespräch mit beiden vor mir herschob. Okay, von Mom wollte ich Face to Face erfahren, was Sache war. Jedenfalls klang das nach einem guten Grund, sie nicht direkt am Telefon damit zu konfrontieren, dass ich vermeintlich eine Schwester und damit einen Vater hatte, der nicht vor meiner Geburt gestorben sein konnte.
»Können wir?«, fragte Jim erneut und ich griff nach meinen Unterlagen, schob sie in meine schwarze Ledertasche und lächelte ihn gewinnend an. »Wir können, ja.«
Die Kanzlei stellte uns einen Wagen mit Fahrer zur Verfügung, der uns zu Nevada Pharmaceutics
brachte. In diesen Kreisen und angesichts der Geldsummen, mit denen wir arbeiteten, war es vollkommen normal, dass man nicht selbst hinter dem Steuer seines spießigen Mittelklassewagens saß, um zu einem Geschäftstermin zu fahren.
»Du siehst gut aus«, sagte Jim und sein Blick heftete sich auf meine Beine.
Ich seufzte genervt. »Lass das!«
»Ich weiß, ich weiß«, erwiderte er und hob abwehrend die Hände. »Du bist vergeben.«
Vergeben. War ich das wirklich? Befand ich mich tatsächlich in einer Beziehung oder bildete ich es mir nur ein? Nein, Cal Denton meldete ganz klar Ansprüche an, vollkommen irre Besitzansprüche, aber ich genoss es trotzdem.
»Das kann man so sagen«, antwortete ich mit einem Lächeln.
»Macht er dich glücklich?«, fragte Jim direkt. Mir war nicht bewusst, dass wir so eng miteinander waren, dass er sich solch eine Frage herausnehmen durfte.
Doch bevor ich etwas erwidern konnte, fuhr er fort: »Ich meine ja nur. Man hört und sieht halt einiges von ihm, gerade in der Klatschpresse. Und man sagt, dass er immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt gerät.«
Ich sah an Jims Augen, dass er diese Aussage genau in dem Moment bereute, als er sie ansprach. »Also natürlich nichts nachgewiesen, denn Männer wie er sind ja in der Position, das zu vertuschen. Aber ich kann dir nur raten, Scarlett, halte dich von ihm fern! Der Mann ist dunkel, schwarz wie die Nacht und er zieht dich mit in den Abgrund, bevor du überhaupt registrierst, dass es einen Abgrund gibt. Ich habe bisher nichts Gutes über ihn gehört, außer dass er wohl recht großzügig ist, was das Geld angeht.«
Sprachlos, vollkommen sprachlos und eine ordentliche
Portion entsetzt sah ich Jim an. Es war für mich unverständlich, was ihn so dreist sein ließ, dass er es tatsächlich wagte, das auszusprechen, was ich längst befürchtete.
»Du als Anwalt solltest es besser wissen«, sagte ich betont kühl. »Ganz ehrlich, du stellst hier Behauptungen auf, Thesen, die auf nichts weiter als auf Hörensagen beruhen. Gerade du, der so gesetzestreu ist, der natürlich die Paragraphen noch nie ausgedehnt oder eine Grauzone betreten hat, wagst es, über jemanden zu richten, den du erstens nicht kennst und über den du zweitens Informationen aus der Klatschpresse holst?« Ich schüttelte den Kopf, machte innerlich zu. Es war eine Frechheit, was er Cal unterstellte. Auch wenn er im Grunde recht hatte, aber grundsätzlich war es frech und nicht sehr loyal. »Ich bin entsetzt, wie du arbeitest. Und ich bin entsetzt, wie du über einen Mandanten der Kanzlei sprichst.«
Jims Augen weiteten sich. Er wusste, dass ich ihn an den Eiern hatte. Und er wusste mit Sicherheit auch, dass weder Cal noch Mr. Simon entzückt wären, wenn ich von seinen haltlosen Unterstellungen erzählte.
Ich setzte einen arroganten Blick auf und hoffte, dass er Jim verunsichern würde. Tja, das tat er, denn sein Mund öffnete und schloss sich immer wieder.
»Ich habe das nicht so gemeint, Scarlett«, begann er.
»Lass gut sein, Jim! Du kennst ihn nicht, du kennst seine Geschäfte nicht. Und ehrlich gesagt, hätte ich von einem Anwalt wie dir mehr erwartet, als jemanden ohne stichhaltige Beweise zu verurteilen.«
»Scarlett, ich wollte nicht ...«, begann er, sich erneut rechtzufertigen.
»Lass es einfach!«
Jim nickte und hatte zum Glück auch keine Zeit mehr für weitere Ausführungen, denn wir fuhren gerade auf dem Parkplatz des Firmensitzes von Nevada Pharmaceutics
vor. »Verhalte dich hier einfach professionell, sofern du das
wirklich kannst!« Ich stieg aus dem Wagen und sah an der Fassade des Gebäudes hinauf. Jim mochte vielleicht recht haben und Cal nutzte das Gesetz hin und wieder in einer Grauzone zu seinem Vorteil, aber er würde nichts tun, was unrecht war. Zumindest hoffte ich das. Und da ich den Eid auf die Verfassung geschworen hatte, war es vermutlich besser, ich war nicht so genau informiert.
»Miss Preston!«, begann der Inhaber des Pharmakonzernes. »Wie schön, Sie endlich persönlich kennenzulernen. Ich habe nur Positives über Sie gehört.«
»Ach so?«, fragte ich und schüttelte die mir dargebotene Hand. »Das freut mich.«
»Wie schön, dass auch Sie mitgekommen sind, Jim«, erklärte der charmante Herr im dunklen Anzug. »Sie sind der Fachanwalt für Patentrecht, richtig?«
»Richtig«, erwiderte Jim sich räuspernd. Er war nicht bei der Sache, das bemerkte ich sofort. Ob es nun daran lag, dass ich ihn im Auto runtergemacht hatte oder der Inhaber lustigerweise Mr. Jim hieß und ihn wie meinen Assistenten behandelte, war mir gerade einerlei. Ich hoffte nur, Jim würde sich wieder fangen und einen guten Job machen. Mr. Jim führte uns in einen Konferenzraum, auf dessen langem Tisch Gebäck, Kaffee und Wasser bereitstand. »Bitte setzen Sie sich. Ich bin sehr gespannt, was Sie für uns haben.«
»Nun«, begann ich also, nachdem mein Kollege so tat, als wäre er tatsächlich nur mein Assistent, »wir sind noch nicht so weit, wie wir gern wären. Die Recherchen waren umfassend, die Analyse der Rechtslage ebenfalls. Aber was wir definitiv schon sagen können, ist, dass die Rezeptur offenbar von einem Ihrer aktuellen Mitarbeiter gestohlen wurde.«
»Ein aktueller? Wie kommen Sie denn darauf?«
»Weil der einzige Ihrer ehemaligen Mitarbeiter, der Zugriff hatte und in besagtem Zeitrahmen für Sie tätig war, vor zwölf Wochen verstorben ist.«
»Das tut mir leid«, erwiderte Mr. Jim und sah mir aufmerksam in die Augen. »Aber Sie verstehen sicherlich, dass es hier um Verluste in Milliardenhöhe geht. Da ist es nicht sonderlich viel, was Sie mir hier vorlegen.«
»Verstehen wir, und genau deshalb haben wir noch das.« Ich legte ihm ein Blatt Papier vor, das ich bei meiner Recherche in den Datenbanken des Patentamtes gefunden hatte. Es war das gleiche Dokument, das ich bei einem Besuch der Gegenpartei zufällig gesehen hatte. Ich war mir sicher, dass es damit zu tun hatte. Und ich war mir auch sicher, dass wir einen Experten für Graphologie zurate ziehen mussten.
»Ich verstehe nicht«, murmelte Mr. Jim und sah von dem Blatt auf, mir in die Augen und studierte es erneut. »Wie soll uns dieser handgeschriebene Zettel weiterhelfen?«
»Wie Sie sicherlich wissen, ist dies die genaue Rezeptur.«
»Ja, das sehe ich. Immerhin haben wir sieben Jahre daran getüftelt und es ist ein Running Gag, dass die Rezeptur für dieses Medikament, das uns Milliarden einbringen soll, nur handgeschrieben vorliegt, was natürlich Bullshit ist.«
Wieder nickte ich und lächelte ihn an. »Die Gegenpartei hat ebenfalls einen handgeschriebenen Zettel vorgelegt.«
»Sie machen Witze!«, erwiderte er fassungslos. »Das kann nur ein mieser Scherz schein.«
»Nein, ist es nicht. Und wir«, ich warf einen Seitenblick auf Jim, der immer noch abwesend wirkte, »sind uns sicher, dass ein vor Gericht anerkannter Graphologe über die Analyse der Handschriften herausfinden wird, welche echt ist oder zumindest wer die Rezeptur in dieser Form zu Papier gebracht hat.«
»Klingt das nicht sehr abwegig?«
»Nein, keineswegs. Es grenzt den Kreis erheblich ein. Das Originaldokument, welches Ihnen hier in Kopie vorliegt, ist unter Verschluss in den Akten des Patentamtes. Es gibt nur wenige Menschen, soweit ich richtig informiert bin, sind es
sechzehn, die diese Rezeptur kennen, sie entwickelt haben und in der Lage sind, sie aus dem Gedächtnis aufzuschreiben.«
»Sie meinen also, dass der Maulwurf noch hier arbeitet?«
Ich nickte. »Davon ist auszugehen.«
»Das wäre ja ein starkes Stück.«
»Deshalb haben wir Jim, also Mr. Baker«, erklärte ich weiter und versuchte, ihm so zu signalisieren, dass nun sein Part kam. Er war jedoch immer noch mit sich beschäftigt, also übernahm ich. »Ein Verstoß gegen das Patentrecht in Verbindung mit Firmenspionage ist kein Kavaliersdelikt, es geht hier schließlich nicht um den Diebstahl einer Aspirin.«
»Sie meinen also, dass wir Schadenersatz bekommen, eine Ausgleichszahlung und womöglich der Täter ins Gefängnis geht?«
Erneut nickte ich.
»Dann hoffe ich wirklich, dass sich die falsche Ratte, die uns bestohlen hat, ordentlich hat ausbezahlen lassen. Das Geld wird er im Gefängnis als Schutzgeld brauchen.« Mr. Jim knurrte die Worte beinahe. Er war sauer. Und ich konnte es ihm nicht verübeln. Ich wüsste nicht, was ich täte, wenn ich herausfinden würde, dass einer meiner Mitarbeiter mich verarschte.
»Wie machen wir jetzt weiter? Scheinbar arbeitet der Kerl oder die Frau noch bei uns.«
»In der Tat«, stimmte ich zu. »Aber ich reiche heute noch Klage bei Gericht ein. Wenn Sie wollen, dass der Täter oder die Täterin rechtskräftig verurteilt wird, werden Sie um einen Prozess nicht herumkommen.«
»Wie wird das ablaufen?«
»Na ja, ich reiche die Unterlagen ein, das Gericht prüft und anschließend wird der Termin für den Prozessbeginn bekanntgegeben. Gleichzeitig werden sämtliche Beweismittel konfisziert, auch in Ihrem Unternehmen, damit sichergestellt werden kann, dass keine Unterlagen kurzfristig verschwinden.
Sie verstehen?«
»Und was, wenn die Gegenseite davon Wind bekommt?«
»Solange Sie nichts weitererzählen, wird das nicht passieren.«
»Aber der Vorstandsvorsitzende, unser Chairman, wird wissen wollen, wie der Sachstand lautet.«
»Dann holen Sie ihn ins Boot. Aber bedenken Sie, Mr. Jim, wir müssen den Kreis der Eingeweihten wirklich extrem klein halten. Je mehr Bescheid wissen, desto unwahrscheinlicher ist es, dass wir den Täter überführen können.«
»Sie sagten aber doch, dass die Angelegenheit in trockenen Tüchern ist.«
»Ist sie auch«, erklärte ich und lehnte mich zurück. »Solange die Sache unter uns bleibt.«
Mr. Jim stand auf und ging zu der großen Fensterfront des Konferenzsaales. Das Unternehmen lag etwas außerhalb von Vegas und somit erstreckte sich vor uns nur die grenzenlose Wüste Nevadas. Er schien zu überlegen, mit sich zu hadern. Es vergingen einige Herzschläge, bevor er antwortete.
»Wir werden also das Leben von jemandem zerstören.«
»Wenn Sie Ihr Unternehmen retten wollen, werden wir das vermutlich tun.« Ich sprach ruhig und leise.
»Dann hätte sich diese korrupte Person vorher überlegen müssen, ob sie vertrauliche Daten stiehlt. Nicht wahr?«
»Vollkommen richtig.«
»Verstehen Sie mich nicht falsch, aber ist so ein Prozess der letzte Ausweg?«, fragte er und drehte sich abrupt um. In seinen Augen stand eine Art der Ungewissheit, die mich stutzig machte.
»Wir dachten, das Ziel des Vorstandes wäre es, Rechtssicherheit zu schaffen.«
»Das ist richtig.«
»Dann sollten wir alles dafür tun, dass Sie Ihre Rezeptur zurückbekommen und Schadensersatz bei Ihnen landet.«
»Okay.«
»Ich weiß«, sagte ich milde lächelnd. Ich kannte diesen Blick. »Sie sind noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten, richtig?«
»Nein, bin ich nicht. Und ich hätte auch nicht gedacht, dass wir es einmal müssen. So ein Prozess ist nichts, was erstrebenswert ist. Die Klatschpresse wird sich auf uns stürzen.«
»Ich verstehe Ihre Bedenken, Mr. Jim, aber fragen Sie sich, ob die Person, die Sie bestohlen hat, Bedenken hatte.«
»Nein, vermutlich nicht.«
»Wir werden diese Angelegenheit regeln. Und wir werden Sie zu Ihren Gunsten regeln, Mr. Jim.«
»Ich bin Ihnen überaus dankbar.«
Mein Blick huschte wieder zu Jim, der immer noch kein Wort gesprochen hatte. Scheiße! Ehrlich? Ich dachte, er wäre der beste Anwalt in seinem Bereich. Sorry, aber momentan wirkte es eher so, als wäre er derjenige, der es verbockt hatte.
»Wir melden uns, sobald feststeht, dass wir beim Richter vorsprechen dürfen.«
»Ich danke Ihnen, Miss Preston, und ich stimme Mr. Simon und Mr. Pete zu, Sie sind wirklich die Beste für den Job.«
»Davon können Sie ausgehen«, erwiderte ich von mir selbst überzeugt, schüttelte ihm lächelnd die Hand und zog Jim dann zu den Fahrstühlen. Ja, ich hatte mich gerade nett und freundlich und lässig verhalten, aber ich kochte vor Wut.
»Was zur Hölle sollte das?«
»Was?«, fragte er und sah mich überrascht an.
»Du hast KEIN Wort gesagt. Arbeite ich etwa allein an dem Fall, oder was?«
»Ich ...«, begann er und brach ab.
»Du solltest dich professionell verhalten, nicht wie ein getretener Hund, nur weil ich keine Lust habe, mit dir ins Bett zu steigen.«
Er stieß einen Laut des Spottes aus. »Du hast echt keine Ahnung, oder?« Er schüttelte den Kopf. »Fahren wir zurück ins Büro.«
»Wovon habe ich keine Ahnung?« Er hatte mich an der Angel. »Was meinst du damit?«
»Vergiss es einfach!«
»Beim nächsten Termin verhältst du dich professionell, verstanden? Ich sehe nicht ein, dass ich die ganze Arbeit mache und du das Lob kassierst. Kapiert?«
Wir sahen uns in die Augen und ich fragte mich, was ich tun konnte, damit er mir erklärte, was hier soeben passiert war. Meine rationale Seite sagte mir, dass es nichts Persönliches war, aber mein Bauch sprach etwas anderes.
Zurück im Büro ließ ich meine Assistentin unter meiner Aufsicht den Antrag ausfüllen und sofort persönlich bei Gericht abgeben. Wir hätten mehr Chancen, wenn jemand in persona vorbeisah. Vielleicht durften wir schon morgen vorsprechen, falls der Richter die vertrauliche Ermittlung und Dringlichkeit der Angelegenheit als triftigen Grund einschätzte. Nach meiner Erfahrung wurden Fälle, in denen es um Patentrecht ging, gerade im Kontext der Industriespionage und Pharmaindustrie, meist mit höchster Priorität behandelt.
Seufzend war ich gerade dabei, meine Sachen zusammenzupacken, da ich für heute ehrlich genug hatte. Ich war immer noch wütend und unsicher zugleich. Das Verhalten von Jim war höchst seltsam und unprofessionell gewesen, als wüsste er etwas, das ich nicht wusste. Ich beschloss, Cal anzurufen. Wir wollten heute Abend sowieso essen gehen, vielleicht konnte er meinen Kopf sortieren.
Seltsam, oder? Ich wollte noch nie jemandem Details von meinem Job erzählen und seine Meinung wissen. Wirklich noch nie!
Mit einem Lächeln auf den Lippen schulterte ich meine Tasche, löschte das Licht in meinem Büro und machte mich auf
den Weg zu den Fahrstühlen.
»Sie hat keine Ahnung, dass Sie der Vorstandsvorsitzende sind, nicht wahr?«, hörte ich jemanden sagen. Neugierig spähte ich ums Eck. »Vermutlich weiß sie dann vom Aufsichtsrat erst recht nichts.«
Mein Herzschlag beschleunigte sich. Mein Blut rauschte in meinen Ohren. Meine Muskeln wurden steif und ich begann zu zittern.
Nein.
Nein. Nein. Nein.
Nein!
Das durfte nicht sein.
Es war nicht irgendwer, den ich bei diesem Gespräch belauschte, es waren nicht nur einfach zwei Männer.
Nein.
Es war Jim.
Und es war Cal.