Epilog
Cal
H ätte mir vor drei Monaten jemand gesagt, dass ich sesshaft werden und eine feste Freundin haben würde, hätte ich ihn ausgelacht und anschließend erschossen. Ernsthaft!
Aber ehrlich, ich war ein Wichser, ein abgefuckter Pisser und ich konnte es kaum glauben, dass mich eine Frau wie Scarlett wollte.
Sie hatte mir tatsächlich vergeben. Und das, obwohl ich kaum zu hoffen wagte, noch irgendwelche Chancen bei ihr zu haben. Aber sie tat es.
Im Endeffekt war meine Taktik, sie in Ruhe zu lassen, die richtige gewesen. Melina und auch Bo, der alte Fuchs, hatten mir immer wieder gesagt, dass man Raum für das ›Vermissen‹ lassen musste. Denn man konnte nun einmal nur etwas vermissen, wenn es nicht da war. Also hielt ich mich daran, so schwer es mir fiel. Ich wuchs über mich und meinen Kontrollzwang hinaus. Was nicht bedeutete, ich würde Scarlett nicht im Auge behalten. Nur riss ich mich zusammen, kontrollierte meine Aggression und versuchte, mich zu ändern.
Zum Besseren.
Für sie.
Für mich.
Für uns.
Ich wollte tatsächlich vor ihrer Suite knien und winseln, bis sie mir vergab. Noch viel lieber hätte ich Scarlett in der Kanzlei, als sie mit diesem Vollhonk Jim in der Teeküche stand, wie ein Höhlenmensch über die Schulter geworfen und mitgenommen. Niemals hätte ich geahnt, dass sie in meine Suite stürmen und so verdammt eifersüchtig auf Melinas Anwältin sein würde, denn Scarlett besaß das beste Pokerface, das ich in meiner Karriere in Las Vegas jemals gesehen hatte. Ja, sie hatte mir den Kopf gewaschen, und Bo der kleine Pisser hatte es genossen. Das verriet er mir ein paar Tage später, als Scarlett und ich dazu bereit waren, unser Bett zu verlassen.
Vielleicht war all das nötig gewesen, um mich davon zu überzeugen, dass ich mein Leben ändern konnte. Es kostete mich jeden Tag weniger Überwindung, Scarlett zu beweisen, dass ich ehrlich ihr gegenüber sein wollte. Und auch wenn es scheiße war, was ich ihr über meine aktuellen Geschäfte erzählte, tat ich es trotzdem. Außer wenn ich wusste, es würde sie in einen Konflikt mit dem Gesetz geraten lassen. Für diesen Fall einigten wir uns darauf, dass ich es mit »Ich verweigere die Aussage« für mich behielt. Wir hatten darüber gesprochen. Oft. Und wir taten es noch. Ich hatte verstanden, wie viel Scarlett Vertrauen und Ehrlichkeit bedeuteten. Und weil die zwei Wochen ohne sie die schlimmsten in meinem Leben waren, würde ich sie niemals wieder anlügen. Ich war stolz auf Scarlett und ja, ich wusste, dass sie viel zu gut für mich war. Sie schaffte es, dass ich über mich hinauswuchs, auch wenn wir daran arbeiten mussten, dass sie mich beschissen noch mal nicht mit irgendwelchen hirnlosen Pennern eifersüchtig machte.
»Herzlichen Glückwunsch, Babe! Ich habe nie an dir gezweifelt«, sagte ich und genoss es wie ein Weichei, als sie mich freudestrahlend in der Hotellobby begrüßte.
»Danke«, murmelte sie, legte mir die Arme um den Hals und drückte ihre vollen Lippen, die sich heute Morgen noch um meinen Schwanz geschlossen hatten, auf meinen Mund. Ich grinste wie ein verliebter Mann, der ich eben war, bis sich Bo verlegen räusperte. Ich ignorierte ihn. Die Leute waren mir egal. Sollten sie doch glotzen.
Jim und Scarlett hatten den millionenschweren Prozess um die Rezeptur des Drogenersatzstoffes von Nevada Pharmaceutics gewonnen.
Heute.
Und ich hatte wie ein Idiot in meiner Suite gewartet, weil ich Scarletts Wunsch respektierte, ihr diesen großen Tag zu gönnen und im Hintergrund zu bleiben. Ja, es war ihr Erfolg und natürlich gönnte ich ihn Scarlett von Herzen. Es war mir verdammt schwergefallen, nicht im Gerichtssaal oder später in der Kanzlei aufzutauchen, aber sie hatte recht. Es war ihr Tag, nicht meiner. Der Tag, an dem sie alle Bedingungen erfüllte, Namenspartnerin zu werden.
Sie würde in Vegas bleiben.
Zumindest vorerst.
Aber darüber würde ich später mit ihr und ihrem zur Hälfte irischen Temperament streiten. Ich wusste, was sie für mich aufgab, aber ich war nicht gewillt, deshalb sie aufzugeben. Scarlett sagte mir etwas, das ich noch nie zuvor von jemandem ohne finanziellen Hintergrund gehört hatte. Sie betonte mir gegenüber, dass ich es wert war. Ich, nicht mein Bankkonto.
»Wir haben es geschafft«, sagte sie atemlos. »Wir haben dein Vermögen gerettet.«
»Nicht mein Vermögen, das ist mir egal. Die Rezeptur ist alles, was zählt!« Mir ging es nur darum, dass das, was meine Mutter aufgebaut hatte, weitergeführt werden konnte. Die Zusammenarbeit der Frauenhäuser und Melina lief so weit ganz gut, auch wenn sie mich deshalb mindestens dreimal am Tag anrief. Scarlett half ihrer Schwester ebenfalls, sobald ihr Know-how als Anwältin gefragt war.
»Lass uns feiern gehen, Babe« flüsterte ich und Scarlett lächelte verschmitzt.
»In den Club?«, fragte sie und ihre Wangen röteten sich vor Aufregung.
Ich rollte die Augen. »Kaum ist der Fall in der Tasche, wirst du wieder unersättlich!« Nun kicherte sie und scheiße, auch wenn mich dieses Geräusch früher immer abgeschreckt hatte, jetzt und hier bei ihr liebte ich es. Ich genoss es so sehr, dass es mir beinahe körperlich wehtat.
»Ich brauchte die letzten Tage meinen Schlaf«, erwiderte sie schulterzuckend. Lächelnd betrachtete ich sie und freute mich, dass es so normal zwischen uns war. Wie bei einem langweiligen Pärchen und nicht wie bei einem millionenschweren zwielichtigen Kerl aus Las Vegas und einer irischen Underground Princess, die von ihrem Vater nichts wissen wollte. Und somit auch nichts von seinem Erbe. »Es ging um eine Menge.«
»Geld interessiert mich nicht«, erklärte ich lapidar und sie schlug mir auf die Brust. »Du verdammter Ego-Arsch. Ich meinte, für mich ging es um eine Menge.«
Das war es. Der Satz, auf den ich gewartet hatte. Es ging um eine Menge. Immer.
Vor allem dann, wenn man sein Herz in die Waagschale warf.
»Scarlett?«, fragte ich sie nun also und es war mir scheißegal, wer uns hier zusah. »Ich weiß, ich bin deiner nicht würdig, und ich weiß, dass ich dich nicht verdient habe, aber für mich geht es auch um eine Menge.«
Sie hob den Blick, sah mich verwirrt an und strich sich eine Haarsträhne hinter ihr Ohr mit dem schwarzen Perlenohrring. »Was meinst du, Cal?«
Ich sah aus dem Augenwinkel, wie einige Hotelgäste stehenblieben. »Ich meine damit, dass ich mein Herz in die Waagschale werfe.«
»Wie jetzt?«
»Ich will dich. Mit allem.«
»Du machst mir jetzt aber keinen Antrag, oder?«, fragte sie und ihr Mund formte sich zu einem stummen O, als ich aus meiner Hosentasche einen Ring zog, dessen schmaler roségoldener Reif in einen einzelnen Diamanten überging.
»Du machst mir einen Antrag«, stellte sie einen Herzschlag später fest.
»Ich liebe dich für deinen Scharfsinn, Babe«, erklärte ich lachend. »Aber noch mehr, weil du es mit mir aushältst, weil du mich liebst, weil du mir jeden Tag eine Chance gibst, ein besserer Mensch zu werden, und weil du mir vergeben hast, dass ich ein Vollidiot bin.«
»Oh ja, der warst du.«
Ich stieß den angehaltenen Atem aus. Mein Herz wummerte in meiner Brust und ich hasste es, dass ich keinen besten Freund hatte, der verheiratet war und mir sagte, dass es absolut kein Spaziergang ist, einer Frau einen Antrag zu machen. Von diesem allseits gerühmten »Wow!« und »Ah!« und »Oh!« merkte ich nämlich gerade nichts. Jedenfalls nicht viel, auch wenn es so klang, als würden die umstehenden Gäste genau etwas in dieser Art rufen.
»Und ich verspreche dir, du darfst mir das bis ans Lebensende jeden Tag sagen. Wenn du jetzt Ja sagst«, versuchte ich, mich an meine zurechtgelegten Worte zu erinnern, nahm den Ring zwischen meinen Daumen und Zeigefinger, griff nach ihrer Hand und biss mir auf die Lippe, während ich sie anflehte: »Komm schon Scarlett, lass mich nicht wie einen Depp dastehen!«
»Aber du sagtest doch eben, dass du ein Idiot bist«, neckte sie mich.
»Scarlett!«, knurrte ich dunkel.
»Okay, okay. Wenn du mich lieb bittest.«
»Was?«, rief ich aus. »Habe ich doch schon.«
»Aber du hast nicht das Geheimwort gesagt.«
»Das Geheimwort?«
»Ja«, erwiderte sie und wackelte mit den Hüften. »Bitte noch mal und mit Zuckerguss oben drauf.«
»Dein Ernst?«
»Natürlich!«, erwiderte sie und entzog mir ihre Hand, um sich beide Hände in die Hüften zu stemmen. »Natürlich ist das mein Ernst, ich bin Anwältin!«
»Ich mache mich zum Deppen«, flüsterte ich kopfschüttelnd zu mir selbst. »Ich bin so ein gottverdammter Jammerlappen.« Diese Frau schaffte mich. »Scarlett, würdest du mir bitte die Ehre erweisen und mich heiraten?«, fragte ich an sie gewandt. Sie sagte nichts, ließ mich zappeln, genoss offensichtlich den Moment des Triumphes über mich. Sie war ein Biest, und dafür liebte ich sie.
»Na gut, dann sage ich Ja, aber nur«, erklärte sie und ich griff nach ihren Fingern, um ihr den Ring meiner Urgroßmutter anzustecken, »weil du so lieb gefragt hast.« Sie grinste breit und ich zog sie an mich. Unsere Lippen verschmolzen in einem leidenschaftlichen Kuss, unsere Zungen tanzten, als wären sie genau dazu geschaffen. Der Rausch des Glücks umwogte uns, hüllte uns ein, als wären wir allein auf der Welt. »Und weil du mich ein bisschen in diese sexy Dunkelheit entführst, die ich so mag.«
»Ich weiß, Prinzessin, ich weiß«, brummte ich und kniff verstohlen in ihren Hintern, der in dem dunkelroten Kleid so appetitlich aussah, dass ich nicht anders konnte, als sie flüsternd aufzufordern, endlich mit mir in die Suite zu kommen.
Im Fahrstuhl schob Scarlett ihren Rock so weit hoch, dass sie die langen Beine in den Absatzschuhen um meine Hüften legen konnte. Ich trug sie über die Schwelle unseres Zuhauses, weiter in unser Schlafzimmer.
Mit ihr hatte ich alles, was ich begehrte.
Sie war anders und doch gehörte sie zu mir.
Sie war Licht und ich der Schatten.
Sie war ein Engel und ich der Teufel.
Langsam tastete sie sich in die Dunkelheit. Ich würde ihr Halt geben, obwohl sie mich gar nicht brauchte. Denn Scarlett Preston war Licht und Schatten zugleich. Durch ihre Mutter hatte sie bisher nur eine Seite des Gesetzes kennengelernt, aber die Düsternis war ihr in die Wiege gelegt worden.
Und auch wenn sie mit dem väterlichen Teil ihrer Wurzeln nichts zu tun haben wollte, war sie dennoch die beste Underground Princess , die unser Milieu je gesehen hatte.
Und sie war mein.
Ende
Direkt im Anschluss findet ihr eine Leseprobe zu meinem am 1. April 2021 erscheinenden Roman, der die New York Lovestorys fortführen wird.