McCoy zog unbeholfen an seinem Kittel, doch die Schnallen und Spangen entglitten den zitternden Fingern. Noch vor einigen Minuten hatte er mit ruhigen, sicheren Händen gearbeitet und mehrere durchtrennte Nervenstränge miteinander verbunden. Jetzt lagen fünfzehn anstrengende Stunden und mehrere komplizierte Operationen hinter ihm, bei denen es vor allen Dingen auf das Geschick des Chirurgen ankam – trotz der modernen medizinischen Technik. Die Anspannung wich von McCoy, und daraufhin fühlte er seine Erschöpfung. Er streifte den Kittel ab, hielt ihn einige Sekunden lang in der Hand und ließ ihn achtlos fallen. Wie oft hatte er als Erster Medo-Offizier Ärzte oder Krankenschwestern für ein so nachlässiges Verhalten getadelt?
Jeder Mediziner sollte auf Ordentlichkeit achten. Schlechte Angewohnheiten gehen früher oder später zu Lasten der Patienten.
Trotzdem machte er keine Anstalten, das Kleidungsstück aufzuheben, setzte sich statt dessen auf einen Spind. Wenn ihm der kleine Schrank keinen Halt geboten hätte, wäre er wahrscheinlich zu Boden gesunken, neben den Kittel.
Der chirurgische Waschraum glich einer ruhigen Zone zwischen den beiden Stürmen, die McCoy seit zwei Tagen erbarmungslos umheulten. Derzeit hielt sich niemand in der Operationskammer hinter ihm auf, und geschlossene Türen dämpften die Geräusche in der Rekonvaleszenzabteilung. Er hörte nur Interkom-Stimmen, die Listen endloser Schadensberichte verlasen oder Statusmeldungen erstatteten; Scotty war mit seinen eigenen Operationen beschäftigt.
»Doktor.« Schwester Chapel stand neben McCoy. Er begriff, dass sie ihm schon seit einer ganzen Weile Gesellschaft leistete, doch er nahm ihre Präsenz erst jetzt bewusst wahr.
»Wer ist nun dran?«, fragte er automatisch. Einige Minuten nach der Kollision hatte er die ersten Patienten in Empfang genommen. Inzwischen war mehr als ein Tag vergangen, und er musste noch immer leichtere Verletzungen behandeln; den Männern und Frauen, die mit dem Tod rangen, galt absolute Priorität. Zwei Besatzungsmitglieder lagen in Bio-Stasis: Es stand so schlimm mit ihnen, dass ihre Körper nur in einer bestens ausgerüsteten Starbase wieder zusammengeflickt werden konnten. Sechzehn andere würden nie wieder erwachen. Schon seit langer Zeit hatte die Enterprise keine derart schweren Verluste erlitten.
»Niemand«, antwortete Chapel. »Für heute haben Sie genug gearbeitet. Ruhen Sie sich aus.« Sie nannte den Dienstplan für das medizinische Personal und sprach dabei in einem Tonfall, der folgende Botschaft vermittelte: Wenn Sie irgendwelche Einwände erheben, Doktor, so beleidigen Sie damit alle Angehörigen dieser Abteilung. Vier Namen fehlten auf der Liste – die Mitglieder des Medo-Teams, die im Hangar getötet worden waren. McCoy hatte sie selbst ausgesucht …
Er hörte müde zu und gestand sich ein, dass es ihm an Kraft fehlte, die nächsten Operationen auch nur zu beaufsichtigen. Hinter seiner Stirn pochte dumpfer Schmerz, und es fiel ihm schwer, den Blick zu fokussieren. Hinzu kam eine Reaktionszeit, die kaum besser war als bei einem Katatonie-Patienten. Plötzlich unterbrach McCoy diesen Gedankengang und unterdrückte ein verärgertes Stöhnen. »Ich kann mich noch nicht in mein Quartier zurückziehen.« Er beugte sich mühsam vor. »Was ist mit Benson, der Brustverletzung aus dem Maschinenraum? Wir haben die Lazerrationen nur notdürftig zusammengehalten, um zu warten, bis sich sein Zustand stabilisiert.«
Chapel zögerte. »Er braucht nicht mehr operiert zu werden.«
McCoy hob abrupt den Kopf. »Verdammt, Christine! Drücken Sie sich klarer aus! Wie geht es Benson?«
»Er ist tot«, sagte die Schwester sachlich. »Die metabolischen Signale waren schwach, aber stabil, als man ihn für die Operation vorbereitete. Doch dann …«
Zorn brodelte in dem Arzt, und er sprang auf. »Warum bin ich nicht verständigt worden? Wo befindet er sich jetzt?« Himmel, wir haben schon genug Todesfälle. Bitte, gütiger Gott, verschone die anderen.
Chapel wich nicht beiseite und versperrte ihm tapfer den Weg. »Besatzungsmitglied Benson ist tot, Doktor. Sie wissen genauso gut wie ich, dass wir alles versucht haben, um ihn zu retten, aber unsere Bemühungen genügten einfach nicht.«
Der jähe Adrenalinschub ließ nach, und McCoy ließ die Schultern hängen. »Natürlich. Tut mir leid. Ich wollte nicht … Ich …« Er unterbrach sich verwirrt. Hatte er etwa geglaubt, den Todesengel packen und erwürgen zu können? »Danke, Schwester.« Er musterte ihr Gesicht und sah Müdigkeit, die ihre markanten Züge aufweichte. »Ich schätze, es wird Zeit, dass ich ein wenig an der Matratze horche.«
»Da haben Sie völlig recht.« Chapel wirkte noch immer ernst und streng, aber in ihrer Stimme erklang nun so etwas wie sanfte Toleranz.
»Zum Teufel auch, wie ertragen Sie mich nur?«, murmelte McCoy, als er aus dem Zimmer wankte.
Der Weg durch den Korridor vertrieb genug Benommenheit aus ihm, um den vielen Technikern auszuweichen. Überall stieß er auf Hindernisse in Form von Schaltkreismodulen, Kisten mit Ersatzteilen und Körpern, deren Beine aus Wartungsöffnungen im Boden, den Wänden oder der Decke ragten. Nach der Bordzeit war es jetzt Nacht, aber helles Licht strahlte in den Korridoren, um die Reparaturen zu erleichtern. Im Weltraum konnten ›Morgen‹ und ›Abend‹ ohnehin nur künstlicher Natur sein, doch McCoy verabscheute es, so deutlich daran erinnert zu werden.
»Gravitationsgruppen zum Deck Sieben. Gravitationsgruppen zum Deck Sieben. Bereitschaft für Anpassungsprozedur in viereinhalb Stunden. Ich wiederhole …« Scottys Stimme klang selbst aus den Interkom-Lautsprechern heiser und rau.
McCoy fragte sich, wie umfangreich die Beschädigungen der Enterprise sein mochten. Als Arzt galt seine Aufmerksamkeit vor allen Dingen dem menschlichen Problem, aber er erinnerte sich nun an die heftigen Erschütterungen während des Angriffs. Er hatte die kurzen Pausen zwischen den Operationen genutzt, um mit halbem Ohr den Interkom-Meldungen zuzuhören: Offenbar musste die Identität des Aggressors erst noch festgestellt werden. Einige Trümmer des Frenni-Schiffes lagen im Hangar, und mehrere aus dem Wrack geborgene organische Fragmente ruhten neben Ellison und Takeoka in der Stasis – mit etwas Glück waren die beiden Crewmitglieder nach dem Auftauen besser dran als die Aliens. McCoy schüttelte den Kopf, als wollte er sich auf diese Weise von Sorge und Kummer befreien. Es hatte keinen Sinn, jetzt über die Überlebenschancen der Stasis-Patienten nachzudenken: Es dauert Wochen, bis wir die nächste Starbase erreichen.
Uhuras Stimme tönte aus dem Interkom. »Captain Kirk zur Brücke.« Und dann Scotty: »Captain Kirk zur Phaserkontrolle.«
»Hier Kirk. Eins nach dem anderen.«
McCoy schmunzelte über die verschiedenen Anfragen und überlegte, wie lange es dauern würde, bis Jim die Krankenstation aufsuchte. Der frustrierte Ärger im Tonfall des Captains war bei diesem stets das erste Anzeichen für nahende heftige Kopfschmerzen.
Diese Überlegungen hielten alle düsteren Gedanken von McCoy fern, bis er seine Kabine erreichte. Dort ging er sofort zur Ultraschalldusche und streifte unterwegs die Kleidung ab. Schweiß fühlt sich wie Blut an, fuhr es ihm durch den Sinn, und er schauderte unwillkürlich, als die Düsternis in sein Bewusstsein zurückkehrte. Die Vibrationen säuberten nur den Leib, nicht den Geist.
Nach der Dusche beobachtete McCoy sein Spiegelbild. Er sah das gleiche Gesicht, das er jeden Morgen betrachtete, doch diesmal musterte er es aufmerksam. Die breiten, regelmäßigen Züge ließen ihn untersetzter erscheinen, als er es in Wirklichkeit war. Erschöpfung verlängerte die Falten in den Mundwinkeln und auf der Stirn. Das Blau der Pupillen wirkte nun grau, und ein Gespinst aus dünnen roten Adern durchzog das Weiße in den Augen. Das braune Haar darüber hatte sich nicht gelichtet, aber es wies einige graue Strähnen auf.
Mit jedem Tag sehe ich meinem Vater ähnlicher.
Er wandte sich vom Spiegel ab, zog einen Morgenmantel an und ließ den Blick durch ein Zimmer schweifen, in dem diverse Kleidungsstücke und Handtücher verstreut lagen; bisher hatte er sich noch nicht die Mühe gemacht, sie aufzusammeln und ins automatische Reinigungsgerät zu stopfen. Mehrere Topfpflanzen verwelkten langsam. Auf dem Schreibtisch lagen ungelesene medizinische Fachzeitschriften neben Ausdrucken elektronischer Briefe, die während der letzten Subraum-Kommunikationen mit Starfleet übermittelt worden waren. McCoy kannte ihren Inhalt noch nicht, und er spürte kaum den Drang, sich sofort mit ihnen zu beschäftigen. Es spielte sicher keine Rolle, wenn er sie erst in einigen Stunden zur Hand nahm: Sicher hatten sie Wochen gebraucht, um in Form von codierten Impulsen durchs All zu reisen, von Schiff zu Schiff weitergeleitet zu werden und schließlich die Enterprise zu erreichen. Er widerstand auch der Versuchung, sein Quartier aufzuräumen. Zwar brauchte er dringend Schlaf, aber er hatte ein Stadium nervöser Erschöpfung erreicht, das ihn nicht zur Ruhe kommen ließ. Ein vertrautes Gefühl: Es erinnerte ihn an die schreckliche Routine während seines ersten Jahrs als Arzt.
Ich bin zu alt für solche Dinge.
McCoy streckte sich auf dem Bett aus und versuchte vergeblich, sein Selbst von allem Ballast zu befreien. Zweimal stand er auf, um sich mit der Krankenstation in Verbindung zu setzen, als ihm wichtige Fragen einfielen. Hatte er die neuen Dosierungen in Vergalens Krankenblatt eingetragen oder sich das nur vorgenommen? Dann befürchtete er plötzlich, Dr. Cortejo nicht auf die Notwendigkeit hingewiesen zu haben, Galloways Bauchwunde noch einmal zu behandeln. Nein, Chapel hat diese Information sicher weitergegeben. Lieber Himmel, manchmal vertraue ich ihr mehr als mir selbst. Dieser Gedanke beruhigte ihn, und er schlief endlich ein.
Das schrille Pfeifen der internen Kommunikation weckte McCoy. Er kam langsam zu sich, und die Tentakel eines Albtraums wichen vor der Realität zurück. Zuerst ergaben die aus dem Lautsprecher tönenden Worte überhaupt keinen Sinn. Die Finger des Arztes zuckten, während er in Schreckensvisionen meterlange Nerven zusammennähte, die auf dem Boden der Brücke verstreut lagen.
»… beginnt in etwa dreißig Minuten.«
Zur Hölle mit Montgomery Scott. Konnte er das Schiff nicht ohne solchen Aufruhr in Ordnung bringen? Ein Blick aufs Chronometer teilte McCoy mit, dass nur vier Stunden verstrichen waren, aber er verspürte nicht den Wunsch, erneut einzuschlafen. Die Rückkehr in den Albtraum erschien ihm wenig erstrebenswert. Da er schon einmal wach war, konnte er einige Arbeiten erledigen. Jim hatte ihn um einen Bericht über die Gewebeproben der Aliens gebeten: Die Autopsie war vom Xenobiologen Frazer durchgeführt worden, und es schadete sicher nicht, seinen recht technischen Jargon in eine Sprache zu übersetzen, die der Captain verstand. Außerdem wollte McCoy erfahren, welche Lebensformen für ein solches Chaos in der Krankenstation gesorgt hatten. Er stand auf, zog die letzte frische Uniform an und wankte zum Schreibtisch. Dort rieb er sich die schläfrigen Augen, schaltete das Computerterminal ein und öffnete die Autopsie-Datei.
Fotos der Fragmente erschienen auf dem Schirm – ein blutiger Anfang, aber nützlich, um einen Eindruck von der fremden Morphologie zu gewinnen. Die ersten beiden Bilder waren praktisch bedeutungslos und zeigten nur Klumpen einer orangefarbenen Masse. Man hätte sie für pflanzliche Substanz oder Schaumstoffisolierung halten können. Dann folgte die Nahaufnahme eines massiven, von stahlblauer Haut bedeckten Schädels; die runden roten Augen darin starrten mit fast menschlicher Bosheit. Ein blauschwarzer Kamm aus buschigem Haar reichte von der Stirn über den Kopf, und im Gesicht dominierte ein chitinartiger, weit geöffneter Schnabel.
McCoys Nackenhaare richteten sich auf. Da soll mich doch … Überrascht starrte er auf die Darstellung. Im enthaupteten Zustand bot der Alien einen grotesken Anblick, aber sein Erscheinungsbild hatte eigentlich nichts Furchterregendes. Trotzdem schauderte und fröstelte der Arzt. Irgendeine Drohung schien von den Zügen des fremden Wesens auszugehen. Einige Minuten lang betrachtete er den Schädel, und allmählich verschwand das Unbehagen aus ihm. Frazers technischer Vortrag bekam eine rein klinische Bedeutung und schuf keine neuen Assoziationen.
»… gibt es zwischen diesen morphologischen Strukturen und bekannten Konfigurationen keine kongruenten Übereinstimmungen … Die DNA-Molekülsequenzen der Aminosäuren postulieren einen Ursprung, der sich beträchtlich von der biochemischen Evolution anderer Spezies unterscheidet.«
McCoy schnaubte abfällig. »Mit anderen Worten: Du hast so etwas noch nie gesehen und weißt nicht, um was es sich handelt.« Er zerlegte die komplexen Sätze des Xenobiologen in ihre Einzelteile und formte daraus übersichtlichere Erklärungen. Seine eigene Reaktion auf den Alien erwähnte er nicht. Er musste mit dem unerträglichen vulkanischen Spott des Ersten Offiziers rechnen, wenn er von ›vagem Entsetzen‹ sprach, ohne dieses Empfinden erklären zu können.
Falls dafür tatsächlich ein konkreter Grund existiert, so muss ich warten, bis er mir klar wird.
Die Unruhe wich nicht aus McCoy, als er das Terminal deaktivierte und durch die Ausdrucke blätterte. Obwohl Spock nichts davon hielt, wurde die berufliche Korrespondenz des Arztes vom Computersystem automatisch ausgedruckt. McCoy fand großen Gefallen darin, echtes Papier in den Händen zu halten und das Rascheln von Blättern zu hören – ein mit Worten gefüllter Bildschirm war für ihn kein richtiges Manuskript.
Die ersten kleinen Pakete enthielten verschiedene Artikel und einen noch nicht veröffentlichten Bericht vom Ersten Medo-Offizier der U.S.S. Welborne. McCoy schob den Stapel beiseite, um sich später eingehender damit zu befassen; eine wochenlange Heimreise hatte auch Vorteile. Kurz darauf bemerkte er einen Brief und hob überrascht die Brauen. Die private Korrespondenz erhielt er fast immer in Form eines Datenmoduls, und dies nur von einigen wenigen Personen, die bereit waren, zusätzliche Subraum-Sendezeit zu bezahlen. Dieser Brief hier war eine Ausnahme.
Verwundert sah er auf die Unterschrift. Der Name sprengte einen mentalen Damm, und Erinnerungsfluten strömten dahinter hervor, begleitet von innerem Schmerz. Nach den Reminiszenzen las er die wenigen, knappen Sätze der Nachricht.
Aus einem Reflex heraus zerknüllte McCoy das Blatt. Nach all den vergangenen Jahren sollten diese Dinge eigentlich keine Rolle mehr für ihn spielen, aber er fühlte sich verletzt, und seine Hände zitterten. Ein Teil von ihm fungierte als neutraler Beobachter und diagnostizierte einen leichten Schock. Der Rest empfand nur Elend. Einige Sekunden lang dachte er daran, mit Jim Kirk zu sprechen. Nein, das würde bedeuten, Einzelheiten zu nennen, zu erklären, sich noch deutlicher zu erinnern. Zu welchem Zweck? Damals hatte er dieses Thema ausführlich erörtert, ohne dass es ihm gelang … Er verdrängte diesen Gedanken.
McCoy betrachtete das Papier auf seiner Handfläche und stemmte sich der Verbitterung entgegen.
Meine Güte, ich bin zu alt und zu müde, um diesen Kampf noch einmal zu führen.
Er richtete sich auf, trug den Brief ins Schlafzimmer und legte ihn in die metallene Zierschale auf der Frisierkommode. Dann öffnete er die Schublade darunter, holte eine alte Reisetasche daraus hervor und entnahm ihr eine kleine Sonde. Er betätigte eine Taste, und ein winziges Licht glühte an der Spitze. Als er es an den Brief hielt, verkohlte die entsprechende Stelle langsam, und es dauerte nicht lange, bis Flammen züngelten.
»Alarm! Alarm! Im Zimmer ist ein Feuer ausgebrochen.«
»Du registrierst den Rauch eines Scheiterhaufens, mein lieber Computer. Und er widerspricht zweifellos den Vorschriften.« Kurze Zeit später blieb nur Asche in der Metallschale übrig, und die warnende Sprachprozessorstimme schwieg.
Schlaf kam jetzt nicht mehr in Frage, doch McCoy war zu erschüttert, um sich mit etwas anderem zu beschäftigen. Er fürchtete, dass die Anklagen und Vorwürfe zurückkehrten, wenn er wach blieb – Zorn, Kummer und Trauer, so vertraut wie alte Freunde. Mit unsicheren Schritten ging der Arzt zu einem kleinen Schrank und öffnete ihn. Riskelianisches Meskal, genau die richtige Medizin. Er hielt die Flasche in beiden Händen und füllte ein Glas bis zum Rand mit hellroter Flüssigkeit.
»Auf das Wasser der Lethe!« In einem Zug leerte er das Glas bis zur Hälfte, und sein Körper schüttelte sich, als ihm heißes Feuer durch die Kehle rann. Red Nova Brand-Label – dieses Zeug hatte es in sich. Bevor McCoy den Rest trinken konnte, summte der Türmelder. Gut. Je mehr Ablenkung, desto besser. »Herein.«
Spock trat mit Dutzenden von Speicherkapseln und Datentafeln durch die Tür. Sein Gesicht zeigte jene Art von tiefer Konzentration, die bei ihm jede Neuausrüstung des Schiffes begleitete. Ohne jede Einleitung begann er mit einem technischen Vortrag – bei solchen Gelegenheiten neigte er dazu, die bei Menschen gebräuchlichen sozialen Verhaltensregeln zu vergessen.
»Einen Augenblick«, warf McCoy ein und winkte. Es fiel ihm bereits schwer, klar und deutlich zu sprechen. »Ich habe kaum etwas gehört und noch viel weniger verstanden. Wissen Sie, ich war auf ein ›Guten Morgen, wie geht's?‹ oder zumindest ein schlichtes ›Hallo, Doktor‹ vorbereitet.«
Spock widersprach nicht. »Hallo, Doktor«, sagte er und wiederholte seine vorherigen Ausführungen. »Den elektromagnetischen Impulsdämpfern gelang es bedauerlicherweise nicht, das Reservesystem für die medizinischen Diagnosekomponenten PF-3500 vollständig abzuschirmen …«
»Und ich will auch gar nichts verstehen«, betonte McCoy. Er trank einen kleineren Schluck. »Ich habe dienstfrei.«
Der Vulkanier ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
»Bitte erlauben Sie mir, in den Programmen der Medo-Computer die notwendigen Modifikationen und Rejustierungen vorzunehmen. Dadurch wird die Behandlung der Patienten in keiner Weise beeinträchtigt.«
»Nun, warum sagen Sie das erst jetzt? Ich dachte, Sie hätten es eilig, diese Dinge zu erledigen.« McCoy lächelte zufrieden, als er beobachtete, wie der Erste Offizier die Lippen zusammenpresste. Das beste Aufputschmittel für ihn bestand darin, Spock zu provozieren.
»Unterschreiben Sie hier.« Der Vulkanier reichte ihm eine Datentafel.
McCoy trank den Red Nova aus, bevor er das Glas absetzte. Seine Hand zitterte nach wie vor, als er nach der Tafel griff, und Spock nahm diesen Umstand mit einer gewölbten Braue zur Kenntnis. »Sehen Sie mich nicht so missbilligend an.« Der Arzt kritzelte seine Initialen aufs Formular. »Ich habe keinen Schwips. Zumindest noch nicht. Möchten Sie einen Drink, bevor Sie wieder in Ihr Computerparadies fliehen?«
Daraufhin kam auch die andere Braue des Vulkaniers nach oben. »Die Vorliebe Ihrer Spezies, große Flüssigkeitsmengen auf Alkoholbasis zu sich zu nehmen …«
Jetzt hab' ich dich am Wickel, triumphierte McCoy lautlos und schenkte sein Glas wieder voll.
»… gibt mir immer wieder Grund, erstaunt zu sein. Trotz der toxischen Eigenschaften beharren Sie auf dem Konsum derartiger Substanzen.«
»Nicht ›trotz‹, Mr. Spock. Gerade wegen der ›toxischen Eigenschaften‹.« Er genehmigte sich einen weiteren Schluck und genoss das Brennen im Hals.
Der Erste Offizier runzelte die Stirn und merkte plötzlich, dass man ihn erneut in eine verbale Auseinandersetzung verstrickt hatte, die er nicht gewinnen konnte – weil Logik dabei nicht zu den Spielregeln gehörte. »Ich muss mich um meine Pflichten kümmern.« Spock ignorierte McCoys Grinsen und wandte sich von ihm ab, um das Zimmer zu verlassen.
»An alle«, tönte es aus dem Interkom-Lautsprecher. »Gravitationsanpassung in zehn Sekunden.«
»Da fällt mir ein, Spock …« sagte McCoy rasch, bevor der Vulkanier die Tür erreichte. »Ich wollte mit Ihnen über das Geschäft reden, das Sie für Jim in der Handelsstation vermasselt haben …«
Als das Deck zu zittern begann, war der Erste Offizier auf diese Bewegungen vorbereitet, aber McCoy verlor sofort das Gleichgewicht. Die Triebwerke heulten, und eine jähe Verschiebung des Schwerkraftfelds schleuderte das Glas des Bordarztes an die Wand. Unmittelbar darauf krachte ein Knochen gegen hartes Metall.
»McCoy!« Spock sank auf Hände und Knie, kroch über einen Boden, der sich mehrmals hob und senkte. Als er die reglose Gestalt erreichte, hatte sich unter ihrem Kopf bereits eine Blutlache gebildet.
»Gravitationsanpassung komplett«, verkündete das Interkom. »Ich wiederhole: Gravitationsanpassung komplett.«