Nachdem die Präliminarien mit Oesterreich unterzeichnet waren, fanden sich Bevollmächtigte von Württemberg, Baden und Darmstadt ein. Den württembergischen Minister von Varnbüler zu empfangen, lehnte ich zunächst ab, weil die Verstimmung gegen ihn bei uns stärker war als gegen Pfordten. Er war politisch gewandter als der Letztere, aber auch weniger durch deutsch-nationale Skrupel behindert. Seine Stimmung beim Ausbruch des Krieges hatte sich in dem Vae victis! ausgedrückt und war zu erklären aus den Stuttgarter Beziehungen zu Frankreich, welche insbesondere durch die Vorliebe der Königin von Holland, einer württembergischen Prinzessin, getragen waren.
Dieselbe hatte, so lange ich in Frankfurt war, viel für mich übrig, ermuthigte mich in meinem Widerstande gegen Oesterreichs Politik und gab ihre antiösterreichische Gesinnung dadurch zu erkennen, daß sie im Hause ihres Gesandten Herrn von Scherf mich, nicht ohne Unhöflichkeit gegen den österreichischen Präsidial-Gesandten, Baron Prokesch, tendentiös auszeichnete, zu einer Zeit, wo Louis Napoleon noch Hoffnung auf ein preußisches Bündniß gegen Oesterreich hegte und den italienischen Krieg bereits im Sinne hatte. Ich lasse unentschieden, ob schon damals die Vorliebe für das napoleonische Frankreich allein die Politik der Königin von Holland bestimmte, oder ob nur das unruhige Bedürfniß, überhaupt Politik zu treiben, sie zu einer Parteinahme in dem preußisch-österreichischen Streit und zu einer auffällig schlechten Behandlung meines österreichischen Collegen und Bevorzugung meiner bewog. Jedenfalls habe ich nach 1866 die mir früher so gnädige Fürstin unter den schärfsten Gegnern meiner in Voraussicht[315] des Bruches von 1870 befolgten Politik gefunden. Im Jahre 1867 wurden wir zuerst durch amtliche französische Kundgebungen verdächtigt, Absichten auf Holland zu haben, namentlich in der Aeußerung des Ministers Rouher in einer Rede gegen Thiers, 16. März 1867, daß Frankreich unser Vordringen an die »Zuider-See« nicht dulden könne. Es ist nicht wahrscheinlich, daß die Zuider-See von dem Franzosen selbstständig entdeckt worden und sogar die Orthographie des Namens in der französischen Presse ohne fremde Hülfe richtig gegeben worden ist: man darf vermuthen, daß der Gedanke an dieses Gewässer von Holland aus dem französischen Mißtrauen suppeditirt worden war. Auch die niederländische Abstammung des Herrn Drouyn de Lhuys berechtigt mich nicht, eine so genaue Localkenntniß in der Geographie außerhalb der französischen Grenzen bei seinem Collegen vorauszusetzen.
Die Einschätzung der württembergischen Politik in die Rheinbundkategorie bestimmte mich, den Empfang des Herrn von Varnbüler in Nikolsburg zunächst abzulehnen. Auch eine Unterredung zwischen uns, welche der Prinz Friedrich von Württemberg, der Bruder des Commandirenden unsres Gardecorps, und die uns sehr wohlwollende Großfürstin Helene vermittelt hatten, verlief politisch fruchtlos. Erst später in Berlin habe ich mit Herrn von Varnbüler verhandelt; und seine bewegliche Empfänglichkeit für die politischen Eindrücke jeder Situation bethätigte sich dort darin, daß er der erste unter den süddeutschen Ministern war, mit dem ich einen Bündniß-Vertrag der bekannten Art abschließen konnte.[316]