III

In dieser Erwägung nöthigte mich der drohende Brief des Kaisers Alexander zu festem Entschlusse behufs Abwehr und Wahrung unsrer Unabhängigkeit von Rußland. Ein österreichisches Bündniß war ziemlich bei allen Parteien populär, bei den Conservativen aus einer geschichtlichen Tradition, bezüglich deren man zweifelhaft sein kann, ob sie gerade von dem Standpunkt einer conservativen Fraktion heutzutage als folgerichtig gelten könne. Thatsache ist aber, daß die Mehrheit der Conservativen in Preußen die Anlehnung an Oesterreich als ihren Tendenzen entsprechend ansehen, auch wenn vorübergehend eine Art von Wettlauf im Liberalismus zwischen den beiden Regierungen stattfand. Der conservative Nimbus des österreichischen Namens überwog bei den meisten Mitgliedern dieser Fraktion den Eindruck der theils überwundenen theils neuen Vorstöße auf dem Gebiete des Liberalismus und der gelegentlichen Neigung zu Annäherungen an die Westmächte und speciell an Frankreich. Noch näher lagen die Erwägungen, welche den Katholiken den Bund mit der vorwiegend katholischen Großmacht als nützlich erscheinen ließen. Der nationalliberalen Partei war ein vertragsmäßig verbrieftes Bündniß des neuen Deutschen Reiches mit Oesterreich ein Weg, auf welchem man der Lösung der 1848er Cirkelquadratur sich näherte, ohne an den Schwierigkeiten zu scheitern, welche einer unitarischen Verbindung nicht nur zwischen Oesterreich und Preußen-Deutschland, sondern schon innerhalb des österreichisch-ungarischen Gesammtreiches entgegen standen. Es gab also auf unsrem parlamentarischen Gebiete außer der Fortschrittspartei, deren Zustimmung überhaupt zu keiner Art von Regierungspolitik zu haben war, keinen Widerspruch gegen und sehr viel Vorliebe für das Bündniß mit Oesterreich.

Auch die Traditionen des Völkerrechts waren von den Zeiten des römischen Reiches deutscher Nation und des deutschen Bundes her theoretisch darauf zugeschnitten, daß zwischen dem gesammten Deutschland und der habsburgischen Monarchie eine staatsrechtliche Verbindung bestand, durch welche diese mitteleuropäischen Ländermassen theoretisch zum gegenseitigen Beistande verpflichtet erschienen. Praktisch allerdings ist die politische Zusammengehörigkeit derselben in der Vorgeschichte nur selten zum Ausdruck gekommen; aber man konnte Europa und namentlich Rußland gegenüber mit Recht geltend machen, daß ein dauernder Bund zwischen Oesterreich und dem heutigen Deutschen Reiche völkerrechtlich[454] nichts Neues sei. Diese Fragen der Popularität in Deutschland und des Völkerrechts standen jedoch für mich in zweiter Linie und waren zu erwägen als Hülfsmittel für die eventuelle Ausführung. Im Vordergrunde stand die Frage, ob der Durchführung des Gedankens sofort näher zu treten und mit welchem Maße von Entschiedenheit der voraussichtliche Widerstand des Kaisers Wilhelm aus Gründen, die weniger der Politik als dem Gemüthsleben angehörten, zu bekämpfen sein würde. Mir erschienen die Gründe, welche in der politischen Situation uns auf ein österreichisches Bündniß hinwiesen, so zwingender Natur, daß ich nach demselben auch gegen den Widerstand unsrer öffentlichen Meinung gestrebt haben würde.[455]