Mit den Protesten an den Checkpoints hat es angefangen. Dass die Bewohner der Zone 3 sich über die täglich ertragenen Demütigungen beklagten, Lockerungen der Ausreisebeschränkungen und mehr Passierscheine forderten, war nichts Neues, ungewöhnlich war vielmehr, dass allerlei Bewohner von Zone 2 sich unter die Demonstranten mischten. Sie verlangten mehr Gerechtigkeit. Sie stellten das gesamte GoldTex-System infrage. War es das Bestreben des Unternehmens, dass eine geringe Anzahl von Menschen wie im Paradies lebte, während die überwältigende Mehrheit der BiFs versklavt wurde? Mit einigen Redebeiträgen bei vereinzelten Diskussionsveranstaltungen hatte es begonnen. Bald wurden Universitäten besetzt, die Aktivisten hängten Transparente aus den Fenstern und organisierten auf den großen Einkaufsmeilen Happenings, bei denen sie plötzlich brüllten: »Die Zone 3, die ihr nicht seht, sie besteht!«, »Die Zone 3 will ihre Rechte!« oder »Euer Luxus ist unser Schweiß!«
Das Management war nicht sonderlich beunruhigt, die Protestierenden wurden als Spinner abgetan. Doch die Kritik wurde lauter. Die Aktivisten redeten davon, dass eine andere Struktur möglich sei, behaupteten, dass Reichtum nur dann einen Wert habe, wenn man ihn teilt, postulierten den Mut zur Utopie und meinten, eine gehobene Unternehmenskultur bewahre sich ihren Pioniergeist. Und dann bekam die Bewegung auf einmal ein Gesicht. Jon Mafram, hochrangiger Manager und Mitglied der Direktionskommission, dem eine große Zukunft vorausgesagt wurde, hielt vor staunenden Journalisten eine Pressekonferenz ab, bei der er aus Protest gegen die Zonenpolitik von GoldTex seinen Rücktritt bekannt gab. Nie hatte jemand gewagt, so zu sprechen. Niemand hatte je zuvor den Ausdruck Zonenpolitik verwendet, als handelte es sich dabei um keinen natürlichen Zustand, sondern um die Durchsetzung eines auferlegten Willens. Er verkündete seelenruhig, seine Entscheidung sei unumstößlich, da er sich in dem Projekt des Konsortiums nicht mehr wiederfinde. Er lud alle BiFs von Magnapolis ein, sich der Bewegung BreakWalls anzuschließen, deren einziges Ziel es sei, die Checkpoints zu beseitigen.
Die politische Führung stellte Mafram umgehend als verantwortungslosen Irren dar. Man bemühte sich, ihn zu verunglimpfen. El Fatong erklärte, er wolle seinen Kopf. Man veröffentlichte seine Gehaltsabrechnungen, Fotos seines prachtvollen Domizils in Zone 1, alles, was ihn als privilegierten Reichen zeigte, der im Luxus der Oberschicht schwelgte und sich als Anwalt des Volkes ausgab. Dieser Hetzkampagne begegnete Mafram sechs Monate später mit der Ankündigung einer weiteren Pressekonferenz.
Sie fand diesmal an einem geheimen Ort statt. Maframs Züge wirkten angespannt, er war blass und abgemagert. Vor einer Kamera führte er mit langsamer Stimme aus, er sei für einige Zeit untergetaucht, werde jedoch eines Tages zurückkehren und allen beweisen, dass er ein Mann der Überzeugungen ist. »Ich habe auf mein Implantat verzichtet«, teilte er mit einem seltsamen Lächeln auf den Lippen mit. Er klang wie ein Forscher, der von einer langen Expedition zurückgekehrt war. Mafram hatte sich einer Operation unterzogen, bei der er sich das Implantat hatte entfernen lassen, das ihm als herausragende Führungskraft sechs Jahre zuvor zugeteilt worden war. Nüchtern und entschlossen sagte er, dies sei eine Art gewesen, sein Leben und seine Werte miteinander in Einklang zu bringen. Die Einwohner der drei Zonen nahmen die Sache mit Staunen auf. Mafram beeindruckte die Menschen. Er verurteilte sich selbst zur Endlichkeit, nachdem er den höchsten Lohn für seine Arbeit geerntet hatte. Er akzeptierte Krankheit, Erschöpfung, körperlichen Verschleiß. Er meinte, sein Beispiel solle den Leuten den Weg weisen. Man müsse mit einem System brechen, das den BiFs weismacht, der einzige Sinn der Existenz bestehe darin, auf der sozialen Leiter nach oben zu klettern. Er habe auf sein Implantat verzichtet, dafür jedoch das echte Leben wiedererlangt.
Man hatte das unbestimmte Gefühl, dass eine neue Ära anbrach. Jon Mafram würde fortan ein Stachel im Fleisch von GoldTex sein. Er beendete seine Rede mit der Information, er werde vom heutigen Tag an in den Untergrund gehen. Die Aktionsgruppe BreakWalls werde mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln die dunklen Machenschaften von GoldTex offenlegen, Sand in das repressive Getriebe streuen und den BiFs aller Zonen die Augen öffnen, was die Lügen der hohen Komitees betrifft. In dem Moment explodierten gleichzeitig in drei offiziellen Gebäuden Bomben. An einem einzigen Abend war Jon Mafram zur Stimme eines Kampfes geworden, der niemals enden würde.