23 Helden

Als Helden betreten sie die Büros der Polizeiwache Pinto. Salia steht neben Cal. Die Kollegen klatschen Beifall. Cal reckt zum Zeichen des Sieges den Arm in die Höhe. Die wochenlange Arbeit, alles für diese Augenblicke. Sie unterhalten sich laut und begießen den triumphalen Erfolg mit Bier. Salia freut sich, dabei zu sein. Sie möchte nicht nachdenken, sie möchte bloß einen schlagfertigen Kommentar parat haben, wenn sie ihre Witze machen, und zum x-ten Mal die Verfolgungsjagd erzählen, was soll’s, wenn Cal das Ganze jetzt für sich in Anspruch nimmt, wenn er sich eine Geschichte zurechtgelegt hat, die er nun ununterbrochen wiederholt, als müsste er sich selbst von ihrem Wahrheitsgehalt überzeugen, was soll’s? Sie ist glücklich oder sollte es zumindest sein. Davon hat sie immer geträumt. Cal wird ihr anbieten, Teil seiner Einheit zu werden. Sie merkt es daran, dass er ihren Blick sucht, an der Art, wie er ihren Namen sagt und ihn in seine Erzählung webt, damit die Kollegen sich schon einmal an die Vorstellung gewöhnen, dass sie bald dazugehören wird. Und doch ist sie in Gedanken weit weg. Innerlich kehrt sie immer wieder zu Sparak zurück. Sie lässt die anderen singen und lachen und geht in ihr Büro, um ihre Waffe zu verwahren.

In dem Moment, in dem sie sich in ihrem Sessel niederlässt und ein wenig verschnaufen will, gesellt sich Gadjo zu ihr, der Mann für die Datenanalyse. Er drückt vorsichtig die Tür auf.

»Darf ich?«, klopft er schüchtern an.

Sie winkt ihn herein.

»Geschafft?«, erkundigt er sich in einem scherzhaften, aber auch etwas traurigen Ton. »Bist du jetzt bei den Cowboys?«

Sie weiß nicht, was sie darauf sagen soll, und setzt eine fragende Miene auf. Was ihn in Verlegenheit zu bringen scheint. Er schlägt die Augen nieder, fasst sich dann aber:

»Weißt du, woran ich gerade arbeite?«

»Nein.«

»Ich bin dabei, das ganze Material auszuwerten, das in Maframs Wohnung gefunden wurde.«

»Jetzt schon?«

»Ja. Das ist die neue Methode. Sobald ihr in der Wohnung seid, werden wir mit der Haustechnik verbunden und können die Daten abrufen. Mafram war noch nicht mal gefesselt, da haben wir schon Bescheid gewusst, wo er sich in den vergangenen Monaten überall herumgetrieben hat.«

Es kommt ihr so vor, als wollte er ihr beweisen, dass er auch einen Anteil an der Festnahme hat und ihm insofern ebenfalls Applaus und ein paar Bravorufe zustehen.

»Weißt du, Gadjo«, antwortet sie. »Mir ist schon klar, dass zu einer Fahndung mehr gehört als nur eine Verfolgungsjagd.« Sie redet mit ihm wie mit einem Kind, das ein Lob verdient hat.

Die Äußerung scheint ihm zu gefallen. Er wird leicht rot und deutet ein Lächeln an. Sie schweigt und überlegt, warum er wohl bei ihr auftaucht und was er von ihr will.

»Was die kleinen Leute leisten, ist nicht spektakulär, aber irgendjemand muss die Arbeit doch machen, oder?«, fährt er mit bescheidenem Stolz fort. »Ich bin kein Cowboy, aber ich weiß, wann er nach Hause gekommen ist, wie hoch er die Heizung aufgedreht hat und für wie viele Leute er gekocht hat. Ich habe sämtliche Informationen. Es wird ein bisschen dauern, bis ich sie alle in den Bericht eingearbeitet habe, aber du ahnst nicht, worauf ich gestoßen bin. Dieser aufgeschlitzte Kerl, der hieß doch Pamuk, oder?«

»Ja …«, sagt sie, überrascht, dass der Name auf einmal in diesem Gespräch auftaucht.

»Also die zwei haben miteinander gesprochen. Mindestens fünfmal.«

»Pamuk und Mafram? … Bist du sicher?«

»Guck, hier ist es. Die Telefonate. Das war alles im Dezember. Immer abends. Und der Anrufer war jedes Mal Pamuk.«

Er hat die Akte auf dem Schreibtisch platziert und schaut nun, wie diese Enthüllung Salias Gesichtsausdruck verändert.

»Ich habe die Cowboys noch nicht davon unterrichtet«, sagt er und erhebt sich mit einem breiten Lächeln. »Sie sind so damit beschäftigt, den Reportern Rede und Antwort zu stehen und ihre Orden in Empfang zu nehmen, dass mich noch keiner gefragt hat, was meine Analyse ergeben hat. Aber das ist ganz sicher. Hier ist die Akte. Vielleicht hilft das ja.«

 

Sie wartet, bis der Jubel sich gelegt hat. Bis alle an ihre Schreibtische zurückgekehrt sind. Als auch Cal im Aufbruch begriffen ist, geht sie auf ihn zu, schaut ihm in die Augen und sagt:

»Cal, ich muss ihn sehen …«

»Wen? Mafram? Aber der wird doch gleich in die Haftanstalt eingeliefert.«

»Du musst das verschieben. Bitte. Lass ihn mir, bloß für ein kurzes Gespräch.«

Er zögert. Sie könnte jetzt hinzufügen, das sei er ihr schuldig, doch sie lässt es sein. Damit würde sie ihr Geheimnis missbrauchen, und das würde er ihr übel nehmen. Sie versucht, es nicht mit Worten, sondern mit den Augen zu sagen. Das bist du mir schuldig. Denn du erntest den Ruhm, wirst befördert, gibst allerlei Interviews, und ich halte den Mund, also bist du mir das schuldig … Schließlich stößt er einen Seufzer aus, nachdem er sich wohl überlegt hat: dass er ihr einen Gefallen tun wird, weil er ihr zeigen will, dass er nicht nur der beste Polizist der Abteilung, sondern auch ein gerechter Mensch ist. Dann wendet er sich seinen Leuten zu und ruft: »Ronnie! Wir verschieben die Einlieferung von Mafram um eine Stunde. Malberg wird noch mit ihm quatschen!«