Salia Malberg trägt einen grauen Regenmantel mit enger Taille. Der Sarg ruht auf zwei dreibeinigen Gestellen in der Mitte der kleinen Wiesenbestattungsanlage. Es sind nicht allzu viele Gäste da. Reglos steht sie in der rund zwanzigköpfigen Gruppe von Personen, die sich im Halbkreisbogen um die sterblichen Überreste versammelt hat. Sie würde gern trauriger wirken, als sie ist. Deshalb hält sie das Haupt gesenkt. Sie hat das Gefühl, dass das die richtige Körperhaltung ist. Außerdem kennt sie niemanden und will sich auf kein Gespräch einlassen. Sie wartet noch die Rede des Zeremonienmeisters ab, danach verschwindet sie.
Wie viele Leben hat ein Mensch? Das ist die Frage, die sie beschäftigt. Ihr neues Leben ist zweifellos ein Geschenk von Dombro. Ihm hat sie es zu verdanken, dass sie es mittlerweile zum Inspector gebracht hat. Sie denkt an diesen Mann, der für sie immer der Chef war und der nun nur wenige Meter von ihr entfernt im Sarg liegt. Sie mochte seine tiefe, raue Stimme und sein dröhnendes Lachen, das ganz tief aus der Erde zu dringen schien. Sein Tabakgeruch wird ihr fehlen. Vor dem kleinen Grüppchen auf dem akkurat gemähten Rasen der Anlage hebt der Zeremonienmeister inzwischen zu seiner Rede an. Er spricht erst ein wenig stockend, wird allmählich sicherer und nimmt die umstehenden Männer und Frauen ein. Bald, sagt er, werden wir in der Lage sein, mit den Verstorbenen letzte Gedanken auszutauschen. Die Technologie arbeite daran und werde garantiert reüssieren. Einige Wissenschaftler stellen sich vor, dass man Bilder mit den schönsten Momenten des Lebens direkt an das Gehirn der Sterbenden schickt, damit sie mit diesen Bildern von uns gehen können. Er sagt, diese Option wird es vielleicht geben, aber im Grunde brauchen wir sie nicht, denn wir wissen auch so, was im Leben des Boris Dombro das Wesentliche gewesen ist. An der Stelle hält er inne und fügt dann schlicht hinzu: »Die Seinen wissen es.« Er verkündet das mit empathischer Wärme. Sie sieht sich um. Die Seinen wissen es? Da sind vor allem ehemalige Kollegen, Dombro war nicht verheiratet und hatte keine Kinder. Er hatte seine Arbeit und sonst nichts. Er war Ermittler. Später Kommissar. Schließlich Leiter des Ausbildungszentrums für Nachwuchskräfte. Das war sein Leben. Er war ein Kollege. Ein Vorgesetzter. Hätte man ein letztes Bild aus der Welt der Lebenden für ihn auszuwählen, müsste es ein Foto seines Schreibtischs sein, das wäre das Einzige, was ihm ein Lächeln entlocken könnte, das stand für sie fest. Am Schreibtisch fühlte er sich am wohlsten. Der Zeremonienmeister zählt die Orte auf, an denen Dombro im Laufe seiner Karriere im Einsatz gewesen war. Sie hatte nicht gewusst, dass er wie viele seiner Generation in Griechenland gearbeitet hatte, vier Jahre lang, danach zwei Jahre in Bangladesch. Das war lange, bevor sie ihn kennengelernt hatte, bevor er seine heisere Stimme und seinen dicken Bauch bekommen hatte, mit dem seine Hemden wie Kartoffelsäcke aussahen. Anfangs hatte sie ihn geschätzt, irgendwann auch Zuneigung für ihn empfunden. Sie wirft einen weiteren Blick in die Runde. Zu ihrer Überraschung stellt sie fest, dass sie die Einzige in ihrem Alter ist. Sie hätte gedacht, er hätte auch für andere gemacht, was er für sie getan hatte. Sie erinnert sich an den Moment in seinem Büro, sie war damals einundzwanzig, als er ihr mitteilte, er würde sie in die Schule nehmen, sie müsse nämlich noch ein bisschen besser werden. Er hatte die Augen zusammengekniffen. Sie blitzten schelmisch, und er lächelte eigenartig, fast böse. »Nur ein bisschen.« Und er setzte hinzu: »Es fehlt nicht viel. Ein bisschen eben.« Dann erklärte er, es werde eine harte Zeit für sie werden, wenn sie sich jedoch anstrengen und durchhalten würde, könne sie besser als die anderen sein. Vielleicht würde die Chose schiefgehen, schloss er mit skeptischer Miene, sie könne an dem Ganzen zerbrechen, aber einen Versuch sei es wert. Vielleicht würde es auch klappen, sie habe etwas Ungestümes an sich … Dabei hatte er sich von seinem Stuhl erhoben, und sie saß wie versteinert da, kurzzeitig glaubte sie, er wollte sie begrapschen oder etwas in der Art. Etwas Ungestümes. Na, mal sehen … Doch er kam gar nicht näher, zeigte stattdessen auf die Tür, um ihr zu bedeuten, dass das Gespräch beendet war. So verschwand sie mit ihren Akkreditierungsunterlagen. Ihre Karriere bei der Polizei konnte beginnen. Das hieß, monatelang Blut und Wasser schwitzen. Sich keiner Menschenseele anvertrauen. Zähne zusammenbeißen. Es war eine zermürbende Zeit. Er behielt seine Schülerin stets im Auge. Beobachtete sie von Weitem. Stumm. Bis zur Zeugnisverleihung, bei der er sie beiseite nahm und ihr sagte, er sei stolz auf das, was sie erreicht hatte, und werde sich sehr dafür einsetzen, dass sie die Horde von Arschlöchern (genauso hat er sich ausgedrückt) abhängt, die alle mit vierzig als Alkoholiker endeten, weil die Wichtigtuer nichts von dem verkrafteten, was der Beruf ihnen abverlangt. Sie dagegen würde schnell vorankommen. Und er hielt sein Versprechen, führte Telefonate und verfasste Empfehlungsschreiben, auf dass sein »Strohhalm« seinen Weg machte. Aber wenn sie ehrlich zu sich selbst ist, kann sie heute schwer beurteilen, ob das Ganze eine Art Wette auf ihre Zukunft war oder eine Kompensation für das Scheitern von anderen, über das er kein Wort verlor und das er durch ihren Erfolg vergessen machen wollte. Vielleicht. Sie kann ihn nicht mehr fragen. Er hätte ihr sowieso nicht geantwortet, sondern wäre nur in ein schallendes Gelächter ausgebrochen, das seinen Rumpf erschüttert hätte und in ein Husten gemündet wäre, bevor er schließlich, nachdem er einen Schluck Wasser getrunken hatte, erklärt hätte: »Keine falschen Fragen, Strohhalm. Wir sind Polizisten, keine Pfarrer. ›Wo, wann, wie‹, sonst nichts. Der ganze verdammte Rest ist Teufelszeug, und weder du noch ich möchten damit in Berührung kommen.«
Ein plötzliches Vibrieren an ihrem Handgelenk reißt sie aus ihren Gedanken. Sie schaut auf ihr Armband: eine dringende Nachricht. Es ist ihr peinlich, die stille Andacht zu stören, und sie tritt ein paar Schritte zurück. Sobald sie etwas abseits steht, liest sie die Mitteilung, die sie anweist, sich schleunigst in ihr Büro zu begeben, ein G.O. … Ein G.O., ein geschützter Ordner? … Sie würde am liebsten einen Fluch ausstoßen, aber ihr ist klar, es hilft alles nichts. Sie muss los. Der Gedanke, dass Dombro der Erste gewesen wäre, der ihr empfohlen hätte abzuhauen, die Alten heulen zu lassen und sich um den Dreck der Welt zu kümmern, tröstet sie. Sie wirft einen letzten Blick auf den etwa zehn Meter entfernten Sarg, dann dreht sie sich um und geht davon.
Die Akte ist nicht dick. Sie hat sie in zwei Minuten gesichtet. Zem Sparak. Seit dem Alter von vierundzwanzig Jahren in Magnapolis. Karteinummer XP 51. Hat sich nach den Schweren Unruhen für Zone 3 entschieden. Nichts weiter. Einfach ein Kerl, der sich seit Langem mit dem Abschaum des Volkes abplagt. Sie seufzt. Sie hat keine Lust, ihn zu treffen. Sie hasst es, mit solchen abgewrackten Typen zu arbeiten, und dieser wird sich von den anderen nicht unterscheiden: schlafmützig, aber selbstbewusst. Sie starrt durch die Glaswände in die Büros ihrer Kollegen. Cal, Ronnie, die ganze SoE, die Sondereinheit. Die Cowboys vom Dienst. Immer voll bei der Sache, immer unter Druck und in Eile. Seit Monaten schuften sie sich ab und versuchen, das Netzwerk BreakWalls zu zerschlagen. Sie werden von den Chefs stolz gehätschelt und getätschelt, denn sie erledigen ihren Job geschwind, gut und effizient. Wenn es ihnen gelingt, Jon Mafram zu schnappen, werden sie alle mit einem Orden ausgezeichnet. Sie wäre gern Teil der Einheit. Sie hat um Aufnahme gebeten. Ihr Chef, Captain Monk, hat allerdings gemeint, sie sei noch ein bisschen grün. So hat er es formuliert. Möglicherweise war das seine Art, ihr zu verstehen zu geben, dass die Dinge nach Dombros Tod für sie komplizierter werden würden. Dass sie sich beweisen muss. Durchhalten, auch wenn man sie abblitzen lässt. Sie wird sich daran gewöhnen. Wer es zu etwas bringen will, braucht Zeit. Genau. Sie wird sich in Geduld üben und es irgendwann schaffen, weil sie sich dafür angestrengt hat. Sie wird auf Schlaf verzichten. Wochenlang ohne Unterbrechung durcharbeiten. Und ihn dann festnehmen und sich des Gefühls erfreuen, nützlich gewesen zu sein. Danach folgen die Abende, an denen zusammen getrunken wird, und schon wartet die nächste Aufgabe, immer am Ball. Sie hat keine anderen Ziele. Sie wird es packen, aber erst einmal hat sie den G.O. und diesen Typen am Hals, der es sich nicht nehmen lassen wird, ihr zu erklären, wie hervorragend er sich in seinem Beruf auskennt, schließlich ist er ein Mann und älter als sie, und sie fragt sich, im Namen welcher perversen Informationstechnik sie das alles ertragen muss.
Vor dem Checkpoint an der Trajan Bridge in der Avenue VII harrt man nicht nur in einer langen Autoschlange aus, Stoßstange an Stoßstange, nimmt die verächtlichen Gesten des Wachpostens hin, der bloß stumm die Hand ausstreckt, wenn man an die Reihe kommt, weil er wahrscheinlich der Ansicht ist, dass keiner dieser Menschen am Steuer eines Wortes würdig ist, nein, man muss auch noch aussteigen, wenn er es befiehlt, und sich durchsuchen lassen, bevor man, nachdem man seinen Akkreditierungsausweis für die Zone 2 vorgezeigt hat, endlich passieren darf. Und selbst das signalisiert dieser Wachposten nur widerwillig, als würde er einem einen Gefallen tun. Sparak erduldet das Ganze mit zusammengebissenen Zähnen. Nach der letzten Kontrolle steigt er in seinen Wagen und fährt los, er lässt die Zone 3 hinter sich und verwünscht diese Bastarde, die sich für allmächtig halten. Es nervt ihn, wenn er von einer Zone in eine andere muss, es hat ihn immer genervt. Diejenigen, die wie er glückliche Besitzer einer Akkreditierung sind, nutzen das im Allgemeinen aus und überqueren die Zonengrenze jeden Tag. Mit so einer Genehmigung ist es einigermaßen leicht, nebenbei ein kleines Schmuggelgeschäft zu organisieren. Aber er betreibt keines. Er wechselt die Zonen so selten wie möglich. Die Zone 2 hat ihn schon immer rasend gemacht. Alles ist ihm zu hell, zu glatt. Saubere Gebäude. Asphaltierte Straßen ohne Löcher in der Fahrbahn, keine eingestürzten Häuser, keine Schutthaufen an jeder Ecke, auf denen Bettler ihre Notdurft verrichten. Nein, in Zone 2 säumen Bäume die Alleen, und die Menschen sind höflich. Die Klimakuppel schützt vor dem sauren Regen, vor unerwarteten Windböen und sorgt dafür, dass die Temperatur nicht über zweiunddreißig Grad steigt. Er hat diese Zone stets verabscheut, weil sie immer so tut, als wäre sie sich selbst genug und als hätten diejenigen, die nicht den Vorzug genießen, dort zu leben, Fehler begangen, die sie zu Recht ins Unglück gestürzt haben. Er aber weiß, die Zone 2 ist auf dem Dreck und Schweiß von Zone 3 gebaut, das ist alles. Wenn er zurückkommt, spürt er jedes Mal sofort die heimliche Verachtung derer, die besitzen, für die, die nichts haben.
Er wandelt die mit weißem Teppichboden ausgelegten Gänge entlang, die Fensterscheiben hinter den schwarzen Jalousien sind blitzblank, ein Dekor, das aus jedem Büro ein Schmuckkästchen machen will, in dem Verwaltung sauber und effizient erledigt wird. Alles hier widert ihn an. Man lässt ihn kommentarlos zwanzig Minuten warten, und die Frau, die soeben mit einer Akte hereinkommt, findet kein Wort der Entschuldigung und hebt auch nicht den Kopf, als sie ihm die erste Frage stellt:
»Hat die Leiche Spuren einer Auseinandersetzung aufgewiesen?«
»Mit Zucker, bitte«, gibt Sparak zurück.
Nun hebt sie doch überrascht den Kopf.
»Pardon?«
»Den Kaffee«, erklärt er. »Mit Zucker.«
Sie schaut ihn an und hält bewusst inne, als Übung, um zu zeigen, wer darüber entscheidet, wie schnell die Minuten in diesem Büro vergehen.
»Verstehe«, sagt sie. Vielleicht ist ihr gerade ihre eigene Grobheit aufgefallen, vielleicht überlegt sie auch nur, wie sie diesem frechen Kerl am besten aufs Dach steigt. Sie reicht ihm kühl die Hand.
»Salia Malberg«, stellt sie sich vor. »Ihre Vorgesetzte.«
Er betrachtet sie lächelnd. Als hätte er einen Augenblick gezweifelt, als hätte seine Erinnerung ihn in die Irre geführt. Er mustert sie: kurze Haare. Eine Narbe am Augenbrauenbogen. Am Hals ein kleines Tattoo. Schwarzes Kostüm. Fürs Büro zu elegant gekleidet. Hübsch ist sie, aber sie hat etwas Hartherziges an sich, nichts vom Schicksal Gebeuteltes, nein, das würde er respektieren, eine selbstbewusste Gefühllosigkeit.
»Zem Sparak«, stellt er sich seinerseits vor und gibt ihr die Hand. »Sieht so aus, als hätten wir einen G.O. …«
»Sieht so aus, ja«, bestätigt sie leicht gereizt.
»Und meinen Sie, wir können dem entgehen?«, erkundigt er sich mit komplizenhafter Miene.
»Bitte?«
»Damit wir uns hier nicht länger aufhalten müssen.«
Sie lässt die Akte auf den Schreibtisch sinken, schaut ihm tief in die Augen und verkündet frostig:
»Das neue Partnerschaftsprogramm der Polizei hat den G.O. angelegt. Das ist ein Privileg, denke ich. Das macht uns zu Pionieren. Das heißt, wir werden tun, was man von uns verlangt, und werden es so gut wie möglich machen, damit die Arbeit so zügig wie möglich erledigt ist.«
Er hat artig zugehört, ihre Gesichtszüge studiert und versucht zu ergründen, was in ihrem Innern vor sich geht.
»Der Kommandant und sein braver Hund, was?«
»Genau«, bejaht sie, ohne zu lächeln.
Sie nimmt die Akte wieder in die Hand und fragt:
»Haben Sie eine Idee, warum der Ordner blockiert sein könnte?«
»Um Ihre unbändige Lust zu stillen, den Charme von Zone 3 zu entdecken?«
Sie lacht nicht.
»Noch eine andere Idee?«, hakt sie nach.
»Nein, keine.«
»Und was haben Sie an Fakten, wenn Sie schon keine Ideen haben?«
»Der Herr ist in einer Gegend aufgelesen worden, um die sogar die Dealer einen Bogen machen.«
»Spuren einer Auseinandersetzung?«
Er zögert einen Moment und versucht abzuwägen, ob sie in der Lage sein wird, seine Antwort zu verkraften.
»Der Typ ist von der Kehle bis zum Bauchnabel aufgeschlitzt worden. Wie ein saftiges Stück Fleisch.«
Die Frau wird ganz blass. Er hat es nicht allzu eilig fortzufahren.
»Haben Sie eine Vermutung zu den Hintergründen?«, will sie wissen.
»Ich habe so viele Vermutungen, wie in der Zone 3 Verrückte rumlaufen.«
»Zum Beispiel?«, fragt sie, um zu unterstreichen, dass sie nicht zum Spaß hier ist, sondern um die Ermittlungen voranzutreiben. Er lässt sich Zeit, sieht ein, dass mit ihr nicht zu scherzen ist, und fährt ernst fort:
»Vielleicht war es tatsächlich ein Geisteskranker. Davon gibt es ja reichlich. Es könnte aber auch eine von diesen Eternytox-Geschichten sein. Alles schon erlebt … Irgendwelche Gangs greifen Leute an, die sie für frisch operiert halten. Sie bringen sie um, schneiden sie auf und verhökern Einzelteile auf dem Schwarzmarkt … Allerdings kann sich weder in Citizens’ Dump noch in irgendeinem Distrikt von Zone 3 jemand eine Eternytox-Operation leisten. Es sind nur Imitate in Umlauf. Aber macht nichts. Hauptsache, man glaubt daran! Also lässt man sich eine intelligente Arterie oder eine Magentasche aus altem Latex einsetzen und hofft, dass man damit dreißig Jahre länger durchhält. Aber leider verticken die Leute, die einem diesen Ramsch einpflanzen, Informationen an die Gangs, und deswegen wird man wenige Stunden später von ein paar Brüdern überfallen, die bloß die Ersatzteile in einem sehen. Unser Mann wollte sich vielleicht ein Stück Ewigkeit kaufen und endete, wie so viele andere, tot im Matsch.«
Sie lässt ihn ausreden, und erst als er fertig ist, entgegnet sie gelassen:
»Unser Mann ist aber nicht aus Zone 3.«
Sparak wirkt überrascht. Er schaut auf sein Armband, auf dem er eine Zusammenfassung seiner Ermittlungsergebnisse gespeichert hat.
»Ich habe mir notiert, geboren in Zone 3 …«
»Ja«, antwortet sie. »Er hat jedoch nicht dort gelebt. Seine Identität ist noch nicht geklärt. Wir haben seinen persönlichen Chip gefunden, beschädigt. Es wird also ein bisschen dauern. Bis zum Abend sollten wir die Fakten haben. Immerhin liegt uns die digitale Analyse vor. Nach der ist er ein Bewohner von Zone 2. Deshalb der G.O. Jemand aus meiner Zone ist in Ihrem Gebiet umgelegt worden. Und nun gilt es herauszufinden, wie das sein kann …«
Er wundert sich erneut. Er kennt nicht viele aus Zone 2, die sich jenseits der Checkpoints tummeln.
»Womöglich war das Ganze ja ein Irrtum?«, ruft er leicht optimistisch aus.
Sie blickt ihn an und bemerkt mit mitleidigem Bedauern:
»Machen Sie sich keine großen Hoffnungen. Das wird für uns beide eine mühselige Angelegenheit. Ich bin ebenfalls nicht besonders scharf darauf, im Tandem zu arbeiten, das können Sie mir glauben. Wir werden uns also bemühen, die Sache rasch hinter uns zu bringen. Dazu tun Sie am besten, was ich Ihnen sage. Wenn er in Zone 2 gelebt hat, brauche ich mehr Infos. Was hat er auf diesem Brachgelände zu suchen gehabt? Wen hat er getroffen? Mit wem hat er gesprochen? Wenn wir eine Antwort auf diese Fragen oder auch nur auf eine von ihnen finden, haben wir vielleicht eine Chance herauszukriegen, warum er sterben musste. Und wenn wir das Motiv kennen, können wir dazu übergehen, uns mit der nächsten Frage zu beschäftigen, nämlich wer der Täter ist …«
Sie guckt ihn gar nicht mehr an. Er spürt, dass sie in Gedanken bereits woanders ist. Als sie aufsieht, scheint sie erstaunt zu sein, dass er immer noch dasitzt. Sie sagt:
»Das Prioritätenmanagement hat den Fall nicht als vorrangig eingestuft. Ich werde erst heute Abend oder morgen Zugriff auf die Analyse der Chipdaten haben. Bis dahin tun Sie, was Sie tun können.«
Er schaut sie forschend an. Sie erklärt daher:
»Herumwühlen, schnüffeln, suchen. Was ein guter Hund halt so macht.«
Das nennt man mit gleicher Münze heimzahlen. Damit er ja nicht mit einem Wohlgefühl ihr Büro verlässt. Genau, der gute Hund wird wieder mit seinem Knochen im Dreck spielen.