6 Checkpoint

Diese Stadt hat kein Gedächtnis, soviel steht fest. Alles geht verloren und verschwindet. Seitdem er das letzte Mal hier vorbeigekommen ist, haben die meisten Geschäfte den Besitzer gewechselt. Die Reklametafeln sind neu, die Gesichter auf den leuchtenden Werbebildschirmen wirken frisch und strahlen. Wenn in Zone 3 ein Laden schließt, ist entweder der Eigentümer gestorben, oder die Bude wurde niedergebrannt. Das ist in Zone 2 nicht so. Alles verändert sich ständig. Auf dem Nachhauseweg wollte Sparak noch bei Varoumakis in der Avenue 3rd of July in Grandelune Weinblätter besorgen, aber Varoumakis hat sich anscheinend in Luft aufgelöst. Dafür gibt es jetzt einen Fluffy-Cloud-Shop. Das sind die Desserts, die seit Kurzem in Mode sind, eine Mischung aus Baiser und Mousse, serviert am Stiel. Sieht aus wie eine Pusteblume. Er schimpft vor sich hin, denkt sich dann jedoch, wenn ich schon da bin, könnte ich das Zeug ja eigentlich mal probieren … Doch kaum hat er einen Fuß in die Tür gesetzt, schrillt der Alarm. Das passiert ihm jedes zweite Mal. Seine Akkreditierung hat irgendeine Störung. Sie bräuchte wahrscheinlich ein Update, aber er hat sich bis jetzt keine Zeit dafür genommen. Die Verkäuferin wird panisch. Sie rollt entsetzt die Augen und wettert mit drohender Stimme, er sei nicht akkreditiert. Und je weiter er sich nach vorne wagt, um ihr seine Karte zu zeigen, desto mehr weicht sie zurück. Sie wiederholt dauernd: »Sie dürfen hier nicht rein … Sie dürfen hier nicht rein …« Bevor sie in Ohnmacht fällt oder das ganze Viertel zusammentrommelt, gibt er es auf und macht sich ohne Fluffy Cloud aus dem Staub. Er verflucht Varoumakis, der einfach plötzlich verschollen ist. Er verflucht all die Bars, die nicht mehr auffindbar sind. Diese Stadt ist ein dämliches Tier, das sich nicht erinnert, was es einmal war.

 

Ira zieht durch die Steppe, läuft unter dem großen Skelett in der Avenue VIII durch, unweit der Stelle, an der die Leiche geborgen wurde. Sie hat von der Sache gehört, wie die gesamte Nachbarschaft. Die Leute reden von nichts anderem. Der Mann war rasch weggebracht worden, aber ein Abdruck von ihm blieb. Die Umrisse des Körpers waren auf dem Boden noch stundenlang sehr gut zu erkennen gewesen. Am Anfang spielten die Kinder aus dem Viertel ausgelassen auf dem besudelten Terrain und malten sich aus, wo der Kopf und wo die Füße gelegen hatten. Doch dann kam der saure Regen und verwischte die Spuren. Sie schreitet voran. Es wird allmählich Abend. Sie fürchtet sich nicht. An dem ehemaligen Checkpoint in der Avenue VIII, der seit dem Einsturz der Nordbrücke außer Betrieb ist, wirft sie einen Blick hinüber auf den mittlerweile dort eröffneten Getränkeladen, vor dem der alte Tobo ein paar Meter vom Eingang entfernt auf dem Bürgersteig sitzt und ihr lachend zuruft: »Ira? Wohin so hastig?« Sie winkt ihm freundlich zu, sagt aber nichts. Er grölt weiter, möchte ihr ein Lächeln abringen: »Gepriesen sei der Tag, an dem du es so eilig haben wirst, mich zu sehen!« Sie mag ihn gern. Morgen bleibt sie vielleicht stehen und unterhält sich mit ihm. Aber heute muss sie sich sputen. Sie wird erwartet. In wenigen Stunden ist sie in Zone 2, wenn alles gutgeht. Da ist ein reicher Mann, der sie mit Komplimenten überhäuft, die Korken knallen lässt und sie in leuchtend rote Gewänder hüllt. Geschwind, geschwind. Zuerst muss sie den Schleuser treffen und sich dann durch den Tunnel schlängeln. Das Ganze wird noch ein paar Stunden dauern, aber sie hat Geduld. Sie wird sich von nichts und niemandem davon abhalten lassen, sich ein Leben aufzubauen. Bald ist sie nicht mehr die kleine Ira von der Citadelle, sondern ein Wesen, das sein Schicksal selbstbewusst in die eigene Hand genommen hat und mit dem Verlangen der Männer spielt.

 

Als Zem Sparak sich dem Checkpoint Trajan nähert, den er wenige Stunden zuvor passiert hat, hält er plötzlich inne. Nicht wegen der langen Mauer und auch nicht wegen der Polizeifahrzeuge. Sondern wegen des Gestanks. Irgendwo in den Elendsvierteln am großen Graben, dem Big Fosse, brennt ein Reifen, und der Wind treibt ihm den schweren Geruch von sengendem Gummi in die Nase. All die Erinnerungen steigen wieder auf. Von weit her dringen Schreie an sein Ohr. Die Straßen Athens sind wieder da, der Gestank von brennenden Reifen bringt sie zurück. Die skandierenden Demonstranten, das Gebrüll des wütenden Volkes. Er denkt an den Zorn, der alle antrieb. Das Land brach zusammen. Man hatte das Gefühl, das Ende der Welt mitzuerleben. Er sieht den jungen Mann vor sich, der er damals war, mit nacktem Oberkörper, erhobener Faust, der tapfer die Polizisten beschimpft, einen jungen Mann, der keine Ahnung hatte, dass er soeben seine letzten Augenblicke in Freiheit genoss. Er blickt zurück mit der Melancholie eines traurigen Alten, der versunkene Zeiten heraufbeschwört.

 

Nachdem er den Checkpoint hinter sich gelassen hat, ist sein erster Reflex, sich ein Bier in der Nische zu holen. Eine zwielichtige Kneipe auf einem Brachgelände, das die Leute aus dem Viertel Gabu nennen, gleich hinter der Polizeiwache des siebten Distrikts, die bei den Polizisten entsprechend Polizeiwache Gabu heißt. Ursprünglich war die Nische nur eine Pommesbude in einem Lkw, irgendwann baute Fazarkous, der Betreiber, von allen kurz Fazar gerufen, auch Tische auf, und ein bisschen später spannte er noch eine große Plane als Regenschutz auf. Ein ziemlich schräges Lokal, aber ganz angenehm.

Außer ihm ist keiner da. Er bestellt zwei Biere. Das erste trinkt er in einem Zug, um die Erinnerungen an Athen zu verscheuchen, anschließend steht er auf und geht. Das zweite bringt er dem alten Tobo mit. Wenn es jemanden gibt, der ihm etwas über den Mord heute Morgen erzählen kann, dann er.

 

»Das ist gepanschtes Bier …«, meint Tobo und verzieht das Gesicht. »Es ist frisch, riecht bloß nach Pestiziden. Aber ich nehme es dir nicht übel, alles in dieser niederen Welt ist gepanscht.«

Der Alte hat schlechte Laune. Sparak schließt sich ihm an.

»Ja«, sagt er in schleppendem Ton. »Wenigstens ist es ein Bier.«

Der alte Tobo schaut ihn an, als hätte er etwas unendlich Tiefgründiges von sich gegeben.

»Klar, Bruder. Es bleibt ein Bier …« Und um zu unterstreichen, wie sehr er Sparaks Worte zu schätzen weiß, fügt er hinzu: »Aber wir wären schön blöd, wenn wir in der heutigen Zeit deswegen einen Aufstand machen würden.«

Die zwei Männer sagen eine Weile nichts. Sparak mustert Tobo. Sicher kein Zuckerschlecken, das Leben auf der Straße. Und der körperliche Verschleiß und das Altwerden auf der Straße erst recht nicht.

»Was kann ich für dich tun, Zem?«, fragt Tobo.

»Hier in der Gegend ist ein Kerl aus Zone 2 abgemurkst worden, hast du was davon gehört?«

Der Alte macht ein überraschtes Gesicht.

»Hier in der Gegend?«, wiederholt er. »Du willst mich wohl veräppeln! Das wüsste ich doch … So was wäre ja ein Mordsereignis.«

Sparak merkt, dass er lügt. Die Frage ist nur, warum. Hat er vielleicht Angst? Hier im Viertel spricht sich doch alles herum. Wahrscheinlich fürchtet er, dass er zu viel quatscht und am Ende herauskommt, dass er mit dem Typen ein Bier getrunken hat. Tobo wird wirklich alt. Er weiß, dass man in Zone 3 die Klappe halten muss und er zum Kämpfen zu schwach ist, wenn er Ärger kriegt. Er ist nicht mehr so stark wie früher. Sein Geist nicht mehr so rege. Deswegen möchte er vielleicht möglichst schnell und mit sicherer Hand aus dem gefährlichen Spiel aussteigen. Hat er Angst? Vertritt er eigene Interessen? Oder will er langsam das Gebot in die Höhe treiben, sein Wissen zu Geld machen? Das wäre legitim. Informationen weitergeben ist eine super Art, ein paar Kröten zu verdienen. Tobo kennt sich mit der Materie bestens aus. Aber heute lügt er so miserabel, dass er Sparak fast leidtut. Es ist, als müsste man mitansehen, wie ein einstmals brillanter Jongleur die Bälle fallen lässt. Ein komplettes Fiasko. Sparak seufzt, überlegt kurz, steht auf und sagt noch einmal:

»Jede kleine Information würde mir weiterhelfen, Tobo.«

»Ich halte Augen und Ohren offen, Zem, versprochen. Du weißt ja, wenn du magst, kann ich dir billig TQX besorgen …«

»Ja, ja, hast du mir schon erzählt.«

»Bruder, das Zeug kommt aus Bangladesch.«

»Verdammt weiter Weg, nur um unsere grauen Zellen in die Luft zu jagen …«

»Das kannst du laut sagen!«, meint Tobo und lacht.

Sparak verdrückt sich.

»Nicht vergessen, Tobo. Die geringste Information … ich verlass mich auf dich.«

»Na klar, der große Tobo legt sich auf die Lauer, versprochen«, gibt der zurück und prostet Sparak zu.

Der Alte plappert weiter, während Sparak loszieht:

»Der große Tobo … und sein Pillenarsenal … König der Nacht … was will man mehr … als Lust und Vergnügen …«

 

Zu Hause angekommen, bleibt Sparak vor dem Gebäude stehen, betrachtet es, fragt sich einen Moment, ob er hineingehen soll, und besinnt sich dann anders. Was will er da? Er hat keine Lust, ins Bett zu gehen. Er wird durch seine Wohnung irren und gegen die überall herumliegenden Milchflaschen stoßen. Wozu das Ganze? Schlafen, sich morgen wieder hochrappeln und neu anfangen, wie Millionen weitere Menschen in der Zone, dem Hangar der Menschheit. Soll das ein Leben sein? Möchte er so enden, nach allem, was er durchgemacht hat? Plötzlich wird ihm klar, dass er nicht nach Hause gehen wird. Die Nacht ist noch nicht zu Ende. Er sucht etwas anderes. Also dreht er auf dem Absatz um, biegt in die erstbeste Avenue ein und spürt in dem Augenblick, in dem er sein Haus hinter sich lässt, die Erleichterung des Mannes, der seiner Geißel entrinnt.

 

Der Weg durch den Tunnel ist egal. Dass ich gelegentlich auf allen vieren kriechen muss und an manchen Stellen auf einmal nicht mehr weiterkomme, weil der Typ vor mir irgendein Geräusch gehört hat und kontrollieren will, ob da eine Gefahr lauert, macht nichts. Mich kann nichts erschüttern. Ich bin Ira Cuprack. Ich wechsle die Zone. Die anzüglichen Bemerkungen des Schleusers, der auch ab und zu meinen Hintern betatscht, als hätte er das Recht, probeweise meine Dienste in Anspruch zu nehmen, weil er mich in die andere Welt bringt, haben keine Bedeutung. Ich laufe einfach weiter. Ich habe ein Ziel vor Augen. Wenn ich draußen bin, bricht die Nacht an, und die Nacht gehört mir. Ich muss mich nur noch hinter irgendeinem Auto umziehen und meine tunnelgeschwärzte Hose in den Rucksack stopfen, schon bin ich nicht mehr Ira Cuprack. Eine Tür steht offen. Der Herr, der mich erwartet, hat die Gabe, Gehorsam zu erzwingen. Eine Geste, ein Wort von ihm genügen. Die kleine, unscheinbare Ira, die niemand kennt, die sich vom Schlepper befingern lässt und die nichts hat außer ihrer Schönheit, hat ein Rendezvous mit dem Glück, und nichts hält sie auf. Sie meinen, ich sollte lieber nicht hingehen? Man verkauft bei solchen Gelegenheiten seine Seele? Das Ganze ist eine schmutzige Affäre? Sie haben keine Ahnung. Ich bin auf der falschen Seite geboren, aber ich will auf die richtige. Die Frauen von Zone 2, die immer nur blitzblanke, wie geleckt aussehende Straßen entlangstolzieren, wissen nichts von der Gewalt, mit der ich aufgewachsen bin. Ich war vom Pech verfolgt, aber ich habe mich nicht damit abgefunden. Ich bin schön. Ich habe einen Körper zum Niederknien. Mit meiner Taille und meiner Hüfte verdrehe ich den Männern den Kopf. Das ist mein Kapital. Soll ich es etwa nicht einsetzen? Und anständig bleiben? In meiner Kindheit war für Anstand kein Platz. Selbstverständlich mache ich mir meine Schönheit zunutze. Ich reiche den Typen den Arm, lasse mich küssen, sie glauben, dass sie mich besitzen, doch sie täuschen sich. Im Grunde bekommen sie mich nicht zu fassen. In Gedanken bin ich anderswo. Ich bereite meine Zukunft vor. Diese Verabredung wird ihr den Weg ebnen, und ich gehe schnurstracks auf den Herrn zu. Dass er hässlich ist, spielt keine Rolle. Dass er nicht von der Sorte ist, von der ich träume, stört mich nicht. Natürlich wären die Berührungen der Jungs in meinem Alter zärtlicher, aber sie haben nichts zu bieten als den Schweiß schwacher, am Leben zerbrochener Kerle, diesen Geruch kenne ich in- und auswendig, so riechen mein Vater und meine Brüder, es ist der Geruch, vor dem ich auf der Flucht bin. Ja, der Typ ist hässlich, aber er öffnet mir Türen, er lässt Wagen vorfahren, die mich an jeder Ecke der Stadt abholen und mich zu ihm in ständig wechselnde und stets luxuriöse Hotelzimmer bringen. Er serviert teuren Alkohol in unglaublich wertvollen Gläsern. Ich tauche in die andere Welt ein. Für ein paar Stunden. Der dreckige Tunnel ist ganz weit weg. Ich weiß, es geht wieder zurück, die Zeit ist noch nicht reif, sich träge im Bett zu wälzen. Ich gehöre noch nicht dazu, ich werde schlau sein müssen, aber ich bin Ira, und in seinen Blicken lese ich, dass ich bezaubernd bin. Ich habe noch keine Forderungen gestellt. Ich warte damit, bis er nicht mehr ohne mich sein kann. Das Traumziel ist nah. Ich bin jung und unwiderstehlich. Dass ich den alten Sack zum Orgasmus bringen muss, ist nicht weiter schlimm. Ich betrachte lächelnd das Schwabbeln seines Bauchs. Es ekelt mich weder vor den Details seiner Anatomie noch vor den Namen, die er mir gibt. Den stattlichen Leib, den ich sehe und mit meinen Fingern und meiner Zunge spüre, möchte ich ganz für mich.

 

Miki, der Besitzer, empfängt ihn mit einem eigenartigen Lächeln, als er die Tür aufmacht. Miki ist um die vierzig, klein und hat ein plattes Gesicht, das ein Schnurrbart schmückt. Er hat etwas Unterwürfiges und zugleich Gutmütiges an sich.

»Schon wieder?«, ruft er hocherfreut aus. »Hab ich Ihnen doch gesagt, dass es Ihnen gefallen wird!«

Am liebsten möchte Sparak ihm sagen, dass er den Mund halten und ihm einfach verkaufen soll, was er haben will, doch das geht nicht. Man muss ein paar schnöde, verlogene Worte wechseln, versuchen, Konversation zu treiben.

Er war bereits vor zwei Tagen hier. Mikis Laden ist schwer angesagt in RedQ. Bekannt für seine heißen Bräute und seine gute Musik. Schlichtweg alles wird dort geboten. Zem kreuzt an den Abenden auf, an denen er sich unendlich einsam fühlt und eine junge Frau mit leicht angestrengtem Lachen und übermäßig stark geschminkten Wangen in die Arme schließen möchte. Aber beim letzten Mal hat Miki ihn genussvoll mit verschwörerischer Miene begrüßt. Er verkündete Sparak, er habe im dritten Stock einen neuen Raum eingerichtet. Er berichtete ihm von Okios, einer süchtig machenden Technologie, gerade total in Mode. Ein Test sei gratis. Als guter Geschäftsmann weiß Miki: Auf Kundenbindung kommt es an. Zem war einverstanden. Er setzte die Kopfhörer auf und befestigte an den Schläfen die beiden Sender, die über die Nervenleitungen Bilder an das Gehirn schicken, Bilder einer perfekten Fantasiereise in eine Welt, die anschließend auf die Wände ringsum projiziert wird.

»Was darf ich Ihnen einstellen, Inspector?«, erkundigt sich der Besitzer.

»Dasselbe wie beim letzten Mal.«

Miki blickt erstaunt auf.

»Da sind Sie aber der Einzige. Die anderen wollen alle nur Sex.«

»Jeder hat halt so seine Träume«, gibt Sparak lakonisch zurück.

Miki nickt, als hätte Sparak soeben eine tiefgründige Wahrheit ausgesprochen, über die er nun lange nachzudenken hat. Dann reicht er ihm den Kopfhörer und die Okios-Pille. Er lädt das Programm herunter und sagt mit sanfter Stimme: »Zweihundert.« Sparak bezahlt. Er kann es kaum erwarten.

 

In dem Raum im dritten Stock liegen um die zehn Matratzen am Boden. Die Leute darauf ruhen mit dem Gesicht zur Wand, zum Teil mit offenem Mund, ein merkwürdiges Lächeln umspielt ihre Lippen. Sparak steigt über sie hinweg und sucht sich eine Matratze aus, er schluckt die chemische Droge, die ihm Leichtigkeit verleihen und ihn von sich selbst befreien soll. In dem noch verbleibenden Moment geistiger Klarheit legt er die Sender an seine Schläfen an. Die Wirkung der Droge ist bereits zu spüren. Er nimmt die anderen, die sich wie er in Bilder versenken, die nur sie allein sehen, nicht mehr wahr. Ein Wohlgefühl durchströmt ihn. Der Ort, der ihm wenige Minuten zuvor noch traurig erschienen war, ein Ort, an dem jeder für sich an Einsamkeit stirbt, weitet und vergrößert sich plötzlich. Er legt sich schnell hin. Überall tauchen Bilder auf. Wie beim letzten Mal. Er erkennt Athen. Den Philopapposhügel, die schmale Karaiskaki-Straße, die zum Iroon-Platz führt. Er sieht alte Autos, Straßenbahnen, Menschen mit Einkaufstüten, die die Fahrbahn überqueren. Er ist entzückt von dem, was ihn umgibt. Er hört den Verkehrslärm. Es ist, als wäre er mittendrin, als stellte diese Schwarz-Weiß-Welt die Wirklichkeit dar. Er weiß, dass all diese Leute nicht mehr da sind, tot sind, und doch wirken sie vollkommen echt. Ihm gefällt diese Geisterstadt, in der das Leben in Zeitlupe abläuft. Er fühlt sich zu Hause, und ein Lächeln, das an die Stelle der Dunkelheit tritt, huscht über sein Gesicht.