Gustl Mayr schlug mit der Faust auf den Tisch. «Du bisch a saggrischer Depp», herrschte er seinen Sohn an. «Meinst, du kannst alles besser machen, haust dir aber die Nächte um die Ohren und bist am Tag zu müd zum Arbeiten. Schau dich doch mal im Spiegel an: Hast Augenringe wie ein Waschbär. Ich weiß auch nicht, was die Weiber an dir finden.»
Ludwig Mayr saß ihm im Polohemd gegenüber. Aufreizend lächelnd und die Sonnenbrille nach oben in die gegelten Haare geschoben. Sein Vater dagegen im blauen Schurz mit kariertem Hemd und hochgekrempelten Ärmeln. Ludwig braun gebrannt, sein Vater mit rotem Kopf und Zornesfalten auf der Stirn. Größer könnte der Kontrast nicht sein.
«Dia Gitschn wissen schon, was sie an mir haben», entgegnete der Sohn grinsend. «Da mach dir mal keine Gedanken.»
«Ja, aber was für Mädels! Flietschn sein des, alle miteinander. Da ist keine dabei, die du mir als Schwiegertochter ins Haus bringen könntest.»
Ludwig schlug provozierend lässig die Beine übereinander. «Da ist schon die eine oder andere dabei, die dir gefal len würde. Vielleicht nicht als Schwiegertochter, aber zum Schnaksln.»
«Bua, pass auf, was du sagst. Nur weil deine Mutter, Gott hab sie selig, vor einigen Jahren von uns gegangen ist, bin ich kein Hallodri wie du. Erst kommt die Arbeit …»
«Siggsch. Und bei mir kommt erst das Vergnügen.»
«Genau das ist dein Problem. Erinnere dich, dein sogenanntes Vergnügen hat uns schon mal viel Geld gekostet.»
«Das war ein Ausrutscher; darüber wollten wir nicht mehr reden.»
«Aber ungeschehen kann man nichts machen.»
«Doch, das kann man», antwortete der Sohn trotzig. «Hast ja gesehen.»
«Wird Zeit, dass du kapierst, worauf es im Leben ankommt. Wir müssen den Betrieb am Laufen halten, da musst auch du dich einihängen.»
«Mach ich doch, Vater. Ich hab ganz viele neue Ideen …»
«Die kannst realisieren, wenn ich tot bin. Jetzt müssen wir erst mal die deppatn Schädlinge in den Griff bekommen. Da kannst gern eine neue Idee einbringen, wenn du eine hast …» Die Zornesröte verschwand, und Gustl Mayr sah seinen Sohn mit großem Ernst an. «Ich wollt dich aber ganz was anderes fragen: Warum hast du auf den Baron so rotzig reagiert? Hättest ruhig etwas freundlicher sein können. Ist nicht gut, sich einen Privatdetektiv zum Feind zu machen, der eng mit der Polizei zusammenarbeitet.»
«So, tut er das? Woher willst du das wissen?»
«Ich hab mich beim Steingruber Bastian erkundigt, der unseren Bunker gepachtet hat und uns den Scheißdreck hoffentlich abkauft. Der kennt den Baron gut und sagt, dass er einen heißen Draht zur Quästur in Bozen hat. Außerdem sei er ein hartnäckiger Ermittler, der noch jeden zur Strecke gebracht habe, wenn er sich erst mal in einen Fall verbissen hat.»
Ludwig Mayr beugte sich nach vorn. Ganz so entspannt wie eben wirkte er nicht mehr.
«Na, wennschon», wischte er das Thema vom Tisch. «Deshalb muss ich nicht nett zu ihm sein. Ist ein arroganter Adliger, solche Typen honn i dick.»
«Du musst lernen, dich zu beherrschen. Ab und zu ist’s gescheiter, jemanden nicht zu provozieren. Versteasch?»
«Das sagst ausgerechnet du. Was war mit der Wirtshausschlägerei, die du letztes Jahr angezettelt hast? Da hast dich auch nicht beherrscht.»
«Nein, habe ich nicht. Aber erstens ist der Franz ein Depp, dem man ab und zu eine aufs Maul hauen muss. Und zweitens …»
Ein Lächeln huschte über seine Lippen.
«… und zweitens habe ich gewonnen!»
«Stimmt, der Franz musste zum Nähen ins Krankenhaus», räumte der Sohn ein.
«Wenn man davon überzeugt ist, im Vorteil zu sein, kann man ein Risiko eingehen. Aber das muss man sich immer vorher überlegen. Das musst dir merken, Bua. Und jetzt sagst mir ehrlich, ob du eine Ahnung hast, wer die Leich in unserem Bunker sein könnte.»
«Habe ich doch schon dem Wichser gesagt: Wie soll ich eine vertrocknete Leiche erkennen, die auf dem Foto wie eine Zombieschwester vom Ötzi ausschaut? Nein, ich hab keine Ahnung.»
Gustl Mayr runzelte seine wettergegerbte Stirn.
«Gehörte das vielleicht zu euren Partyspielchen? Mädels einmauern, und dann habt ihr eine vergessen?»
Die Gesichtszüge des Sohnes entgleisten.
«Spinnst du? Wir haben ja viel Scheiß gemacht, aber doch nicht so was.»
«Bist da ganz sicher?»
«Das traust du mir doch nicht wirklich zu? Ist doch absurd. Genauso gut könnte ich dich verdächtigen, dass du im Bunker eine aufmüpfige Geliebte hast verschwinden lassen, damit meine Mutter nichts von deinen Seitensprüngen mitbekommt …»
Der alte Mayr schnellte hoch, holte aus – und verpasste seinem Junior eine schallende Ohrfeige. So schnell, dass der Ludwig nicht reagieren konnte. Und so kräftig, dass es ihn vom Stuhl haute.