Tscharli zögerte. Er war sich nicht sicher, ob es klug war, den Ludwig Mayr in Mals anzurufen. Er hatte ihn schon länger nicht gesehen. Allerdings konnte es nicht falsch sein, sich abzustimmen. Angesichts der dunklen Wolken, die sich gerade bedrohlich über ihren Köpfen zusammenbrauten. Über seinem eigenen Kopf ganz besonders. Aber auch der Ludwig hätte allen Grund, nervös zu sein.

Entschlossen griff er zum Telefon und wählte seine Nummer. Er hatte ihn auch gleich dran.

«Dass ausgerechnet du mich anrufst, hätte ich nicht gedacht», begrüßte ihn Ludwig. Um sich nach einer kurzen Pause zu korrigieren: «Andererseits ist es so überraschend nun auch wieder nicht. Hast von der Dobra erfahren, die in unserem Bunker gefunden wurde, stimmt’s?»

«Wirklich? Das war euer Bunker? Ich hab’s mir gedacht», antwortete Tscharli. «Ich hatte schon so ein Scheißgefühl, wenn du verstehst.»

«Ein Scheißgefühl? Warum denn das? Nur weil wir dort geile Partys gefeiert haben. Das ist nicht verboten.»

Tscharli lachte gequält. «Mit den Drogen hätten s’ uns nicht erwischen dürfen. Und von den Girlies waren manche auch zu jung …»

«Tscharli, da hab ich einen guten Rat für dich: Am besten kannst du dich an nichts mehr erinnern. Das ist gut für deinen Schlaf. Vielleicht auch … für deine Gesundheit.»

«Ich hab Besuch bekommen», sagte er. «Von einem Typen, der für die Polizei arbeitet und mir blöde Fragen gestellt hat.»

«Den kenn ich, den Wichser. Der ist uns auch schon auf den Geist gegangen.»

«Ein Baron von …»

«Baron von und zu Arschloch», präzisierte Ludwig.

«Der hat mir ziemlich direkte Fragen gestellt. Zum Beispiel, ob ich mit der Dobra ein Verhältnis hatte.»

«Und, hattest du?»

«Sell geat di an Dreck an», zischte Tscharli. «Was ist mit dir?»

«Der Dreck beruht auf Gegenseitigkeit. Musst du auch nicht wissen. Genauso wenig wie der Baron. Der hat mich das nämlich auch schon gefragt. Ich hab so getan, als ob ich die Dobra nicht kenne.»

«Verstehst du, warum dieser Typ unbedingt wissen will, mit wem die Dobra was hatte? Ich denk, der soll ihren Mörder finden …»

«Wie soll ich verstehen, was im kranken Kopf von diesem Wichser vorgeht? Vielleicht denkt er, dass die Dobra von einem Liebhaber umgebracht wurde? Was weiß ich.»

«Zum Beispiel von dir …»

«Hosch du no alle?», empörte sich Ludwig. «Sei froh, dass du nicht vor mir stehst, sonst würde ich dir jetzt oane innihauen. Außerdem kämst du selber doch viel eher in Frage.»

Tscharli dachte, dass dieses Hin und Her wenig brachte. Er wollte ja auf was anderes raus.

«Lassen wir das», schlug er vor. «Wenn wir uns diesen Baron vom Leib halten wollen, sollten wir zusammenstehen. Du könntest mir einen Gefallen tun und dem Baron nichts davon

Ludwig lachte hämisch. «Das hättest du dir vorher überlegen müssen. Der Baron weiß es schon. Er hat gezielt nach dir gefragt.»

«Scheiße.»

«Weil ich immer ehrlich bin, habe ich ihm erzählt, dass du dabei warst.»

Das war dumm gelaufen, dachte Tscharli. Denn er erinnerte sich, dass er gegenüber dem Baron behauptet hatte, noch nie in einem dieser Bunker gewesen zu sein. Warum hatte er das gesagt? Eine unnötige Lüge.

«Immer ehrlich? Dass ich nicht lache.»

«Das Arschloch hat mich übrigens noch was gefragt. Ganz was Abgefahrenes. Ob du meine Mutter gekannt hast, hat er wissen wollen.»

«Hä … Versteh ich nicht.»

Tscharli verstand es wirklich nicht.

«Ich auch nicht. Ich bleib dabei, der Wichser ist krank im Kopf.»

«Leider nicht so krank, dass er tot umfällt.»

«Ja, wäre besser. Aber Gott sei Dank haben wir mit Dobras Tod nichts zu tun. Ist doch so, oder?»

«Na klar, wir haben viel Scheiß gemacht, aber wir hätten nie jemanden umgebracht.»

«Dann kann uns ja nichts passieren.»

Hoffentlich, dachte Tscharli. Hoffentlich hatte der Ludwig recht. Jedenfalls, was ihn selbst betraf. Ob seinem «Freund» was geschah, war ihm dagegen so was von egal.