Wieder einmal hatte er den Weg in eine Kirche gefunden. Abgesehen von einer alten Frau, die tief in ihr Gebet versunken war und ihn nicht zur Kenntnis nahm, war er alleine. Er kniete sich in einer Bank nieder und faltete die Hände. Er hatte schreckliche Schuldgefühle. Nie im Leben würde er Lauras blutüberströmtes Gesicht vergessen, bevor er ihr die Plastiktüte über den Kopf zog.
«Vater im Himmel, vergib mir meine Schuld …», murmelte er. Obwohl er doch an diesen Vater im Himmel gar nicht glaubte. Und wenn es ihn geben würde, wie könnte er ihm seine Schuld vergeben? Würde er verstehen, dass er nicht anders hatte handeln können? Nein, ganz sicher nicht.
Dabei war die Logik ebenso klar wie zwingend. Die eine Tat ergab sich aus der anderen. Erst Dobra, dann Angie, die ihn am Bunker gesehen hatte, und jetzt, unfassbare sieben Jahre später, die bemitleidenswerte Laura. Ja, er empfand Mitleid. Aufrichtig und ehrlich. Drei Frauen – und keine hatte ihm etwas getan. Keine hatte es verdient zu sterben. Eine unheilvolle, tragische Kettenreaktion …
Er hoffte inständig, dass es nun vorbei war. Bei aller Betroffenheit empfand er auch Erleichterung. Denn gerade noch rechtzeitig hatte er verhindert, dass Laura etwas sagen konnte. Er war schon in Panik gewesen, dass er zu spät kommen könnte. Sein Glück, dass er von ihren morgendlichen Joggingrunden wusste. Sein Glück, ihr Pech.
Natürlich konnte er nicht mit Bestimmtheit sagen, wie gefährlich ihm Laura hätte werden können. Genau genommen hatte sie ja keine Ahnung. Sonst hätte er sie schon vor sieben Jahren zum Schweigen bringen müssen. Aber in ihren Augen war Dobra ja nicht tot gewesen, sondern nur verschwunden. Was also hätte Laura erzählen können? Und wem?
Mit dem Fund von Dobras Leiche hatte sich alles dramatisch verändert. Auch weil es gelungen war, ihre Identität festzustellen, womit er nie und nimmer gerechnet hätte. Und weil es einen Menschen gab, der sich hartnäckig in den Fall verbissen hatte. Dieser Baron Emilio Ritzfeld stellte die eigentliche Bedrohung dar. Eigentlich gehörte er abserviert. Aber sein Tod würde hohe Wellen schlagen. Zu hohe. Eine Rezeptionistin aus einem Hotel dagegen konnte schon mal Opfer einer Gewalttat werden. So was passierte sogar im schönen Südtirol. Das sorgte nur kurz für Schlagzeilen. Dann war sie vergessen. Mit ihr würde der Baron nicht mehr reden können. Von ihr würde dieser Schnüffler nichts erfahren. Diese Gefahr war gebannt. Und eine andere konnte er nicht erkennen. Jetzt waren wirklich alle Spuren verwischt.