Phina hatte Zola im Waisenhaus abgeholt und lief mit ihr durch die Gärten von Schloss Trauttmansdorff in Meran. Zuvor war sie sich nicht sicher gewesen, ob Zola daran Spaß finden würde. Mit Emilios verstorbener Tante Theresa war Phina hier häufig spazieren gegangen. Aber Theresa war eine alte Dame gewesen und hatte die Kaiserin Sisi verehrt, die hier gerne zu Gast gewesen war und auf den Wegen promenierte. Zola dagegen hatte von Sisi noch nie gehört.

Doch Phinas Zweifel waren unbegründet. Das Mädel war vergnügt, tollte umher und hatte ganz offensichtlich ihre Freude. Dass sie den Pflanzen wenig Beachtung schenkte, fand Phina normal. Sie waren ja auf keinem Schulausflug. Kurz überlegte sie, wie wohl die Flora in Zolas Heimat aussah. Welche Pflanzen wuchsen in Mali? Ob es dort Affenbrotbäume gab und Kakteen? Oder war alles Wüste oder Savanne? Sie beschloss, sich besser mit Zolas Herkunftsland zu beschäftigen. Das war sie ihrem zukünftigen Adoptivkind schuldig. Phina schluckte. Sie sollte besser nicht selbstverständlich davon ausgehen, dass mit der Adoption alles klappte. Immer noch gab es eine Hürde – und die hieß Emilio.

Wenig später klingelte ihr Handy. Gab es so was wie Gedankenübertragung? Heute Morgen hatte sie Emilio erzählt, dass sie mit Zola in die Trauttmansdorffer Gärten wollte. Jetzt war er am Telefon und fragte, wo genau sie seien. Er sei gerade angekommen und würde sie gerne sehen.

Sie sagte ihm, dass sie gerade vor einem sogenannten «Summfelsen» aus Porphyrgestein stünden. Zola habe ihren Spaß, weil man durch die runden Löcher reinrufen konnte und das Echo verspätet zurückkam. Sie würden hier auf ihn warten.

Es dauerte nicht lange, schon tauchte Emilio auf. Erstaunlich, dass er so schnell hergefunden hatte. Der botanische Garten war riesig groß und hatte über achtzig verschiedene Themenlandschaften. Seinen Gehstock hatte er im Auto gelassen. Das machte er in letzter Zeit häufiger. Ihr gefiel das, denn er wirkte dadurch jünger und weniger affektiert. Auf den Stock angewiesen war er sowieso nicht. Schon eher gelegentlich auf den verborgenen Degen.

Phina freute sich, ihn zu sehen. Und mindestens genauso sehr darüber, dass er Zola hochhob, um ihr ein Küsschen zu geben.

Wie es seinem Kopf ginge, fragte sie lächelnd. Er würde auf absehbare Zeit keinen Alkohol mehr trinken, gab er zur Antwort. Nach ihrer Einschätzung konnte es sich dabei nur um Stunden handeln. Auf den Mord in Lana dagegen sprach sie ihn nicht an. Sie machten gerade einen Kinderausflug, da sollte man solche Themen aussparen.

Gemeinsam liefen sie durch die Trauttmansdorffer Gärten. Sie stießen auf einen grünen Irrgarten und hatten Spaß, erst rein- und wieder rauszufinden. Es gab ein Holzratespiel, ein geologisches Mosaik und ein begehbares Bienenhaus. Emilio machte alles mit. Er balancierte sogar mit Zola über eine schwankende Hängebrücke. Seinem Kopf schien es wirklich

Im Palmencafé am Seerosenteich machten sie Pause. Zola bekam einen riesigen Eisbecher. Emilio hielt an seinem Vorsatz fest und bestellte eine große Flasche Wasser, Phina dagegen lächelnd ein Glas Wein – um ihn zu ärgern.

Sie erzählte ihm, dass sie beide für den heutigen Abend eine spontane Essenseinladung bekommen hätten. Von Angelika Leitstaller-Frattini und Felix. Auf ihrem Weingut. Sie habe zugesagt und hoffe, er habe Zeit.

Er sah sie gequält an. Eine Essenseinladung? Ausgerechnet heute Abend? Sicher mit Weinbegleitung …

Phina amüsierte sich. Geschah ihm ganz recht.

Er könne ja Wasser trinken, schlug sie vor.

Zu viel Wasser sei auch nicht gesund, merkte er an. Davon bekäme er Magenkrämpfe. Außerdem wäre es ein Affront gegenüber den Gastgebern, ihren ausgezeichneten Wein zu verschmähen. Das gehöre sich nicht. Zumindest nippen könne er ja am Glas.

Phina lachte. Das sei es dann wohl gewesen mit dem Alkoholverzicht auf «absehbare Zeit».