Tscharli sah keine Veranlassung, Ludwig Mayr in Mals anzurufen. Bei den Problemen, die er gerade hatte, konnte ihm der Ludwig nicht helfen. Doch diesmal war es umgekehrt. Sein alter Kumpel hatte Gesprächsbedarf.
«Hi Tscharli», wurde er von Ludwig begrüßt. «Ich habe gerade Nachrichten im Radio gehört. Kann es sein, dass die tote Joggerin, die heute Morgen in Lana gefunden wurde, unsere Laura ist? Du weißt schon, die Laura Sabitzer? Im Radio haben s’ nur Laura S. gesagt und dass sie in einem Hotel gearbeitet hat.»
Tscharli dachte, dass er den Anruf besser nicht entgegengenommen hätte. Er hatte definitiv keinen Bock, über Laura zu reden. Schlimm genug, dass ihm schon der Baron mit der Laura auf den Geist gegangen war.
«Was heißt unsere Laura?», antwortete Tscharli. «Das war sie genauso wenig wie Dobra. Genau genommen noch viel weniger.»
«Jetzt sag schon – ist die tote Joggerin die Laura Sabitzer?»
«Woher soll ich das wissen?»
«Weil du in Lana wohnst, da wirst doch was mitbekommen haben.»
Tscharli zögerte. Er könnte den Ahnungslosen spielen. War aber nicht gut, wenn später herauskam, dass er gelogen hatte.
«Ja, es ist die Laura Sabitzer», bestätigte er.
«Bist sicher?»
«Ja. Das Arschloch von Baron war heute Morgen bei mir und hat es mir gesagt.»
«Der schon wieder. Den müsste man erschießen.»
«Würde nichts helfen. Mittlerweile mischt auch die Polizei mit. Sie hat mich vor kurzem angerufen. Die wollen mit mir reden.»
«Worüber wollen die mit dir reden?»
Tscharli wusste die Antwort. Sie würden ihn nach einem Alibi fragen. Offenbar hatte der Baron mit seiner Drohung Ernst gemacht und ihn beim zuständigen Commissario in der Bozner Quästur angeschwärzt.
«Das weiß ich auch nicht», log Tscharli. «Wahrscheinlich eine stinknormale Zeugenbefragung.»
«Das glaubst ja selber nicht. Was, bitte schön, könntest du bezeugen? Dass die Laura eine Freundin von der Dobra war? Das werden sie wohl schon rausbekommen haben. Nein, die haben dich im Verdacht, dass du was mit ihrem Tod zu tun haben könntest. Wirst sehen. Das hat sich wahrscheinlich wieder dieser Depp von Baron ausgedacht.»
Wie recht der Ludwig doch hatte, dachte Tscharli. Aber zugeben würde er es nicht.
«So ein Schmarrn. Die Laura wurde von einem Serientäter umgebracht, der es auf Joggerinnen abgesehen hat. Was sollte ich mit Lauras Tod zu tun haben? Du doch auch nicht, habe ich recht?»
«Ich sitze in Mals, vor meiner Haustüre wurde sie nicht ermordet. Außerdem habe ich wirklich kein Motiv. Trotzdem …»
«Ja?»
«Trotzdem muss die Polizei nicht wissen, dass ich die Laura gekannt habe. Musst also nichts sagen.»
Aha, daher wehte der Wind. Der Ludwig hatte Schiss.
«Nein, muss ich nicht. Aber du hättest dem Baron auch nichts von mir und der Dobra erzählen müssen.»
«Sorry, da hab ich nicht nachgedacht.»
Tscharli kam in den Sinn, dass das eine der netteren möglichen Erklärungen war. Vielleicht aber hatte der Ludwig ihn auch mit Absicht verpetzt. Weil er eine Drecksau war.
«Okay, dann machen wir einen Deal», schlug er dennoch vor. «Ich sag nichts, aber du auch nicht. Wir haben die Laura beide nicht gekannt. Das hält uns den Baron und die Bullen vom Leib.»
«Einverstanden. Laura Sabitzer? Wer soll das sein? Tscharli, mein Bester, pass auf dich auf. Servus und pfiati.»