Emilio war bester Stimmung, als er von Klausen nach Bozen fuhr. Daran konnte auch Sandrinis Anruf nichts ändern, der ihn nun doch am Nachmittag in der Quästur sehen wollte. Selber schuld, dachte er, den Vorschlag hatte er selber gemacht.
Emilio war unterwegs zum rechtsmedizinischen Institut von Professor Turmstaller. Zuvor allerdings fuhr er beim Weingut Frattini vorbei, wo sie gestern die Magnumflasche Cabernet vergessen hatten, denn es war nur ein kleiner Umweg.
Weil er seinen Besuch telefonisch angekündigt hatte, wurde er von Felix Leitstaller erwartet. Emilio bedankte sich auch im Namen von Phina für den wunderbaren Abend. Felix sagte, es wäre ein Vergnügen gewesen, sie als Gäste zu haben. Auch seine Frau Angelika habe die Stunden sehr genossen.
Na bitte, mehr konnte man nicht erwarten. Emilio erinnerte der Smalltalk an sein früheres Leben, als auf die Einhaltung der Etikette noch großen Wert gelegt worden war. Sie setzten sich in eine Besucherecke. Emilio trank ein Glas Wasser. Felix zündete sich eine Zigarette an. Schon hatten sie ein Gesprächsthema. Durfte man als Winzer und Sommelier rauchen? Für die Geschmackspapillen an der Zunge und den Geruchssinn war Rauchen Gift. Felix winkte lachend ab. Natürlich sei das abträglich, aber er rauche grundsätzlich nicht vor einer Weinverkostung. Und auch sonst viel weniger als früher. Emilio gab zu, selber gerne mal eine Zigarre zu rauchen. Aber nicht in Anwesenheit von Phina, die würde ihn sofort an die frische Luft setzen.
Es stellte sich raus, dass beide nach einer Degustation gerne ein Bier tranken. Zur Erfrischung und um runterzukommen. Felix erzählte, dass ihn Laien oft überrascht ansprachen, wenn sie ihn ein Bier trinken sahen. Als ob das ein Sündenfall wäre. Dabei teile er diese Passion mit vielen Weinmachern.
Emilio schaute auf die Uhr. Er sollte sich beeilen, Professor Turmstaller hatte bald Mittagspause.
Er entschuldigte sich, aber leider müsse er schon wieder aufbrechen.
Felix drückte die Zigarette aus und eilte davon, um die Flasche zu holen.
Fünf Minuten später saß Emilio wieder am Steuer seines Landy. Das Holzkistchen mit dem Cabernet auf dem Beifahrersitz. Sicherheitshalber hatte er es angeschnallt.
Im rechtsmedizinischen Institut angekommen, ging Emilio gleich hinauf in den ersten Stock, wo der Professor sein Büro hatte. Mittlerweile kannte er sich im Haus aus. Er klopfte und trat ein. Mit einer Einkaufstüte in der Hand.
«Was bringen Sie mir denn Schönes mit?», fragte Turmstaller. «Etwa Kaminwurzen vom Markt?»
«Gerne das nächste Mal. Heute habe ich Arbeit dabei.»
«Sie machen mich neugierig. Lassen Sie sehen.»
Emilio legte das Röhrchen mit Tildas Blutprobe auf den Tisch. Und ein weiteres Röhrchen mit einem Wattestäbchen.
«Professor, Sie erinnern sich an unser letztes Gespräch und an die Möglichkeit, eine Vaterschaft anhand einer Blutprobe und eines Speicheltests nachzuweisen.»
Turmstaller grinste. «Ich erinnere mich sehr wohl daran. Übrigens wird bei der sogenannten Speichelprobe in Wahrheit Zellmaterial von der Mundschleimhaut gesichert. Daraus lässt sich dann ein DNA-Profil erstellen. Ich hoffe, Sie haben den Wangenabstrich korrekt ausgeführt.»
Emilio nickte. «Habe ich mir mal bei einem Massentest der Kriminalpolizei zeigen lassen.»
Turmstaller betrachtete das Röhrchen mit der Blutprobe.
«Sagen Sie bloß, die Probandin hat ihr Blut freiwillig rausgerückt. Oder haben Sie sie dazu fesseln und knebeln müssen?»
«Nichts dergleichen. Ich habe ihr eine erfundene Geschichte von einer Erbkrankheit aufgetischt. Um eine Übertragung auf das Kind auszuschließen, bedürfe es eines Bluttests. Daraufhin hat sie freiwillig mitgemacht.»
Turmstaller drohte ihm schmunzelnd mit dem Finger. «Ziemlich raffiniert. Aber hinterhältig.»
Emilio war klar, dass der Professor ahnte, dass es beim Vaterschaftstest um ihn selbst ging. Aber er war so diskret, dies nicht auszusprechen.
«Womöglich nicht hinterhältiger als die Vorspiegelung einer falschen Vaterschaft», merkte Emilio an.
«Dieser Auffassung würde ich mich anschließen. Rufen Sie mich morgen ab elf Uhr an. Dann kann ich Ihnen sagen, ob Sie …» Turmstaller räusperte sich. «Ich wollte sagen, ob der präsumtive Vater auch der veritable Erzeuger ist. Passt das?»
«Wunderbar. Vielen Dank. Darf ich Sie noch mit einem zweiten Anliegen behelligen? Diesmal in offizieller Mission. Es geht um die ermordete Dobra …»
In der Folge knüpfte Emilio an ein Gespräch an, das sie mal geführt hatten. Und daran, was der Professor als Möglichkeit in Aussicht gestellt hatte. Jetzt sei es soweit, sagte Emilio, die Probe aufs Exempel zu machen.
Turmstaller rieb sich erfreut die Hände. Endlich mal eine wirkliche Herausforderung, sagte er. Bei erfolgreichem Ausgang wäre ihm eine Veröffentlichung im Fachmagazin der forensischen Pathologen sicher. Er werde sich sofort an die Arbeit machen. Die Mittagspause sei hiermit gestrichen.
«Der Commissario weiß nichts von diesem Spezialauftrag», merkte Emilio an.
«Macht nichts. Er würde ihn sowieso nicht verstehen.»
Damit tat er ihm unrecht, dachte Emilio. Sandrini brauchte nur etwas länger. Irgendwann fiel auch bei ihm der Groschen.