Vertigo Stray Cat Tommy
Das nervöse Piepen der Maschinen erinnerte Tommy an seine letzte Verabredung. Ein Arzt und zwei Schwestern liefen pflichtbewusst an ihm vorbei, er lauschte teilnahmslos ihren lauten Stimmen und kramte in den weiten Hosentaschen. Doch als er auf die Mutter traf, mit ihren roten Augen, den bebenden Lippen und dem Leiden im Gesicht, regte sich etwas in ihm. Neugierig näherte er sich der schwarzhaarigen Frau mit dem blassen Teint.
Sie stammelte unter seinem stechenden Blick: »Er kann nicht … Mein Sohn … er atmet nicht. Mein Gott, warum nicht?«
Mehr sich als sie tröstend hob Tommy die Hand und berührte sie sanft an der nackten Schulter. Dann zwirbelte er einen Hautlappen zwischen Zeigefinger und Daumen, stieß seine harten Nägel in ihr Fleisch und lächelte. Die weißen Handschuhe verminderten ihren Schmerz nur minimal, wie er zufrieden an der geröteten Stelle und den erschrockenen Augen der Frau feststellte. Sie blieb stumm. Er wusste, dass dies ein Schuldeingeständnis war. All der Ablenkung durch das kranke Kind verdankte er jenen wunderbar intimen Moment. Ein wenig übermütig lehnte er sich noch weiter zu ihr vor.
Sie wich zurück, doch die Wand in ihrem Rücken ließ sie nicht entkommen. Also legte er ihr seinen viel zu großen Kopf auf die Schulter und raunte ihr zu: »Du bist es. Du allein.«
Einige Speicheltröpfchen hatten sich dabei auf ihrem Ohr verteilt, die er sorgfältig mit seinen behandschuhten Fingern in ihre Haut rieb.
Sie starrte zu Boden.
Er folgte ihrem Blick auf die viel zu engen Pumps. Die Einfassung – vermutlich aus billigem Kunstleder – schnitt in ihr geschwollenes Fußfleisch. Er leckte sich die Lippen.
Seine zweitliebste Mahlzeit kochte er nicht. Zuviel des Geruchs und Geschmacks gingen dabei verloren, auch wenn sich das Zischen von Fett und das Platzen des Gewebes lustig anhörte. Wie gerne fraß er sich in die weiche Stelle zwischen Fußballen und Ferse, vor allem, wenn die Spenderin vorher lange in Schuhen umhergelaufen war und sich das schweißfeuchte, leicht käsige Aroma voll entwickelt hatte.
Er lächelte. Ohne sich umzudrehen, ging er zwei Schritte zurück und verbeugte sich hingebungsvoll. Dann setzte Tommy der Clown seine morgendliche Bespaßungsrunde im Krankenhaus fort. Und obwohl er immer wieder zum Zimmer von Michael zurückkehrte, dessen Zustand sich zwischenzeitlich stabilisiert hatte, traf er Schneewittchen, wie er die Mutter nannte, nicht mehr an. Er ärgerte sich über ihr erneutes Fehlverhalten. Er hatte es ihr doch gezeigt! Offenkundig wollte sie nicht verstehen, was sie ihrem Kind antat. Sie musste es schützen. Und trösten. Trösten war so wichtig! Aber er war geduldig, Geduld hatte er gelernt.
Die ganze Nacht dachte er über seine Auserwählte nach, darüber, wie er ihr den richtigen Weg zeigen konnte. Er hatte extra seine Tabletten nicht eingenommen, damit er wach blieb.
Am nächsten Morgen fühlte er sich unglaublich erschöpft – trotzdem brauchten ihn die Kinder, besonders ein bestimmter Junge. Also stand er auf, zog das Clownskostüm an und schminkte sich. Zuletzt setzte er das Hütchen mit der angenähten Perücke auf und betrachtete sein Spiegelbild. Er mochte sich selbst lieber in Verkleidung, und auch die anderen Menschen behandelten ihn freundlicher, wenn er sein wahres Ich verbarg. Zwar hatte er gelernt, sich den meisten Blicken zu entziehen, beinahe mit der Umgebung zu verschmelzen, doch manchmal erwischten ihn junge, bösartige Männer und taten ihm, der Missgeburt, weh. Die Gene hatten es ähnlich schlecht mit ihm gemeint wie seine Eltern. Mit viel zu großen Händen und Füßen, einer von Adern durchzogenen, permanent roten und knotig verdickten Kartoffelnase in einem aufgedunsenen Gesicht war Tommy beileibe kein schöner Anblick. Dazu musste er nicht in den Spiegel sehen, denn jedes seiner unfreiwilligen Gegenüber teilte ihm dies auf die eine oder andere Art und Weise mit. Dicke, fast schwarze Augenringe und die labbrigen Ohren, die von seinem riesigen, unförmigen Kopf abstanden, als wollten sie selbst das Weite suchen, gaben seiner Hässlichkeit den letzten Schliff. Daher verschwand er gerne für ein paar Stunden hinter der lustigen Maskerade. Außerdem mochte er Kinder. Vor allem solche wie Michael, die etwas schüchtern, aber immer dankbar waren.
Der Junge lag allein in dem Zimmer und wirkte verloren in dem viel zu großen Bett. Doch als er Tommy bemerkte, lächelte er zaghaft und es dauerte nicht lange, bis er und der Clown glucksend auf dem Krankenbett saßen. Nach einer Weile knabberte Schneewittchens Sohn sichtlich nervös an seinem Daumen, bevor er seinem Gegenüber kurz in die Augen sah.
»Darf ich was fragen?«
Tommy bejahte mit überschwänglichem Kopfnicken und baute ein Luftballontier, um Michael nicht durch überhöhte Aufmerksamkeit zu verunsichern. Ihn hatte das als kleinen Jungen immer irritiert und furchtbar
verlegen gemacht.
»Hast du ein Stofftier?«
»Tommy ist zu groß für Stofftiere. Aber Tommy hatte früher viele, viele Stofftiere.«
»Mein Bär ist zu Hause. Mama hat ihn nicht mitgenommen.«
»Wann kommt Mama denn wieder?«
»Weiß nicht. Bald?«
»Magst du Schokolade?«
Die leuchtenden Augen des Jungen waren Antwort genug, sodass der Clown angestrengt in seinen Hosentaschen zu suchen begann, bis er einen Schokoriegel hervorzauberte und dem Kind überreichte. Dann legte er den Zeigefinger vor den Mund und sagte: »Aber pst! Darf keiner wissen. Ist unser Geheimnis, okay?«
»Okay.«
»Tommy muss jetzt gehen, aber Tommy kommt bald wieder.« Und er kehrte tatsächlich schnell zurück. In seiner Mittagspause hatte er sich wie so oft zu Frederike in das Schwesternzimmer gesetzt; ihrer Erzählung über das vergangene Wochenende folgte er allerdings nur, bis er Schneewittchen über den wenig belebten Gang der Kinderstation huschen sah. Es verschwand mit eingezogenen, heute schamhaft bedeckten Schultern und einem unsicheren Blick in die Richtung von Michaels Zimmer.
Tommy kostete es reichlich Mühe, die Frau nicht wie ein geiler Hund anzuspringen.
Frederike fragte ihn, ob alles in Ordnung sei, doch anstatt ihr zu antworten, legte er einen Schokoriegel auf den Tisch und winkte ihr zum Abschied.
Zunächst suchte er die Besuchertoilette auf. In einer der Kabinen ließ er die weiten Hosen zu Boden fallen, griff mit den immer noch behandschuhten Fingern nach seinem Schwanz und begann zu pumpen. Dabei stellte er sich den intimen Augenblick vor, den er tags zuvor mit Schneewittchen geteilt hatte. Es war gut, dass er Fantasie hatte. Denn sein Schwanz war genauso hässlich wie sein Gesicht. Unförmig, mit einer übergroßen Eichel, komisch gebogen und voller rötlich-violetter Adern. Und ein Blutpenis, wie ihm einmal erklärt worden war – der Grund, warum sich der kleine Clown beinahe versteckte, wenn Tommy nicht geil war. Doch Schneewittchen machte ihn mehr als geil. Wie ein Wahnsinniger bearbeitete er seinen Schwanz, bis es endlich wehtat. Er kam wenige Minuten später, spritzte ein bisschen Sperma in ein leeres Schokoladenpapier und steckte es zusammengeknüllt in seine Hosentasche. Leichten Fußes ging er zurück zu Michaels Zimmer und betrat es nach seiner typischen Klopffolge. Tommy winkte dem Jungen zu und musterte seine Auserwählte. Als er seine Clownslache ertönen ließ, glaubte er, sie erschaudern zu sehen. Er setzte sich zu Michael aufs Bett, sodass die Mutter den Stuhl zurückschieben musste, wenn sie nicht Knie an Knie zu ihm sitzen wollte. Aber sie war stärker, als er dachte.
Für kurze Zeit erlaubte sie ihm diesen Moment der Vertrautheit, den er in vollen Zügen auskostete.
Tommy wippte mit dem rechten Bein und schob es immer weiter an ihre fleischigen Schenkel heran. Doch bevor er ihre Wade berühren konnte, sprang sie auf, ging zum Fenster und blickte hinaus. Zitterte sie? Ihre Tasche stand halb geöffnet neben dem Stuhl. Wieder hob der Clown seinen Zeigefinger vor den Mund, und nach einem kurzen Nicken des Jungen holte er das Schokoladenpapier mit seinem Samen hervor und ließ es in der schwarzen Ledertasche verschwinden. Danach lachte er noch einmal und baute einen Luftballonbären, den er zum Abschied auf Michaels Bett setzte.
Zu Hause erlebte Tommy den geilsten Orgasmus seines Lebens. Die Vorstellung, wie die Liebste das kleine Geschenk in ihrer Tasche fand, erregte ihn unsagbar. Hatte sie es gerochen? Vermutlich verzog sich ihr viel zu roter Mund steil nach unten, sodass die Falten ihr wahres Alter offenbarten. Vielleicht hielt sie auch die Hand vor das Gesicht und den Atem an. Benutzte sie Handschuhe, um seinen Samen mit spitzen Fingern aus ihren Sachen zu entfernen? Möglicherweise roch die Tasche noch nach ihm. Das wäre wundervoll. Wie gerne hätte er sie dabei beobachtet, zugesehen, wie ihre kleinen, schmalen Augen sich vor Überraschung weiteten und dann aus Ekel zu Schlitzen verengten. Und ihr wieder den Kopf auf die Schulter gelegt, ihr in die erröteten Ohren geflüstert, die Muschel angehaucht, sie mit seinem feucht-faulen Atem berührt. Mit unförmigen Zehen ihre geschwollenen Füße befühlt, die Nägel in ihrer Haut vergraben, mit der Zunge ihr Blut aufgeleckt und das wabbelige, weiße Fleisch angeknabbert. Mit seinen Eckzähnen hätte er einige Bröckchen herausgerissen und sie schmatzend genossen, während Schneewittchen ihn mit angstgeweiteten Augen anstarrte und zu verstehen versuchte. Das taten sie meistens, aber wie sollte er jemandem erklären, dass es nichts Intensiveres gab, als einen anderen, erregenden Körper in sich aufzunehmen? Niemand wollte es begreifen und deswegen blieb er immer irgendwann allein zurück. Dabei verzehrte er sich danach, Schneewittchen zu behalten!
Noch nie hatte er so eine starke Anziehungskraft gespürt – er wusste, sie war die Richtige. Seine letzte Auserwählte hatte ihn sehr früh verlassen, aber Schneewittchen würde bestimmt länger bei ihm bleiben. Meistens merkte er schon beim ersten Treffen, wie sein Interesse von Minute zu Minute ins Bodenlose sank. Dann stellte er sich vor, dass die Haut der Frau wie von Geisterhand überall aufriss und dickflüssige Tropfen, rot und gelb, herausspie, die auf dem Boden eine klebrige Pfütze bildeten. Am liebsten würde er mit seinen großen Schuhen hineinspringen, alle Menschen um sich herum bespritzen und dabei lachen, so laut er nur konnte. Danach würde er dafür sorgen, dass sie alle ihre Tröpfchen verlören. Sie könnten sich gemeinsam in den Pfützen wälzen, er würde sich über ihre zuckenden und bald schon leblosen Körper rollen, in seinen weiten Hosen, die so schön gegen seinen Schwanz rieben.
Bei Schneewittchen war das anders, jede Minute in ihrer Nähe glich purem Adrenalin in seinen Adern. Er wollte mehr als nur eine Verabredung mit ihr und beschloss, seiner Liebsten ein weiteres Geschenk zu machen. Und er wollte dabei sein, zusehen, wenn sie es empfing.
Am nächsten Morgen war Tommy immer noch so beschwingt von diesem Gedanken, dass die Stunden verflogen, die er in der örtlichen Müllverbrennungsanlage arbeitete, um nicht aufstocken zu müssen. Wer konnte schon vom Gehalt eines Clowns leben, der zwei bis drei Mal pro Woche Krankenhäuser und Altenheime besuchte? Unmaskiert, wie er heute war, konnte er seine Stippvisite bei der Liebsten machen, ohne Gefahr zu laufen, von einer Schwester oder ihr selbst erkannt zu werden. Bestimmt hatte sie die Abwesenheit des Clowns bereits bemerkt.
Sein Weg führte ihn direkt auf die Kinderstation, mit dem Rücken an der offenen Tür des Schwesternzimmers vorbei und zu Raum 103. Nachdem er sich kurz auf dem Gang umgesehen hatte, legte er seinen Kopf an die Tür und lauschte. Es war nichts zu hören, doch er nahm einen Duft wahr, der ihm eindeutig Schneewittchens Anwesenheit verriet. Das wenig edle Parfum übertünchte den Klinikgeruch, seit sie sich kennengelernt hatten. Aufgeregt holte er einen roten Ballon aus seiner Hosentasche, den er schnell aufblies und auf die Türschwelle legte. Dann klopfte er drei Mal und verschwand ein paar Meter entfernt in einem Abstellraum, der nie abgeschlossen wurde. Er hoffte so sehr, dass sie sich zeigen würde. Seine Hände begannen zu schwitzen und er musste sich darauf konzentrieren, still zu stehen und die angelehnte Türe, durch deren winzigen Spalt er Michaels Raum beobachtete, nicht zu weit zu öffnen. Fast hätte er vor Freude gejauchzt, als es endlich passierte: Schneewittchen stand auf der Schwelle und blickte sich fragend um. Durch den Windhauch war der rote Luftballon ein kleines Stück zurück in den Gang geschwebt und rollte nun im Halbkreis hin und her. Tommy musste noch einige Augenblicke warten, bis seine Liebste das Geschenk sah. Als er ihrer fassungslosen Miene gewahr wurde, entfuhr ihm ein kleiner Seufzer. Von dem Geräusch hochgeschreckt, starrte sie in seine Richtung. In der dunklen Kammer konnte sie ihn unmöglich ausmachen.
Trotzdem hielt er den Atem an und verfolgte jede noch so kleine Muskelzuckung seiner Auserwählten. Allein die Vorstellung, was passieren würde, wenn sie zu ihm ging und ihn entdeckte, was er tun könnte oder sollte, damit sie nicht das Klinikpersonal auf ihn hetzte, erregte ihn ungemein. Er dachte an das Messerchen mit der scharfen Klinge in seiner Hosentasche. An das Gefühl warmen Fleisches auf Zunge und Gaumen, das langsame Aufreißen von Haut, wenn man nur lange und fest genug mit den Zähnen daran riss. Und an Tröpfchen, rote Tröpfchen.
Leider wagte sie sich nicht zu ihm in die Dunkelheit hinein, sondern verschwand in Michaels Zimmer. Die Bewegung des Ballons erstarb allmählich und Tommy blieb enttäuscht zurück. Sie hatte das Geschenk nicht angenommen, noch nicht einmal berührt! Mit dem Spielzeug in der Hand verließ er das Krankenhaus und wartete auf einer unbesetzten Bank gegenüber dem Haupteingang. Seine Geduld wurde nicht geprüft, da die Frau bald darauf dem Klinikum entfloh. Obwohl ihre Augen hektisch hin und her flatterten, fehlte ihr der Blick für seine hässliche Gestalt. Also folgte er ihr in großem Abstand in die Tiefgarage. Er lief ein paar Schritte, die laut durch das Gebäude hallten, und versteckte sich hinter Säulen und Autos, wann immer sie sich umdrehte. Als sie an einem der belegten Frauenparkplätze anhielt und nervös nach ihrem Schlüsselbund suchte, pirschte Tommy sich im Schutz eines Lieferwagens an sie heran. Er betrachtete ihre verkrampften Beine, den zusammengekniffenen Arsch, die zitternden Hände und gluckste zufrieden. Von diesem viel zu nahen Geräusch ließ sich seine Auserwählte so sehr erschrecken, dass der Schlüssel klimpernd zu Boden fiel. Es war ein perfekter Augenblick, um sich auf sie stürzen, sein hässliches Gesicht, seine wulstigen Finger und seine dicke Zunge in ihr Fleisch zu drücken. Aber es war noch nicht so weit. Während sie sich schon fast panisch in den silberfarbenen Kleinwagen warf, dessen Kennzeichen er sich intuitiv einprägte, begab er sich zurück zur Ausfahrt und band den Ballon an die Schranke. Er wartete jedoch nicht auf sie, denn sie hatte ihn schließlich mit ihrer Zurückweisung verletzt und verdiente ein bisschen Liebesentzug.
Tag um Tag schäkerten sie so miteinander: Er machte ihr wunderbare Geschenke, und sie weigerte sich, diese anzunehmen oder wenigstens ihre Freude hierüber zu zeigen. Wenn er unkostümiert von der Müllverbrennungsanlage kam, konnte er sie in aller Ruhe beobachten, ihr heimlich ganz nahe sein. Und als Clown durfte er sich Albernheiten erlauben, die einem Mann wie ihm verboten waren. Natürlich erschreckte er sie auch immer wieder – das gehörte schließlich zu ihrem schönen Spiel dazu.
Eines Nachmittags erzählte ihm Michael jedoch freudestrahlend, dass er in zwei Tagen entlassen werden würde. Nein! Nein! Nein! Tommy sprang vom Bett auf. Das durfte nicht passieren, nicht jetzt. Er musste etwas tun. Seine Hand strich wie von selbst über das Messer in seiner Tasche. Aber Michael war doch ein guter Junge! Unentschlossen trat er von einem Fuß auf den anderen und spürte die ersten Anzeichen von Schweiß auf der weiß geschminkten Stirn, als Frederike das Zimmer betrat und das bislang leere Bett neben ihnen bezog.
»Ist toll, oder?«
»Ist toll. Tommy freut sich für dich. Tommy ist nur traurig, weil er dich dann nicht mehr sehen wird.«
»Kannst du nicht zu mir kommen?«
»Wo wohnst du denn?«
»In dem riesigen blauen Haus in der Königsstraße, ganz oben.«
»Dann kommt Tommy dich besuchen.«
Oder Schneewittchen.
In das Treppenhaus des Gebäudes gelangte er ohne Probleme, nachdem er sämtliche Klingeln des Mehrfamilienhauses gedrückt hatte. Von Michael wusste er, dass in der Blumenampel neben der Wohnungstür ein Ersatzschlüssel für diese versteckt lag. Erfreut über die Einfachheit seines Unterfangens und trotzdem ein wenig schüchtern sah er sich im Zuhause der Liebsten um. Ihr Schlafzimmer war der erste Raum auf der linken Seite, gefolgt vom Bad und dem Kinderzimmer. Rechts gab es nur einen Abstellraum mit Putzsachen, während der lange Flur in die offene, leicht gebogene Wohnküche führte. Wenn Schneewittchen seinen üblichen Tagesablauf beibehielt, würde es in etwa einer Stunde heimkommen. Er hatte also noch ein bisschen Zeit für die Vorbereitungen. Zunächst testete er, aus welcher Entfernung er die kleine HiFi-Anlage mit der Fernbedienung ansteuern konnte und stellte die angemessene Lautstärke für sein Lieblingslied ein, das den meisten Menschen lediglich als Zirkusmarsch bekannt war.
Das winzige Badezimmer eignete sich perfekt für seinen Plan, denn der einzige Lichtschalter befand sich innen. Natürlich gab es keine gefährlichen Gegenstände, die Schneewittchen plötzlich als Waffe benutzen konnte. Außer vielleicht den Scherben, die er voller Vorfreude aus dem Spiegelschrank über dem Waschbecken herausgeschlagen und sorgfältig auf dem Boden verteilt hatte. Erst konnte er sich nicht so recht entscheiden, wo genau er die Mausefallen platzieren sollte, doch nach ein paar Versuchen war er schließlich zufrieden mit seinem Werk und trällerte lustvoll: »Der Letzte macht das Licht aus!« Er zerschmetterte die Glühbirne der Deckenlampe und ihren weißen Schirm gleich mit. Zur Beruhigung blies er einige rote Luftballons auf, ließ sie sachte herabregnen und verließ das Bad mit dem Schlüssel in der Hosentasche.
Danach begab er sich in das Schlafzimmer und legte eine Überraschung für seine Liebste auf die offenbar unbenutzte Seite des Bettes. Zwar waren beide Decken und Kissen aufgeschlagen, doch nur auf dem linken Nachttisch fand sich mehr als eine dünne Staubschicht: Hinter dem braunen Reisewecker stand eine überdimensionierte Nachttischleuchte, die von einem hässlichen Milchglasschirm umgeben war, den er vor Ekel fast zerschlagen hätte. Noch musste er sich zurücknehmen. Also öffnete er stattdessen ihren Kleiderschrank, wühlte in ihrer Unterwäsche herum und nahm einen Slip heraus. Dafür legte er einen kleinen Spielzeugclown hinein, den er selbst bemalt hatte. Seine Fingerkuppen kitzelten erwartungsvoll.
Als sie endlich kam, war Tommy schon sehr ungeduldig, fast schon ärgerlich darüber, dass sie sich am Tag ihres ersten ganz privaten Treffens so wenig Mühe gab. Zunächst stand sie wie angewurzelt im Flur, denn vermutlich hatte sie in diesem Moment realisiert, dass die Wohnungstür nicht abgeschlossen war. Doch dann schüttelte Schneewittchen leicht den Kopf, zog seine Schuhe aus und begab sich in das Schlafzimmer. Vermutlich hatte es schon öfter gedankenverloren die Tür hinter sich zugezogen, ohne abzuschließen. Tommy konnte Frauen in ihrem Alter gut lesen. Lautlos trat er aus dem Kinderzimmer heraus und näherte sich seiner Auserwählten, während sie sich umzog und ihm ihr weiches, etwas wabbeliges Fleisch in Unterwäsche präsentierte. Er mochte ihren Arsch. Natürlich würde sie sich als erstes unter die Dusche stellen, und natürlich würde sie den Weg dorthin nicht nackig zurücklegen, obwohl ihr Sohn nicht zu Hause war. Leise zog Tommy sich zurück. Er passte exakt den Moment ab, an dem sie die Tür zum Badezimmer öffnete. Dann drückte er Play auf der Fernbedienung und der Marsch Einzug der Gladiatoren startete in nicht gerade ohrenbetäubender, aber doch vernehmbarer Lautstärke. Sie schrie auf und wirbelte herum; als sie ihn jedoch sah, erstarrte sie für ein paar Sekunden. In diesem Moment ertönte seine Lieblingsstelle in Julius Fučíks Musikstück und Tommy summte mit, während er mit einem Fuß den Takt mitschlug. Ihre schönen Kuhaugen weiteten sich und sie stolperte rückwärts ins Badezimmer, knallte die Türe zu und drückte verzweifelt auf dem Lichtschalter herum. Er hörte das Klacken ihrer kümmerlichen Nägel auf dem Plastik, dann das Kratzen über Metall, als sie im Dunkeln vergeblich nach dem Schlüssel suchte. Ob sie sich schon die Fingernägel ruiniert hatte? Ohne Eile näherte er sich, schloss die Türe zu und lehnte sich lächelnd dagegen. Im Bad war es still geworden. Doch Tommy fühlte, dass sie ganz nahe war. Vielleicht trennte sie im Augenblick nur das dünne, weiße Holz. Er hörte sie mehrmals stoßhaft ein- und ausatmen, bevor sie sprach.
»Was willst du von mir?«
»Tommy mag dich.«
»Warum erschreckt mich Tommy dann?«
»Tommy macht nur Spaß.«
»Spaß? Spaß nennst du das?« Jetzt bebte ihre Stimme. Endlich. Schnell schlug er mehrmals gegen die Tür, und Schneewittchen schrie erneut auf. Den klatschenden Lauten, dem Knirschen und dem Wimmern entnahm er, dass sie über den Boden gerutscht war und sich dabei ihre weiße Haut an den Scherben zerschnitten hatte. Er hoffte, sie würde an den Oberschenkeln bluten, denn es erregte ihn immer am meisten, wenn er der roten Spur mit Fingern, Mund und Zunge folgen durfte. Ein schnappender Laut, gefolgt von einem Kreischen, holte ihn zurück aus seinen lustvollen Gedanken und er begann, wie wild in die Hände zu klatschen. Die Mausefallen. Die Mausefallen! Tommy liebte Ohrenkino. Nur die Luftballons wollten leider nicht platzen. Er wartete noch ein wenig, bis er lediglich ein leises Wimmern hören konnte. Dann schloss er die Tür auf und öffnete sie so weit, dass genügend Licht aus dem Flur einfiel. Schneewittchen hatte sich in die Dusche geschleppt. Als er so vor der Liebsten stand, die sich angstvoll an die Wand hinter sich kauerte, bedauerte er, dass er dort kein Geschenk für sie hinterlegt hatte. Er setzte sein unschuldigstes Lächeln auf, kniete sich zu ihr und sagte: »Tommy ist da, Tommy passt auf dich auf.«
Sie wehrte sich nicht, als er sie umfasste und wie seine Braut ins Schlafzimmer trug. Vorsichtig legte er sie auf das Bett und streichelte ihr samtenes schwarzes Haar.
Sie öffnete den Mund, schloss ihn wieder, öffnete ihn erneut, doch die Töne blieben ihr versagt. Das war nicht schlimm, denn in der Wohnküche lief immer noch der Zirkusmarsch. Tommy war stolz auf sich, weil er daran gedacht hatte, die automatische Wiederholung des Titels einzustellen. Er sah sie zärtlich an und wisperte: »Nicht mehr weinen.« Mit seinen dicken Wurstfingern rieb er die Tränen aus ihrem Gesicht und betatschte ungeschickt ihre viel zu roten Lippen. »So weich. Tommy will küssen.«
»Bitte … Bitte, lass mich gehen.«
»Nicht Tommy alleine lassen.«
»Ich komme wieder, ich verspreche es dir, ich muss nur noch …«
Ein schmatzender, vor Nässe triefender Kuss beendete ihre Lüge. Tommy wusste immer, wenn sie logen. Er konnte es in ihren schönen Kuhaugen sehen.
»Tommy mag keine Lügen.«
Sie war schnell, als sie sich auf die andere Seite des Bettes rollte, aber auf die riesige Spritzblume, die er unter der Tagesdecke versteckt hatte, war sie nicht gefasst. Das kalte Wasser beschoss das schreiende Schneewittchen. Er gluckste voller Freude, da es tatsächlich beim ersten Versuch die Pumpe getroffen hatte, sodass der Streich glückte. Vor Lust bebend ergriff er die nasse Frau und presste sie an sich. Damit sie ihm nicht wieder entwischte, legte er sich mit seinem ganzen Gewicht auf sie. Dann presste er ihr sein hässliches Gesicht in die Kuhle zwischen Hals und Schulter, atmete ihren Duft ein und wurde sofort steif. Seine Zunge leckte gierig über die kleinen Falten, während seine rechte Hand die viel zartere Haut unter ihrem Slip befühlte. In diesem Moment wurde ihr stetiges Wimmern von einem gellenden Schrei um Hilfe abgelöst, den Tommy schnell mit beiden Händen dämpfte. Er sah sie wütend an und flüsterte: »Pst! Sonst machst du Tommy böse.« Seine Finger fuhren wie in Gedanken über ihren Mund und er versuchte vergeblich, sie hineinzustecken. Mit aller Kraft drückte er ihre aufeinandergepressten Kiefer auseinander, seinen Daumen in ihren Mund und bohrte den Fingernagel tief in ihre Zunge. Sie biss so fest zu, dass er aufschrie. Die unverletzte Hand umschloss ihren Kehlkopf, während er fassungslos seinen blutigen Daumen betrachtete.
»Jetzt ist Tommy böse.« Er wartete eine Weile, bis er den Griff löste.
Japsend kippte sie zur Seite und schnappte gierig nach Luft. Mit einer geübten Bewegung umfasste er ihr linkes Handgelenk und drückte es gegen die oberste der weißlackierten Streben des Kopfteils, wo er es mit einem grünen Chiffontuch festband. Erst als er das Gleiche mit ihrer Rechten machen wollte, begann sie sich zu wehren. Obwohl sie keine Chance gegen ihn hatte, wurde er allmählich wütend. Er versuchte schließlich, einen schönen Abend mit ihr zu verbringen und sich Zeit für sie nehmen, doch sie machte alles kaputt. Das zweite Jongliertuch zog er enger zu als nötig, so fest, bis sich die Haut darüber wölbte, und es fühlte sich gut an – für ihn. Ein weiteres Mal riss sie undankbar an ihren Fesseln, und er schlug ihr mit dem Handrücken ins Gesicht. Mit brachialer Gewalt stopfte er ihr den zuvor geklauten Slip in den Mund und fixierte ihn dort mit einem anderen Jongliertuch. Gut, dass er durch seinen Job so viele davon hatte.
Ihr Körper war abermals in Starre verfallen. Er drückte ihre Beine auseinander und setzte sich zwischen ihre Oberschenkel. Seine plumpen Finger berührten das weiße, weiche Fleisch der Innenseiten, bevor er seine Hand unter ihre Arschbacken schob und kräftig zudrückte. Auch das verleitete sie zu keiner Reaktion. Sie hätte sich wenigstens etwas Mühe geben können! Von nun an wollte er keine Rücksicht mehr auf sie nehmen. Mit einem Ruck zog er ihr Höschen herunter und betrachtete interessiert ihre zuletzt vor ein paar Tagen rasierte, beinahe herzförmige Muschi. Zwei Finger drückten sich in den Spalt zwischen äußeren und inneren Schamlippen, erkundeten sie und drückten sie auseinander. Der Geruch betörte ihn. Normalerweise arbeitete er sich von den Oberschenkeln nach unten zu den Füßen, biss überall kleinere oder größere Fleischbrocken heraus und geilte sich am Blutstrom auf, den er erzeugte. Erst viel, viel später nahm er sich die Schamlippen und alles andere vor. Heute verzichtete er auf das Vorspiel, zu wütend, zu geil und zu rastlos hatte ihn der Kampf gemacht. Er schob seinen massigen Körper etwas zurück, um den Kopf bequem gegen ihre Scham pressen zu können. Das führte tatsächlich zu einer Reaktion von Schneewittchen, das sich plötzlich hin und her warf, wieder an den Fesseln riss und hinter dem Knebel vor sich hin winselte. Er atmete feucht auf die Haut der Allerliebsten und biss in ihre Klit, woraufhin sie sich aufbäumte und einen nur mäßig gedämpften Schrei ausstieß. Tommy ließ kurz von ihr ab und lachte ihr ins Gesicht, bevor er seine Zähne beherzt in eine ihrer großen Schamlippen stieß und unter dem Winden und Brüllen der Frau ein kleines Stückchen herausbiss. Er ließ sich den Geschmack auf der Zunge zergehen, kaute und schluckte. Auf dem Laken bildete sich eine Pfütze aus Blut, in die er seine Finger tauchte. Er leckte sie an und schob sie in die Muschi seiner Allerallerliebsten.
Sie drückte sich von ihm weg, in das blutige Laken, als sei es das Schlimmste, was er ihr antun könnte. Mit einem Jauchzen steckte er seinen Kopf wieder zwischen ihre Oberschenkel und begann damit, die andere Schamlippe zu malträtieren. Er wollte ein dickes Stück Fleisch aus ihr herausfressen, das er mit ihr teilen konnte. Vielleicht würde ihn das besänftigen, sodass sie noch ein paar harmonische Stunden zusammen verbringen konnten, bevor er sich von ihr verabschieden musste. Er verbiss sich immer fester, die Frau wand sich umso stärker, und als er den Kopf zurückriss, spritzte ihm ein Schwall warmen Blutes entgegen, während er zwischen den Zähnen und auf seiner Zunge die Belohnung für all seine Mühen spürte.
Zutiefst zufrieden seufzte er. Er schloss die Augen, um sich ganz dem Genuss hinzugeben, doch in diesem Moment setzte die Musik aus. Welch eine Unverschämtheit! Stotternd sprang die CD von einer zur nächsten Stelle, sodass nur noch die beiden Becken und wild verzerrte Laute der Bläser zu hören waren. Wütend wollte er sich vom Bett hieven und die Störung beseitigen, als ihn ein harter Schlag auf den Hinterkopf traf. Erschüttert über diese neuerliche Ungerechtigkeit sah er auf und sein grünes Jongliertuch auf ihn zuflattern. Und er erkannte die Nachttischlampe, die noch zwei Mal auf ihn nieder drosch, bevor sich sein Blick trübte und ihn die Geborgenheit des schwarzen Nichts verschluckte.