Ich habe beschlossen, diese Geschichte nicht selbst zu erzählen.

Zwar bin ich es gewohnt, Romane zu schreiben, aber hier geht es um historische Recherchen. Die Manuskripte beziehen sich auf dokumentierte Ereignisse, auf Orte und Personen, die real existieren (oder vor hundert Jahren existiert haben). Ich habe daher beschlossen, sie so zu lassen, wie sie sind, damit sich beim Lesen jeder ein eigenes Bild von der Angelegenheit machen kann.

Zu Beginn werde ich einen E-Mail-Verkehr wiedergeben, zu dem es einige Tage nach Cattaneos Besuch kam. Ich hatte immer wieder die Visitenkarte zur Hand genommen, aber etwas machte mich stutzig. Dass er eine Gastwirtschaft hatte, traf sicher zu, aber war er wirklich in der Fremdenlegion gewesen? Und was bedeutete »anarchistischer Dichter«? Dann bekam ich eine E-Mail, die mir einige Antworten lieferte. Zusammen mit vielen neuen Fragen.

Von: Magda (magda@casagrande.ch)

An: Andrea (info@andreafazioli.ch)

Gesendet: 11. März, 10:02

Betreff: Ascona-Roman

Lieber Andrea, wie geht es dir? Wir sind hier sehr mit der Book Pride beschäftigt. Wirst du auch

Von: Andrea (info@andreafazioli.ch)

An: Magda (magda@casagrande.ch)

Gesendet: 11. März, 12:34

Betreff: Re: Ascona-Roman

Hallo Magda! Alles gut bei mir, danke! Danke auch für deinen Vorschlag, aber es ist nicht so einfach, Glausers Worten etwas hinzuzufügen. Wie seid ihr an das Manuskript gekommen?

Bis bald, Andrea

Von: Magda (magda@casagrande.ch)

An: Andrea (info@andreafazioli.ch)

Gesendet: 11. März, 13:15

Betreff: Re: Re: Ascona-Roman

Anhang: Glauser_Ascona-Roman.doc

Das Manuskript war hier, im Tessin … seit siebzig Jahren! Ein gewisser Cattaneo hat es gefunden: Es befand sich unter verschiedenen Dokumenten seines Großvaters, der Glauser in der Fremdenlegion kennengelernt

Von: Andrea (info@andreafazioli.ch)

An: Magda (magda@casagrande.ch)

Gesendet: 11. März, 13:18

Betreff: Re: Re: Re: Ascona-Roman

Soviel ich weiß, war auch Aurelio Cattaneo in der Legion. Hat er euch nur den unveröffentlichten Glauser oder auch die Manuskripte seines Großvaters gegeben?

Von: Magda (magda@casagrande.ch)

An: Andrea (info@andreafazioli.ch)

Gesendet: 11. März, 13:18

Betreff: Re: Re: Re: Re: Ascona-Roman

Ich glaub, er hat uns nur den Glauser-Text gegeben. Dann kennst du ihn also?

Von: Andrea (info@andreafazioli.ch)

An: Magda (magda@casagrande.ch)

Gesendet: 11. März, 13:21

Betreff: Re: Re: Re: Re: Re: Ascona-Roman

Vor ein paar Tagen ist er bei mir zu Hause aufgetaucht und hat mir erzählt, er habe einen Koffer voller Manuskripte. Er ist davon überzeugt, dass ich seiner Existenz einen Sinn verleihe, wenn ich die Geschichte seines Großvaters aufschreibe.

An: Andrea (info@andreafazioli.ch)

Gesendet: 11. März, 13:22

 

Betreff: Re: Re: Re: Re: Re: Re: Ascona-Roman

Merkwürdig. Bevor Cattaneo gestern gegangen ist, hat er noch bei Fabio im Büro vorbeigeschaut. Ich versuche mal herauszufinden, ob der mehr weiß.

Von: Magda (magda@casagrande.ch)

An: Andrea (info@andreafazioli.ch)

Gesendet: 12. März, 09:18

Betreff: Mysteriöse Manuskripte

Hallo Andrea, tut mir leid, aber Fabio war in einer Besprechung. Heute Morgen hat er mir erklärt, dass Cattaneo im Tessin geboren wurde und später viel in der Welt herumgekommen ist, wobei man nicht genau weiß, wovon er eigentlich seinen Lebensunterhalt bestritten hat (vielleicht als Legionär). Nach seiner Rückkehr hat er einige »anarchistische Gedichte« verfasst. Jetzt ist er Betreiber eines Grottos. Er hat Fabio erzählt, er habe eine Kiste mit sämtlichen Manuskripten seines Großvaters geerbt, zusammen mit den Texten von Glauser. Fabio findet es ganz normal, dass er ein bisschen durcheinander ist, angesichts der bewegten Familiengeschichte. Sie haben auch über dich gesprochen. Cattaneo fände es gut, wenn du Glausers Manuskript fortsetzen und gleichzeitig die Geschichte seines Großvaters schreiben würdest … Aber als Verlag beschränken wir uns auf Glauser!

An: Magda (magda@casagrande.ch)

Gesendet: 12. März, 10:00

Betreff: Re: Mysteriöse Manuskripte

Hat er etwas über die bewegte Familiengeschichte gesagt? (Tut mir leid, wenn ich dir die Zeit stehle, aber ich bin neugierig …)

Von: Magda (magda@casagrande.ch)

An: Andrea (info@andreafazioli.ch)

Gesendet: 12. März, 11:30

Betreff: Re: Re: Mysteriöse Manuskripte

Anhang: Glauser_AsconaRoman_GdG.doc

Aber ich bitte dich, das bin ich doch selbst. Ich habe Fabio nach Details gefragt. Aurelios Großeltern hießen Fredo und Anja (wie Anja mit Nachnamen hieß, weiß Fabio nicht). Die beiden haben Ada Cattaneo in die Welt gesetzt. Aber Fredo hat sich kurz nach der Geburt des Mädchens aus dem Staub gemacht, und Anja ist ums Leben gekommen, als Ada noch klein war. So ist Ada bei einer Familie in Ascona aufgewachsen. Sie selbst hat wiederum Aurelio geboren, mit unbekanntem Vater. Vor einem Jahr ist Ada in hohem Alter gestorben, und Aurelio hat stapelweise Papiere geerbt. Stell dir vor, was für ein Zufall: Das unveröffentlichte Manuskript eines der größten Autoren der Schweiz kommt auf einem staubigen Dachboden zum Vorschein. Gabriella war begeistert von der Idee, den Text zu übersetzen. Sie hat sich bereits an die Arbeit gemacht, ich schicke dir die ersten Seiten im Anhang mit. Wollen wir uns nach der Book Pride treffen, um alles zu besprechen?

An: Magda (magda@casagrande.ch)

Gesendet: 12. März, 12:25

Betreff: Re: Re: Re: Mysteriöse Manuskripte

Einverstanden. Ich fang dann schon mal an zu lesen.

Bis bald!