Richard entwarf, während er den Mercedes wieder auf die Main Street steuerte, eine kleine Theorie, der zufolge Alecs Passivität dem Leben gegenüber eine besonders perfide Form von Raubtierhaftigkeit verberge. Steinbeck vor Mädchen, die Steinbeck studieren, als Horror zu bezeichnen, das sei eine Taktik, die er kenne und durchschaue, erklärte er. Leute »durch Scheißefinderei ihrer Interessen« herunterzuputzen und sie dann durch ein kleines, versöhnliches Lob wieder aufzurichten: Das sei so ein Achtzigerjahretrick, den Richard von Poppern aus München oder Hamburg kannte. Dann hielt er vor der Eisdiele.
Alec kannte keine Popper aus München oder Hamburg. Auf einem Kinogebäude gegenüber stand, falls jemand bis hierhin vergessen haben sollte, wo er war, in großen Art-déco-Buchstaben »SAG HARBOR«, als wäre es ein deutscher Imperativ. Alec fragte sich, ob womöglich Eifersucht die Ursache für Richards plötzliche Aggressivität war.
Als er sich wieder in seinen durchgesessenen Sitz hatte fallen lassen, erklärte Richard, dass er Alec sein »pfauenartig zur Schau gestelltes Intellektuellentum« noch nicht einmal abnehme. Alec staunte vor allem über die Formulierung »pfauenartig«. Dennoch musste Richard bei ihm nachfragen, wie genau der Fachbegriff für diejenigen laute, die auf Leute hereinfallen, die Horkheimer zitieren und Steinbeck überschätzt finden.
»Sapiosexuell?«
»Sapiosexuell«, nickte Richard.
Er unterstellte, dass Alec auf sapiosexuell orientierte Frauen tiefsinnig wirken wolle, wenn er sich so geheimnisvoll in sein Schweigen kleide manchmal. Dabei sei seine Vermutung, dass Alec meistens einfach gar nichts groß zu sagen wisse. Und das tröste und versöhne ihn dann im Prinzip fast schon wieder, erklärte Richard, indem er Alec gönnerhaft die Faust auf die Wange drückte: »Von wegen stille Wasser sind zwangsläufig auch tief.« Er lachte. Ihm könne Alec da nichts vormachen. Ein Richard Mauler wisse in solchen Momenten einfach, dass Alec im wirklichen Leben so flach sei wie das Planschbecken von Scott auf der Bungalow-Wiese.
»Der wäre da heute Morgen übrigens fast drin ertrunken«, sagte Alec.
»Wirklich?«
Alec nickte. »Über den Rand gestolpert, reingeklatscht, liegen geblieben. Sarah hat ihn gerettet.«
Richard schwieg einen Moment. Dann sagte er: »Der Junge macht mir Sorgen. Der ist mir nicht widerstandsfähig genug. Wahrscheinlich muss ich den beim Football anmelden, tackles trainieren, der wird es sonst schwer haben im Leben.«
»Der ist drei.«
»Yes, yes, yes«, sagte Richard. Und nach einer kurzen Bedenkpause: »Vielleicht ist es noch nicht zu spät.«