Le Monde

Die Unantastbaren
Sie sind die Gegenregierung des Staates – und verdienen Milliarden: Frankreichs Mafiabosse und die finsteren Geschäfte

von Patricia Becker

Die Terroranschläge der letzten Jahre hatten hierzulande neben den vielen Toten und dem Leid einen großen Nebeneffekt: Die Sicherheitsbehörden mussten ihr Augenmerk allein auf die Bekämpfung der über zehntausend Gefährder in Frankreich richten – und auf den Schutz bedrohter Einrichtungen.

Die organisierte Kriminalität hingegen kam kaum noch vor: weil die Beamten längst Überstundenberge vor sich herschoben und auch organisatorisch weit über ihre Kräfte hinaus beansprucht waren.

Doch auch die Clanbosse stellten ihre Taktik um: Sie verzichteten auf die Durchführung großer und aufsehenerregender Verbrechen und agierten lieber im Hintergrund, stellten ihr Geschäft quasi auf halblegale Einnahmewege um – oder auf Felder, die von der Politik als zweitrangig betrachtet werden: So bauten die Mafiosi ihre Tätigkeiten im Drogen- und Menschenschmuggel aus, haben auf Korsika und in Südfrankreich aber auch ihre Einnahmeseite verbessert, indem sie im Tourismus- und Immobiliensektor immer mehr Anteile halten. Geschätzt setzen sie jährlich einen zweistelligen Milliardenbetrag um, die Dunkelziffer könnte aber weit höher liegen.

Möglich wird das natürlich auch, weil die korsische Mafia und die neuen Clans beste Verbindungen zu Politik und Sicherheitsbehörden pflegen. Doch Korruption und Schmiergeldzahlungen konnten in letzter Zeit so gut wie nicht mehr nachgewiesen werden, die Mauer des Schweigens wird immer höher.

Die Mafia fühlt sich sicher in Frankreich, die letzte Festnahme eines großen Players im organisierten Verbrechen liegt mehr als zehn Jahre zurück.