Isaakson

Banque de France, Paris, Frankreich

Z ara? Wir müssen miteinander sprechen.«

»Wieso?«, fragte sie beiläufig.

»Was ist hier los?«, fragte er flüsternd, drängend.

Sie drehte sich zu ihm, sah ihn direkt an, der Sicherheitsabstand, den sie immer genauestens einhielt, war weg.

»Gar nichts ist hier los. Ich mache meinen Job.«

»Ich mache das nicht mit, ich muss wissen, was hier gespielt …« Doch da hatte sie sich schon weggedreht und war wieder zu de Trappier getreten, der mit großer Geste den Gabelstapler einwies, die Hände ausgebreitet wie ein übermotivierter Fluglotse.

Er fasste es nicht. Sie behandelte ihn wie in ihrer ersten gemeinsamen Woche – schlimmer noch, wie einen dummen Schuljungen. Er erkannte sie erneut nicht wieder, diese Frau, die ihn einmal auf Abstand hielt, der er grenzenlos vertraut hatte, die ihn verführt hatte, einfach so, aus dem Nichts heraus. Und dann am nächsten Morgen wieder wie ein kalter Fisch gewesen war.

Er riss sich von den Gedanken los, weil die Arbeiter in diesem Moment einen der Schränke öffneten, wieder gab es das Vieraugenprinzip. Einer von ihnen steckte seinen Schlüssel in das Schloss, dann schloss der Sicherheitschef das andere Schloss auf. Erst dann sprang die Tür auf, sie knarzte in den Angeln, sie hatten sie lange nicht mehr geöffnet. Sie öffneten einen der stählernen Schränke, und sofort legte sich eine Stille über den ganzen Bunker: Die Farbe, das Glitzern, die Anmut dieses schillernden Goldes schien allen Zuschauern die Sprache zu rauben, sie standen da und sahen andächtig die Barren an, fein übereinandergestapelt, in ihrer Gleichförmigkeit wie das penibel gezeichnete Bild eines Pedanten, Barren an Barren, unten breit, nach oben schmaler werdend, dann kam ein neuer, daneben ein weiterer, darüber ein nächster und immer so weiter. Isaakson konnte gar nicht sagen, was es war. Die Schönheit dieses Stoffes in so großer Menge – oder das Gefühl, dass jeder dieser Barren so viel Geld wert war, dass dieser Schrank die pure Sorglosigkeit signalisierte. Obwohl, in seinem Fall signalisierte dieser Schrank eher pure Sorgen, denn seit der Ankündigung des Sicherheitschefs, wie der Transport ablaufen sollte, war der Blutdruck des Schweden in schwindelerregende Höhen geklettert, so fühlte es sich an. Es konnte doch nicht sein, dass sie das wirklich durchzogen. Doch Zara, die er genau darauf hatte ansprechen wollen, sah gar nicht mehr zu ihm her. Sie betrachtete lächelnd, wie der Gabelstapler heranrollte, wie Arbeiter die einzelnen Barren heraushoben und auf eine simple Europalette stapelten, so unprätentiös, als seien es Hundefutterdosen.

»Gut, meine Herren«, rief de Trappier, »wir haben eine Stunde. Der Lkw kommt in genau siebzig Minuten mit den Sicherheitskräften oben an. Dann verladen wir. Wir sollten uns an die genaue Zeit halten, weil die Fahrtzeit in den Süden exakt kalkuliert ist.«

»Gibt es eine Straßensperrung auf der Autobahn?« Ein neuer Versuch von Isaakson.

»Monsieur, wie schon gesagt: Wir wollen nicht auffallen. Wir könnten ja dann gleich draußen Gold dranschreiben, wenn wir die ganze Autobahn sperren.«

»Monsieur de Trappier, gibt es hier unten ein Telefon?«

»Ja, dort vorne, im Dienstraum.«

Isaakson ging in die Richtung, die der Sicherheitschef ihm gewiesen hatte, und bat um den Hörer, dann wählte er die bekannte Nummer.

»Ja?«

»Senhor Vicentes?«

»Isaakson, was gibt es?«

»Wahrscheinlich ist es gar nichts, ich will auch nicht, dass Sie mich für verrückt erklären.«

»Du arbeitest mit Zara, manchmal wird man da sicher verrückt«, lachte sein Chef.

»Ich weiß nicht, was hier abgeht. Zara ist, als sei sie programmiert. Und der Sicherheitschef der Bank, ich verstehe das alles nicht. Sie führen den Transport jetzt quasi ungeschützt durch. Und niemanden scheint das zu stören.«

Ruis Stimme veränderte sich, wurde härter, prüfender.

»Zara weiß davon und befürwortet es?«

»Ja, das tut sie. Können Sie es glauben? Madame von Hardenberg, die es mit den Regeln immer am genauesten nimmt? Es wirkt beinahe so, als wollen alle, dass der Transport schiefgeht.«

»Ich weiß nicht, was Sie da andeuten wollen, Isaakson, aber ich sage es Ihnen in aller Deutlichkeit: Wenn Zara es so will, dann machen Sie es so. Haben Sie mich verstanden?«

»Ja, Senhor Vicentes.«

»Gut. Viel Glück.«

Er wollte gerade auflegen, da rief Rui: »Und Isaakson?«

»Ja?«

»Passen Sie auf Zara auf.«

Dann endete das Gespräch. Er erschrak, als er bemerkte, dass seine Partnerin ganz dicht hinter ihm stand.

»Zara«, sagte er mit gesenktem Kopf, »es tut mir leid.«

»Nein«, sagte sie kopfschüttelnd und ganz leise, »das muss es nicht. Ich kann es dir jetzt nicht erklären. Noch nicht. Mach einfach, was Rui gesagt hat.«