Zara

Banque de France, Paris, Frankreich

A lle bereit?«, rief de Trappier und besah sich den kleinen Konvoi, der auf der Rue du Colonel Driant stand. Das gesamte Straßenkarree war für die Dauer der Beladung von der Polizei weiträumig abgesperrt worden, und sie war überrascht, wie konzentriert und planvoll die Arbeiter bei der Sache gewesen waren. Der Lkw sah von außen wie ein gewöhnliches Fahrzeug zum Transport von Gütern aus. Als die Ladetüren geöffnet waren, hatte Zara aber die dicken Stahltüren und die Panzerung im Inneren gesehen. Die Sicherheitsleute hatten das hintere Tor der Banque de France geöffnet, im Portal hatten vier schwer bewaffnete, vermummte Soldaten Stellung bezogen. Dann war ein zweiter Gabelstapler an den Fahrstuhl in der Bank herangefahren und hatte nacheinander die zwölf Europaletten verladen, auf jeder lagen einhundert Goldbarren, fein säuberlich übereinandergestapelt; die Paletten waren in dicke Folie verpackt. Nicht ein Barren war während der Ladeaktion verrutscht, es hatte alles zusammen höchstens eine halbe Stunde gedauert. Am Ende hatten die Arbeiter die Ladeluke verschlossen, und de Trappier hatte eine Plombe angebracht. Dann hatte er eine kleine Klappe am Heck des Lkw geöffnet und wieder seine Hand aufgelegt. Verdammt, das hatte sie nicht gewusst. Auch der Transporter verfügte über das Sicherheitssystem der Bank. Doch sie hatte keine Zeit mehr, darüber nachzudenken. Isaakson kam auf sie zu, er wollte noch einmal reden, so schien es.

»Zara«, begann er.

»Nicht jetzt«, entgegnete sie schroff, »es geht los.«

Sie standen alle an den Wagen: vorne eine schwarze Limousine der Marke DS , daneben zwei Polizisten in Zivil. Am Lkw der Fahrer sowie ein maskierter Polizist, der eine Maschinenpistole um den Hals hängen hatte, und sie, Zara. Dahinter zwei schwarze VW -Busse mit je vier Polizisten in Uniform, auch de Trappier würde dort mitfahren, genau wie Isaakson, natürlich in Zivil. Er konnte noch immer seine Augen nicht von ihr lassen, und sie hatte Mühe, seinem vorwurfsvollen Blick auszuweichen.

»Bereit«, sagte der Lkw-Fahrer, ein älterer Mann mit einer Brille und einer Jacke, die ihn als Angehörigen der Banque de France auswies.

»Bereit«, bestätigten die Polizisten in der Vorhut.

Der maskierte Mann hob nur den Daumen.

»Gut, dann aufsitzen. Wir halten Verbindung über Funk.«

Sie stiegen ein, der Fahrer ans Lenkrad, Zara in die Mitte, der Bewaffnete an die Beifahrertür, er nahm sofort die Maske ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er war ein Mann Mitte vierzig, der schon komplett graue Haare hatte. Er sah gut aus, braun gebrannt, graue Augen. Er sah sie lächelnd an.

»Na, dann wollen wir mal.« Er verstaute die Maschinenpistole unter seinem Sitz.

»Genau, ab in den Süden«, bestätigte der Fahrer, auch er schien bester Laune zu sein. »Das ist doch mal was anderes, als immer nur ein bisschen Bargeld von Bank zu Bank zu fahren.«

»Das ist Ihre Arbeit?«

»Ja, die Banque de France hat fünfundneunzig Filialen im ganzen Land, und wir beliefern sie alle mit Bargeld, von Paris und den Druckereien. In Bordeaux werden die Münzen geprägt, in der Auvergne und der Bretagne die großen Scheine. Ich kann Ihnen sagen, das Land wird dann ganz schön groß. Aber ich fahre die Strecken blind, ich mach das immerhin seit dreißig Jahren. Mir bleibt ein Jahr bis zur Rente, dann fahre ich nur noch Wohnmobil.«

»Das klingt wie ein guter Plan«, sagte der Polizist.

»Na ja, wenn ich es mir leisten kann. Sie wissen ja, die staatliche Rente ist ein Witz. Ich bin übrigens Serge.«

»Artur«, sagte der Polizist.

»Wie verlassen wir die Stadt?«, fragte Zara, ohne auf die Plauderei einzugehen, und verfolgte, wie sich die schwarze Limousine in Bewegung setzte und aus dem Kordon um die Banque de France herausfuhr. Die Uniformierten auf der Straße salutierten für den ungewöhnlichen Konvoi.

»Wir nehmen die Pont Alexandre III . und fahren dann am Invalidendom vorbei, ein Stück die Sèvres entlang, um dann über die Avenue du Maine und Alésia an der Porte d’Orléans auf die Périphérique zu fahren, und von da aus geht es auf die Autoroute 6

»Wir unterlassen alles, was auf uns aufmerksam machen könnte, Blaulicht und dergleichen, deswegen werden wir uns an der Porte in den normalen Feierabendstau einreihen. Es wird uns eine Stunde kosten, aus Paris herauszukommen. Aber das ist in unseren Zeitplan eingetaktet. Denn nachts sind alle Katzen grau – keine Verbrecher mögen die Zeit zwischen zwei und fünf. Und genau wenn die Sonne aufgeht, werden wir in den Hafen von Marseille einfahren. Also hoffe ich, Sie haben alle ausgeschlafen.«