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Andreas wachte mit heftigen Kopfschmerzen auf. Es war dunkel um ihn herum. Als er die Hand ausstreckte, berührte er eine kalte Wand. Auch wenn er nichts sehen konnte, er wusste sofort, wo er sich befand. Er konnte es riechen . Der alte Geruch, die Kellerluft, der Gestank nach dem Kübel, Urin, Fäkalien, Chlor.

Wieso? Weshalb war er wieder an diesem Ort?

Er wollte schreien, aber sein Hals war wie zugeschnürt. Er wusste, dass es keinen Sinn hatte.

Niemand würde ihn hören. Etwas war um seinen Körper gewickelt. War er gefesselt? Er wand sich hin und her, strampelte es weg. Eine Decke, nur eine muffig riechende Decke. Seine Glieder fühlten sich taub an, als er sich von der Pritsche erhob. Seine Arme und Beine kamen ihm seltsam schwer vor. Sein Bauch tat weh. War das Hunger? Durst? Angst?

»Ich bin hier falsch«, murmelte er. »Ich bin hier falsch.« Schließlich taumelte er an seine Gefängnistür. »Ich bin hier falsch!«, schrie er.

Ein anderer Satz fiel ihm nicht ein. In seinem Kopf war nichts als Leere.

Er trommelte eine Weile mit den Fäusten gegen die schwere Tür. Aus Erfahrung wusste er, dass das wenig Sinn hatte. Wenn nicht jemand direkt auf der anderen Seite stand, würde ihn niemand hören.

Plötzlich wurde ein Licht von außen angeschaltet. Andreas zuckte zusammen. Er nahm das leise metallische Geräusch war, das er nur allzu gut kannte. Jemand glotzte durch den Spion.

Er wollte wieder schreien. Aber ihm gelang kein einziger Ton. Der Satz, den er aus sich herausgeschleudert hatte, lag in der Luft. Schwebte durch den Raum zur Tür und wieder zu ihm zurück. Es hatte keinen Sinn, die Worte noch einmal zu rufen.

Der, der hinter der Tür war, musste ihn gehört haben. Er hielt ihn gefangen. Und der Unbekannte würde ihn früher oder später töten.

Warum?

Spielte das eine Rolle?

Und wer würde ihn schon vermissen?

Eine merkwürdige Gleichgültigkeit überkam ihn. Erst jetzt sah er sich in der Zelle um. Es sah anders aus als sonst, anders als früher .

Neben dem Kübel für die Notdurft stapelten sich ein paar Rollen Klopapier. Auf dem Holzhocker stand eine Schüssel mit Wasser. Daneben befand sich sogar ein kleiner Tisch. Andreas blinzelte ungläubig. Da lagen Bananen, ein paar mit Wurst und Käse belegte Brotscheiben, eine Tafel Sarotti- Schokolade. Auf dem Boden stand eine Flasche Coca-Cola. Sollte er darüber lachen oder weinen? Sein Gefängniswärter sorgte für ihn. Immerhin. Wie die Hexe im Märchen, die Hänsel gefüttert hatte, um ihn dann zu braten – hätte Gretel sie nicht daran gehindert, indem sie die Alte tötete. Aber eine Gretel gab es nicht in diesem Verlies. Auch keine Tanja und keine Flora. Er war allein.