Kapitel 15

Marc

Am nächsten Morgen fuhr ich mit Michaela nach dem Frühstück ins 9. Polizeirevier, wo wir schon gewesen waren, um Décio abzuholen. Sie wirkte nervös und ihr Lächeln war etwas aufgesetzt, als sie neben mir in der U-Bahn saß. Wir hatten gestern drei Folgen der Serie You geschaut, in der es irgendwie um einen Stalker ging. Die Serie hatte mich nicht wirklich packen können und ich hatte mehr meinen Gedanken nachgehangen als das Geschehen zu verfolgen. Aber Michaela hatte wie gebannt auf den Fernseher geschaut, weshalb ich nichts gesagt hatte, während ich von der Nähe zu ihr abgelenkt war. Unsere Schultern hatten sich berührt, so nah hatten wir nebeneinandergesessen. Wann immer sie sich bewegt hatte, war mir ihr Duft in die Nase getreten und hatte meinen Magen Saltos schlagen lassen. Ständig hatte ich aus dem Augenwinkel ihr Profil betrachten müssen. Ihre Stupsnase, das Muttermal über ihrer Oberlippe und die langen, dichten Wimpern. Ich hatte sie in den Arm nehmen wollen, einfach nur, um ihr noch näher zu sein, mich aber nicht getraut, weil ich unseren Beziehungsstatus nicht ansprechen wollte. Sie hatte gestern schon genug durchmachen müssen, ich wollte sie nicht weiter aufwühlen, indem ich meine dumme Äußerung ansprach.

»Bist du gestern noch gut nach Hause gekommen?«, riss Michaela mich aus meinen Gedanken.

»Klar, ich hatte es ja nicht weit bis ins Wohnheim.« Seit meinem Umzug trennten uns nur noch fünf U-Bahn-Stationen, was deutlich schneller ging als zuvor mit dem Auto. »Wie geht’s dir?«

»Bestens«, sagte sie wie aus der Pistole geschossen, ehe sie den Kopf schüttelte. »Vergiss das. Ich bin tierisch nervös und habe Angst, dass sie mir nicht glauben können oder so.«

»Wir gehen zu Detective Waters, natürlich wird sie dir glauben«, versicherte ich ihr.

»Wenn du das sagst.« Michaela wirkte nicht überzeugt, aber das würde sie auch nicht sein, ehe wir mit der Polizistin gesprochen hatten.

»Hast du noch mit Décio geredet?«

Ich seufzte. »Ich habe es versucht, aber er ist nicht ans Handy gegangen. Ich vermute, dass er absichtlich nicht mit mir reden will, weil er genau weiß, was ich sagen werde.« Selbst wenn ich mit ihm gesprochen hätte, war ich sicher, dass er mir nichts gesagt, sondern weiterhin alles abgestritten hätte.

»Fuck.« Michaela schloss die Augen und presste ihre Handballen dagegen. Ihre Verzweiflung war beinahe spürbar und mein Innerstes zog sich schmerzhaft zusammen, weil ich nicht wusste, wie ich ihr helfen konnte. Nach einigen Sekunden ließ sie die Hände sinken und schien sich wieder gefasst zu haben. »Aber es nutzt nichts, dann müssen wir es ohne seine Hilfe schaffen.«

»Wir würden gerne mit Detective Waters sprechen. Ist sie da?«, fragte ich am Empfang des 9. Polizeireviers. Die gelangweilt aussehende Dame, deren Namensschild sie als Rosemary Wellington auswies, biss zuerst in ihr Croissant und kaute einige Male in Ruhe, ehe sie ihre Aufmerksamkeit auf uns lenkte. »Zu wem wollen Sie?«

»Detective Waters.« Wie ich bereits sagte.

»Einen Moment.« Sie begann auf der Tastatur ihres PC herumzutippen. »Sie haben Glück, sie ist da. Folgen Sie mir.«

Mrs Wellington brachte uns in das Büro, in dem ich zuvor schon gewesen war. Detective Waters saß an ihrem Schreibtisch und ihre Augen weiteten sich überrascht, als sie uns erblickte.

»Hatten wir nicht ausgemacht, dass wir uns so schnell nicht Wiedersehen würden?«, fragte sie und stand auf, um uns die Hand zu reichen.

»Das war so auch nicht geplant gewesen, aber…«, begann ich, wurde aber von Michaela unterbrochen.

»Ich möchte gerne meinen Stiefvater anzeigen, weil er derjenige ist, der an der South Philadelphia Highschool Drogen verkauft.«

Detective Waters blinzelte zweimal, dann deutete sie auf zwei Stühle. »Bitte setzen Sie sich doch.«

Wir kamen der Aufforderung nach. Detective Waters setzte sich uns gegenüber und begann etwas in ihren PC zu tippen. »Ist es okay, wenn ich unser Gespräch aufzeichne?«, fragte sie und zog eine Aufnahmegerät aus der Schublade. Michaela nickte, worauf Mrs Waters das Gerät anschaltete, Datum, Uhrzeit und die anwesenden Personennamen auf das Band sprach.

»Wie heißt Ihr Stiefvater?«

»Lenny… Leonard Miller.«

Sie tippte den Namen in den PC. »Hmm, er hat bereits eine beachtliche Strafakte.«

Michaela schnaubte. »Wem sagen Sie das.«

»Aber hier steht auch, er wäre vor einem halben Jahr untergetaucht.«

»Das dachte ich auch, aber ich habe ihn letzte Woche gleich zweimal gesehen.« Dann erzählte Michaela genau, was sie in der Mall und gestern in der Nähe von Décios Highschool beobachtet hatte. Sie begann stockend und mit brüchiger Stimme, aber je länger sie redete, ohne von Detective Waters unterbrochen zu werden, desto sicherer schien sie zu werden. Sie ließ nichts aus und nannte sogar einige Details, die ich noch nicht kannte, wie eine genaue Beschreibung der zwei weiteren Schüler.

Detective Waters hörte aufmerksam zu, ohne Michaela zu unterbrechen. »Und Sie sind sicher, dass der Mann, den Sie gesehen haben, Ihr Stiefvater war?«, fragte sie, nachdem Michaela geendet hatte.

»Absolut. Er hat mir sechs Jahre lang das Leben zur Hölle gemacht, ich würde sein Gesicht unter Tausenden wiedererkennen.«

Detective Waters nickte, als wäre das Erklärung genug für sie. »Ich glaube Ihnen, aber ich kann Ihnen nichts versprechen. Unsere Kollegen patrouillieren öfters in der Nähe der Schule, konnten bisher aber nichts Verdächtiges finden. Aber ich kann Ihnen jetzt das Foto Ihres Stiefvaters geben und aufgrund Ihrer Anzeige können wir ihn festnehmen, auch wenn er nur die Straße entlangläuft.«

»Da ist noch mehr.« Jetzt klang Michaela wieder unsicher und ich griff nach ihrer Hand, um unsere Finger miteinander zu verschränken. Dankbar lächelte sie mich an, ehe sie weitersprach. »Ich war ungefähr 13, als Lenny angefangen hat, mich mit Drogen ruhigzustellen. Zuerst nur mit Beruhigungsmitteln, später dann mit härteren Sachen. Ich wusste es anfangs gar nicht, weil er mir die Sachen einfach in den Kakao gerührt hat. Er hat es immer dann gemacht, wenn er Besuch von anderen Dealern oder Kunden bekommen hat und ich das nicht mitbekommen sollte. Meine Mom, die schon Alkoholikerin war, bevor sie Lenny kennengelernt hat, hatte zu dem Zeitpunkt den Alkohol für Crack aufgegeben. Als ich bemerkte, was los war, war ich längst abhängig von Crystal Meth. Zwei Aufenthalte in der Entzugsklinik waren nötig, bis ich den Teufelskreis durchbrechen und darüber reden konnte. Selbst meine Therapeutin weiß das bis heute nicht.«

Michaela zerquetschte meine Hand bei ihrer Rede fast, aber ich ließ mir den Schmerz nicht anmerken. Er war ohnehin kein Vergleich zu dem seelischen Schmerz, den ihre Geschichte bei mir verursachte. Auch wenn ich vorher bereits davon gewusst hatte, erschreckte es mich erneut. Wie konnte jemand so grausam sein, das seiner Schutzbedürftigen anzutun? Obwohl ich es nicht zum ersten Mal hörte, wurde es nicht einfacher, dieser Geschichte zu lauschen. Ich dachte an Ninho und was ich tun würde, wenn ihm jemand etwas Ähnliches antat, und meine freie Hand ballte sich zur Faust, bis die Knöchel weiß hervortraten.

Detective Waters hatte während Michaelas Vortrag nicht die Miene verzogen, aber ihre Augen funkelten gefährlich und machten ihre Gefühle deutlich.

»Das sind ziemlich harte Anschuldigungen«, sagte sie mit einer Stimme, die spürbar kontrolliert klang.

»Es war eine harte Jugend«, gab Michaela zurück. Sie wirkte ausgelaugt, als hätte ihre Offenbarung ihr die letzten Kräfte geraubt. Ich wollte sie in die Arme nehmen und ihr eine Stütze sein, aber das musste warten, bis wir das Revier verlassen hatten.

Detective Waters schaltete das Aufnahmegerät aus und beugte sich über den Tisch. »Ich glaube Ihnen und es tut mir schrecklich leid, was Ihnen angetan wurde. Das hilft uns auf jeden Fall, Ihrem Stiefvater mehr anzuhängen, wenn wir ihn ausfindig machen können. Wenn Sie uns hier noch Ihre persönlichen Daten mitteilen würden, werde ich Sie kontaktieren, sobald es Neuigkeiten gibt.« Sie schob Michaela ein Blatt zu, das sie sofort auszufüllen begann.

Fünf Minuten später standen wir draußen auf dem Parkplatz und bevor wir die Treppen zum Gehweg erreichen konnten, blieb ich stehen und zog Michaela in meine Arme. Zuerst versteifte sie sich, wie ich es erwartet hatte ‒ sie war nicht der Typ, der gerne Nähe oder die eigenen Gefühle zuließ. Aber nach einem Augenblick entspannte sie sich und ließ sich gegen meine Brust fallen. Ich trug ihr Gewicht, während Michaela sich an mich klammerte, als sei ich der Rettungsanker, der sie vor dem Ertrinken bewahren konnte. Sie weinte nicht ‒ ich konnte mich nicht erinnern, Michaela jemals weinen gesehen zu haben ‒, aber ein Zittern schüttelte sie durch, und ich strich ihr beruhigend über den Rücken, bis es abgeebbt war.

»Danke, dass du mitgekommen bist«, sagte sie und löste sich aus meinen Armen. »Ich weiß nicht, ob ich es ohne dich geschafft hätte.«

»Jederzeit«, versicherte ich ihr. »Wie fühlst du dich?«

»Keine Ahnung. Davon zu erzählen war furchtbar und gleichzeitig nicht annähernd so schlimm wie befürchtet. Ich bin erleichtert, dass ich es endlich jemandem gesagt habe, weiß aber auch, dass die Chancen, dass Lenny gefasst und verurteilt wird, eher gering sind.«

»Und wenn sie ihn auf frischer Tat erwischen?«, hakte ich nach.

»Dann ja, aber dafür ist Lenny zu gewieft.«

Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte.

»Komm, ich bring dich nach Hause«, sagte ich stattdessen.

Michaela

Als wir zu Fuß zur U-Bahn-Station liefen, Marcs Hand fest in meiner, ließ das unbändige Pochen meines Herzens langsam nach. Detective Waters davon zu erzählen, was Lenny mir angetan hatte, hatte mich mehr Überwindung gekostet, als ich zugeben wollte. Noch immer zitterte ich am ganzen Körper, und ich schob meine freie Hand in meine Jackentasche, damit es nicht auffiel. Meine Angst davor, dass die Polizei mir nicht glauben würde, war so groß gewesen, dass ich sie bis jetzt nicht ganz hatte abschütteln können.

Denn es war nicht das erste Mal gewesen, dass ich jemandem davon erzählt hatte. Ich hatte es schon mal versucht, als ich noch zur Schule gegangen war. Ich war gerade auf die Highschool gewechselt und hatte mitbekommen, was Lenny mit mir anstellte. Meine Noten dort waren von Anfang an bescheiden gewesen, weil ich mich nicht auf den Unterricht konzentrieren konnte. Entweder weil ich noch high gewesen war oder weil ich das nächste High herbeisehnte. Es hatte nicht lange gedauert, bis mich eine Lehrerin auf meine Unkonzentriertheit ansprach. Sie bot mir Baldrian und Nachhilfe an, damit ich wenigstens den Durchschnitt der Klasse erreichen konnte. Sie hatte nett und verständnisvoll gewirkt und in mir die Hoffnung geschürt, dass sie mir zuhören würde. Also hatte ich mir ein Herz gefasst und ihr erzählt, was Lenny mit mir machte. Doch sie hatte mich unterbrochen, kaum dass ich drei Sätze gesprochen hatte. Noch heute hallten ihre Worte mit einer Klarheit in meinem Kopf wider, die mich erschreckte.

Es ist nicht nett, solche Anschuldigungen über deinen Stiefvater zu verbreiten. Er und deine Mom waren am Tag der Einschulung bei mir und haben mich darauf vorbereitet, dass so etwas passieren könnte. Sie haben mich vorgewarnt, dass du gerne im Mittelpunkt stehst und dazu vor keinem Mittel zurückschreckst, ich werde es dieses Mal durchgehen lassen, aber wenn ich mitbekomme, dass du weiterhin Lügen verbreitest, werde ich das der Schulleitung melden. Du solltest dich lieber auf den Unterricht und deine Hausaufgaben konzentrieren, anstatt die Schuld bei jemand anderem zu suchen.

Danach hatte ich mich nie mehr getraut, jemandem davon zu erzählen, aus Angst, dass Lenny mir auch bei ihnen zuvorgekommen sein konnte. Bis ich Marc kennengelernt hatte. Erst er hatte mir das nötige Vertrauen und die Sicherheit verschafft, mich zu öffnen. Und egal, wie es mit uns weitergehen würde, dafür war ich ihm auf ewig dankbar.

»Wir sind da«, riss Marc mich aus meinen Gedanken.

Ich sah auf und erkannte, dass wir tatsächlich an meiner Haltestelle angekommen waren. Ich dachte, dass Marc sich in der Bahn von mir verabschieden würde, aber stattdessen brachte er mich bis zu meiner Haustür.

»Danke für alles«, sagte ich erneut und zog Marc in eine Umarmung. Er drückte mich fest an sich und vergrub den Kopf in meiner Halsgrube. Sein Atem streifte meine Haut und schickte einen wohligen Schauer durch mich. Nach einem Augenblick, der mir viel zu kurz erschien, schob er mich ein Stück von sich weg, bis er mich ansehen konnte.

»Geh mit mir zu Katys Geburtstag.« Zuerst konnte ich ihn nur sprachlos anstarren, weil ich sicher war, mich verhört zu haben. »Natürlich gehe ich auf die Party.«

»Nein, mit mir zusammen. Als mein Date.«

Alles in mir zog sich zusammen, als hätte man mich mit Eiswasser übergossen. Unser Streit und was Marc zu mir gesagt hatte, fiel mir wieder ein. Ich stolperte einen Schritt von ihm zurück und verschränkte stattdessen die Arme vor der Brust.

»Warte, lass mich erklären.« Kurz wirkte er, als wolle er mich berühren, besann sich dann aber eines Besseren und schob die Hände in die Hosentaschen.

»Es tut mir leid, was ich zu dir gesagt habe. Dass du nicht in meinen Lebensplan passt, war völliger Schwachsinn. Ich bin dir verfallen, seit Jaxon mich zu dir geschickt hat. Du hast Jaxon danach so schnell vergessen, dass ich einfach Angst hatte, dasselbe könnte mir auch passieren. Und als du dann Fenton kennengelernt hast, dachte ich, der Moment wäre gekommen.«

»Das mit Fenton war nichts Richtiges, ich habe nie etwas für ihn empfunden«, brachte ich hervor.

»Das weiß ich. Jetzt. Damals war ich nicht so sicher. Aber ich verstehe auch, dass du skeptisch bist, nach meinem widersprüchlichen Verhalten. Deswegen möchte ich dir einen Vorschlag machen. Gib mir zwei Wochen, in denen ich dir zeigen werde, wie viel du mir bedeutest. Zwei Wochen, in denen wir so viel Zeit wie möglich miteinander verbringen, ohne Sex zu haben, um uns besser kennenzulernen.«

Das Herz klopfte mir bis zum Hals, denn Zeit mit Marc zu verbringen, war genau das, was mir in den letzten Wochen gefehlt hatte. Nicht der Sex, obwohl der auch immer toll gewesen war, aber die Gespräche mit ihm und die Vertrautheit, die zwischen uns geherrscht hatte. Trotzdem zögerte ich, denn ich wurde das Gefühl nicht los, als würde er mir etwas verschweigen. Diese Vermutung hatte ich schon mal gehabt und jetzt drückte sie erneut wie ein schweres Gewicht auf mich nieder.

»Kein Sex?«, fragte ich schmunzelnd, um ihn nicht darauf anzusprechen.

Marcs Wangen färbten sich dunkel. »Versteh mich nicht falsch, ich plane, noch ganz viel Sex mit dir zu haben, aber ich will dir zeigen, wie ernst es mir ist. Ich mag dich nicht nur, weil wir im Bett kompatibel sind, sondern weil du mein Leben bereicherst. Ich habe mich so lange dagegen gewehrt, meine Gefühle für dich zuzulassen, dass sie mich jetzt nahezu zu überschwemmen drohen. Nur wenn du bei mir bist, schaffe ich es, nicht daran zu ertrinken.«

Seine Worte waren fast zu schön, um wahr zu sein. Viel zu lange schon musste ich auf sie warten. Und obwohl ich mich am liebsten sofort mit einem lauten Ja in Marcs Arme geschmissen hätte, war da auch eine kleine Stimme in meinem Kopf, die mich zur Vorsicht mahnte. Woher kam sein plötzlicher Sinneswandel? War die Zwei-Wochen-Frist wirklich nur für mich gedacht oder hatte er selbst ebenfalls Bedenken, die er damit ausräumen wollte? Und wenn es nicht klappte, würde unsere Freundschaft diesen weiteren Rückschlag verkraften?

Ich schüttelte den Kopf, um mich von diesen Gedanken zu befreien. Wieso musste mein Hirn mir immer einen Strich durch die Rechnung machen und selbst dann unzufrieden sein, wenn ich das bekam, was ich eigentlich wollte? Würde ich diese Zweifel, dass jemand es gut mit mir meinte, je abschütteln können?

Marc räusperte sich. »Es wäre nett, wenn du irgendwas sagen würdest.«

Ich spürte, wie meine Wangen warm wurden. Unsere Blicke trafen sich und erst da sah ich die Unsicherheit in Marcs Augen.

»Meinst du das ernst?«, fragte ich ihn erstaunt.

In seinem Mundwinkel zuckte es. »Natürlich meine ich das ernst.« Er zog seine Hand unter seiner Hosentasche hervor und griff nach meiner. Automatisch verflochten sich unsere Finger und ein wohliger Schauer raste meinen Arm empor.

»Ich weiß, dass ich dir bisher keinen Grund gegeben habe, mir in der Hinsicht zu vertrauen, aber das möchte ich ändern. Lässt du mich?«

Ich konnte nicht anders als zu nicken, denn auch wenn ich noch immer Bedenken hatte, würde ich mir diese Chance nicht entgehen lassen. »Ich bin gespannt, was du dir überlegt hast.«

Ehe ich wusste, was mit mir geschah, hatte Marc mich zu sich gezogen und presste seine vollen Lippen auf meine. Ein überraschter Laut entwich mir, der jedoch von Marcs Mund geschluckt wurde, der sich andächtig auf meinem bewegte. Der Kuss war sanft, beinahe vorsichtig, als würden wir uns damit ganz neu kennenlernen, und voller Versprechen. Vielleicht konnte es tatsächlich der Neuanfang sein, den ich mir gewünscht hatte.