Marc
Ich wusste nicht, wie lange wir uns auf offener Straße küssten, bis Michaela sich zögerlich von mir löste und im Haus verschwand. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren, nur ihre Lippen zählten, die sich im Einklang mit meinen bewegten und ein Feuerwerk der Gefühle in mir entfachten, wie ich es nie zuvor erlebt hatte. Für Shawna hatte ich nie so tief empfunden und danach hatte ich keine Frau mehr so nah an mich herangelassen. Auch Michaela hatte ich bisher immer eine Armeslänge von mir entfernt gehalten und meine Gefühle für sie nicht zugelassen. Das war mir bisher gar nicht wirklich bewusst gewesen. Ich merkte es erst jetzt, als ich mich nicht mehr davor verschloss und jede einzelne Emotion willkommen hieß.
Diesmal war Michaela diejenige gewesen, die etwas verhalten reagiert hatte, als würde sie mir nicht vollständig trauen. Ich konnte es ihr nicht mal verdenken, aber ich hatte einen Plan, wie ich sie überzeugen konnte, dass ich es ernst mit ihr meinte.
Ich öffnete die Tür mit der Schlüsselkarte und betrat die WG. Nachdem ich meine Jacke im Flur aufgehängt hatte, trat ich in den Wohnbereich, wo David und Keiran zusammen auf der Couch saßen. Es erstaunte mich, dass sie sich schon wieder trafen, aber ich würde mich hüten, das laut auszusprechen.
»Hey«, begrüßte ich sie und setzte mich zu ihnen.
»Hi, Marc.« Keiran nickte mir zu, ehe er seine Aufmerksamkeit zurück auf den Fernseher lenkte.
»Alles okay mit Michaela?«, fragte David. Ich hatte ihm gestern Abend einen groben Überblick über die Situation verschafft, weil ich mit jemandem hatte reden müssen. Allerdings hatte ich dabei ausgelassen, dass Lenny Michaela in die Sucht getrieben hatte. Das war zu persönlich, sie musste selbst entscheiden, ob und wem sie davon berichten wollte.
»Es war okay. Es fiel Michaela zwar schwer, darüber zu sprechen, aber die Detective hat uns anstandslos geglaubt, auch wenn sie nicht versprechen konnte, Lenny damit dingfest machen zu können.«
Keiran schüttelte den Kopf. »Es sollte wirklich einfacher sein, solche Spinner von der Straße zu bekommen.«
»Auf jeden Fall«, stimmte ich ihm zu. »Aber das ist immer schwierig, wenn sie nicht auf frischer Tat ertappt werden und Aussage gegen Aussage steht.«
»Unser Rechtssystem ist auch viel zu lasch geformt«, brummte David.
»Kommt ihr später auch zu Katys Geburtstag? Wollen wir zusammen fahren?«, lenkte ich vom Thema ab. Auch wenn ich David grundsätzlich zustimmte, wollte ich keine politische Diskussion anzetteln.
»Wir können zusammen fahren, solange du nicht pünktlich um acht da auftauchen willst«, stimmte David zu.
»Wer ist denn bitte pünktlich auf Partys?«, entgegnete ich, woraufhin David nur mit den Schultern zuckte.
»Ich treffe euch da«, sagte Keiran und blickte auf seine Uhr. »Mist, ich muss los, ich bin noch mit Natalie verabredet.« Er sprang auf und griff sich seine Jacke, die neben ihm lag. »Bis heute Abend.«
»Bis später«, brachte ich hervor, während ich ihm hinterhersah. Erst als die Tür ins Schloss gefallen war, wandte ich mich David zu. »Er ist jetzt aber nicht wegen mir gegangen, oder?«
David schüttelte den Kopf, ehe er nickte und die Schultern hob.
»Was weiß denn ich. Er war wirklich mit Natalie verabredet, das hat er mir vorher gesagt, aber sein Abgang war jetzt doch etwas abrupt.«
Allerdings, obwohl ich Keiran nicht anders kannte. Normalerweise suchte er das Weite, sobald ich den Raum betrat. »Weißt du, was sein Problem ist?« Vielleicht lag es auch an mir, weil er mich nicht ausstehen konnte.
»Nicht wirklich. Früher dachte ich immer, dass er sich nicht outen will, weil es seine Karriere gefährden würde. Doch seit seiner Verletzung ist seine Panik irgendwie nur größer geworden. Aber ich hab Keiran nie gefragt. Er redet generell kaum über sein Privatleben und seine Eltern. Von meinem Bruder weiß ich nur, dass sein Dad wohl sehr streng ist und ihn dazu drängt, in den Familienbetrieb einzusteigen, nachdem er seine Profikarriere begraben musste, er das aber nicht will.«
Verständnislos schüttelte ich den Kopf.
»Warum müssen Eltern ihre Kinder so oft zu etwas drängen, was sie nicht wollen? Das werde ich nie verstehen.« Als Eltern wollte man doch, dass seine Kinder glücklich waren und sich frei entfalten konnten. Wie konnte man seine eigenen Wünsche über die der Kinder stellen und auch noch dabei Zusehen, wie sie immer unglücklicher wurden?
»Ich kann das auch nicht nachvollziehen, aber vielleicht sind wir auch einfach nur mit tollen Eltern gesegnet.«
Um neun machten David und ich uns mit der U-Bahn auf den Weg zu Michaela, um sie abzuholen. Ich war so nervös wie schon lange nicht mehr. Mir wurde erst jetzt bewusst, dass diese Testphase, die ich ihr versprochen hatte, auch wirklich eine war. Ich kannte Michaela gut genug, um zu wissen, dass sie mich und meine Absichten genau beobachten würde. Natürlich war ich froh, diese Chance überhaupt bekommen zu haben, immerhin hätte sie mich nach meiner langen Unentschlossenheit auch zum Teufel jagen können, aber das konnte sie nach den zwei Wochen immer noch machen. Vielleicht hatte sie auch nur zugestimmt, um zu sehen, wie weit ich gehen würde, um sie von mir zu überzeugen, und hatte gar nicht vor, mit mir zusammenzukommen. Eigentlich traute ich Michaela eine solche Durchtriebenheit nicht zu, aber verdient hätte ich sie allemal.
Ehe ich mir in Gedanken weiterhin einen Strick drehen konnte, wurde die Haustür aufgerissen und Michaela trat heraus. Sie sah einfach umwerfend aus. Sie trug eine enge Jeans und ein dunkelblau glitzerndes Shirt unter ihrem Mantel. Ihre Haare waren offen und fielen ihr in Wellen um die Schultern.
»Hi.« Mit funkelnden Augen, die mein Herz höherschlagen ließen und meine Nervosität ein wenig beruhigten, beugte sie sich zu mir und küsste mich sanft.
»Hey, du siehst toll aus«, murmelte ich an ihren Lippen, woraufhin sie unseren Kuss vertiefte. Ihre Zunge verwickelte meine in ein leidenschaftliches Spiel, bis meine komplette Welt auf uns beide zusammengeschrumpft war. Es zählte nichts anderes mehr als die Frau in meinen Armen.
Wie lange wir uns küssten, bis Michaela sich von mir löste, konnte ich nicht sagen, aber sie ließ mich schwer atmend und mehr als nur ein bisschen erregt zurück. Michaela schien es ähnlich zu gehen, ihre Wangen waren gerötet und ihr Blick lustverschleiert.
»Wow, das war so nicht geplant gewesen.« Sie lachte verlegen.
»Du darfst mich gerne öfter ungewollt überfallen«, versicherte ich ihr. Unauffällig versuchte ich die Beule in meiner Hose zu verrücken.
»Das solltet ihr aber lieber hinter verschlossenen Türen machen, wenn ihr euch keine Anzeige wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses einhandeln wollt«, sagte David. Er klang amüsiert, trotzdem zuckte ich beim Klang seiner Stimme erschrocken zusammen, denn ich hatte ihn völlig vergessen.
»Oh, hey, David, du bist ja auch hier«, sagte Michaela verlegen und umarmte ihn zur Begrüßung.
»Wir sollten besser los, sonst kommen wir gar nicht mehr bei der Party an.«
Michaela
Während der kompletten Bahnfahrt konnte ich meinen Blick nicht von Marc abwenden. Ein mir völlig neues Gefühl erfüllte mich, während ich sein Profil betrachtete. Seine dichten Wimpern, die vollen Lippen und seine leicht schiefe Nase, die er sich beim Boxen mal gebrochen hatte und die danach nicht gerade zusammengewachsen war. Sein Gesicht war mir mittlerweile so vertraut wie mein eigenes, trotzdem fühlte ich mich gerade, als würde ich ihn zum ersten Mal richtig sehen. Ein weicher Zug lag um seinen Mundwinkel, als würde er unwillkürlich lächeln und bemerkte es nicht mal. Mein Herz schwoll an vor Glück und da wusste ich, was dieses neue Gefühl war, das ich empfand: Hoffnung. Es machte mich glücklich, Marc zufrieden zu sehen, und es fühlte sich zum ersten Mal so an, als wäre dieses Gefühl nicht bloß vorübergehend. Als würde es noch viel länger als die versprochenen zwei Wochen anhalten. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, denn ich konnte mir nichts Schöneres vorstellen, als Marc auf Dauer glücklich zu machen und von ihm glücklich gemacht zu werden.
Mein Herz pochte wild bei dieser Erkenntnis und die Schmetterlinge vollführten einen wahren Tanz in meinem Bauch. Dass Marc immer wieder für einige Sekunden zu mir sah, als könnte er ebenfalls nicht die Augen von mir lassen, machte die Sache nicht besser. Aber ich begrüßte dieses Gefühl, das mir ein wenig wie ein Rausch vorkam, von dem ich sehr gerne süchtig werden würde.
In der Nähe von Katys Wohnheim stiegen wir aus der U-Bahn und legten die letzten Meter zu Fuß zurück. Ich hatte mich die ganze Zeit gefragt, ob wir in ihrem kleinen WG-Zimmer gequetscht feiern würden wie die Sardinen in der Büchse, aber schon von draußen war klar, dass das komplette Wohnheim eine einzige Party war. Die Musik schallte bis zum Parkplatz und die ersten Partygäste mit roten Plastikbechern in der Hand, in denen höchstwahrscheinlich Bier oder härterer Alkohol war, standen vor der Tür und rauchten. Im Gebäude war es nicht besser. Der Bass war so laut, dass er durch jede Zelle meines Körpers zu vibrieren schien, auf der provisorischen Tanzfläche im Gemeinschaftsraum hüpften die Leute im Takt und irgendwo musste eine Nebelmaschine stehen, die diesen unsäglichen Rauch produzierte.
»Ich wusste gar nicht, dass Katy so viele Leute kennt.« Ich musste brüllen, damit Marc mich verstehen konnte.
»Tut sie auch nicht. Hier ist irgendeine Wohnheimparty und Katy durfte sich ihnen anschließen.«
Wir kämpften uns in die Küche vor, wo Bier-Pong gespielt wurde, weshalb dort einige Leute zusammenstanden, aber niemand, den wir kannten. Also nahmen wir die Treppe ins erste Stockwerk, wo sich Katys Zimmer befand. Die Musik war nicht mehr ganz so laut wie unten und wir fanden unsere Freunde tatsächlich vor. Lucy, Emma und Katy saßen auf einem Bett und hatten die Köpfe über einem Buch zusammengesteckt. Keiran und Jaxon bereiteten Getränke zu, während Connor, Julian und Preston über irgendeinen Lauf diskutierten.
»Ich geh zu den Mädels«, sagte ich zu Marc, der meine Hand drückte, ehe er mich losließ.
Ich setzte mich neben Katy und zog sie in eine feste Umarmung. »Alles Gute zum Geburtstag.«
»Danke.« Sie drückte mir einen Kuss auf die Wange.
»Was macht ihr?« Ich versuchte einen Blick in das Buch zu erhaschen.
»Kinderfotos von Julian anschauen.« Emma drehte das Buch, bis ich erkennen konnte, dass es ein Fotoalbum war, voller alter, zum Teil bereits verblichener Fotos.
»Ohhh, wie süß. Wo habt ihr das denn her?« Ich zog das Album etwas näher zu mir, um die Fotos genauer in Augenschein zu nehmen. Auf einem großen in der Mitte war Julian alleine zu sehen. Es wirkte wie ein Schulfoto, denn im Hintergrund war ein Gebäude mit bunt beklebten Fenstern zu sehen, und sein breites Lächeln zeigte einige Zahnlücken.
»Julians Mom hat uns letzte Woche einige der Alben vorbeigebracht und Jaxon fand es witzig, eins mit herzunehmen, um es allen zu zeigen«, erklärte Lucy. »Natürlich ohne Julians Wissen. Hier war gerade was los, als er es rausgefunden hat.«
»Kommen die beiden noch immer nicht miteinander klar?« Lucy hatte mir von ihren Unstimmigkeiten wegen des Hauses erzählt, aber davon abgesehen, hatte ich gedacht, dass sie sich gut verstehen würden.
»Doch, doch«, widersprach Emma. »Aber ihre neueste Lieblingsbeschäftigung ist es, den anderen in den Wahnsinn zu treiben. Zumindest schafft Julian das bei Jaxon immer, andersrum aber nicht, weil Julian ein eher ruhiger Typ ist. Aber hiermit hat es geklappt.«
»Es war das erste Mal, dass ich Julian schreien gehört hab.« Lucy kicherte.
»Mädels, eure Cocktails«, wurden wir von Jaxon unterbrochen, der drei Plastikbecher in den Händen hielt.
»Was kann ich dir bringen, Michaela?«
»Was trinkt ihr?«, wollte ich von Katy wissen.
»Sex on the Beach.«
Ich verzog den Mund, weil ich die süße Plörre gar nicht mochte.
»Kannst du Gin Tonic machen?«, fragte ich Jaxon.
»Klar.« Er wandte sich bereits ab, hielt dann aber inne. »Du passt wirklich perfekt zu Marc, er trinkt das Zeug auch gerne.«
Unsere Freunde hatten solche Bemerkungen schon öfter fallen lassen, aber zum ersten Mal spürte ich keine Widerworte in mir aufsteigen. Stattdessen lächelte ich bloß. »Dann kannst du ja gleich zwei davon machen.«
Jaxon zog von dannen, aber ich spürte die neugierigen Blicke meiner Freundinnen auf mir. Ihnen war das natürlich nicht entgangen.
»Gibt es da etwas, das du uns erzählen möchtest?«, fragte Emma sogleich.
Ich blickte zu Marc, der mit David und Keiran zusammenstand, und spürte, wie meine Wangen warm wurden.
»Können wir das gleich woanders besprechen, sobald ich mein Getränk habe?«
»Okay.« Eine vor Neugierde angespannte Stille senkte sich über uns. Die Zeit, bis Jaxon meinen Gin Tonic fertig hatte, kam mir wie eine Ewigkeit vor, dabei konnten es nur wenige Minuten gewesen sein.
Kaum hatte ich den Becher in der Hand, griff Emma nach meinem freien Arm und zog mich nach draußen in den Flur. An der Treppe blieben wir stehen.
»Was ist jetzt mit Marc und dir?«, fragte Lucy und wippte leicht auf den Fußballen auf und ab.
Ich erzählte ihnen von unserem Gespräch und dass es so aussah, als wären wir jetzt zusammen. Dass Marc mir eine Testphase eingeräumt hatte, ließ ich aus, denn wenn es nach mir ging, würden wir diese gar nicht brauchen. Ich hatte ihm das nur deswegen nicht gesagt, weil ich wissen wollte, was er sich überlegt hatte.
»Fantastisch«, jubilierte Lucy.
»Endlich ist er zur Vernunft gekommen«, fügte Emma an.
»Ich dachte schon, er kapiert es gar nicht mehr«, stimmte Katy zu.
Zu viert lagen wir uns in den Armen und hüpften aufgeregt herum. Dass meine Freundinnen meine Freude teilten, ließ mir das Herz aufgehen, und ich drückte ihnen allen einen Kuss auf die Wange.
»Das muss gefeiert werden.« Katy riss ihren Becher in die Höhe.
Mit unseren Getränken bewaffnet gingen wir nach unten, wo die Party in vollem Gange war. Es kam mir vor, als wäre die Musik noch lauter als zuvor und unzählige Menschen drängten sich auf der Tanzfläche aneinander. Es war heiß, stickig und ein breites Grinsen erschien auf meinem Gesicht. Es war Ewigkeiten her, seit ich zuletzt auf einer Party gewesen war. Und wirklich nie zuvor war ich mit meinen Freundinnen und meinem Freund auf einer gewesen.
Katy zog mich mitten ins Getümmel und begann lauthals den aktuellen Song mitzusingen. We will rock you von Queen lief und die Leute flippten total aus. Jeder brüllte die Lyrics aus voller Kehle mit, dazu stampften sie an den entsprechenden Stellen mit den Füßen auf den Boden oder klatschten in die Hände. Die Euphorie war ansteckend und ich ließ sich von ihr mitreißen, auch wenn wir wegen der Becher nicht klatschen konnten. Als Nächstes lief Macarena, wobei sich sofort alle Anwesenden in Formation aufstellten, um den dazugehörigen Tanz zu performen. Ich trank den Rest meines Gin Tonic, entsorgte meinen Becher und stellte mich dazu. Katy blieb an meiner Seite zum Tanzen, während Lucy und Emma sich etwas abseits stellten, um zuzugucken.
Der DJ spielte einen 90er-Klassiker nach dem anderen, und ich wusste nicht, wann ich das letzte Mal so viel Spaß gehabt hatte. Katy war genauso ausgelassen wie ich. Wir hüpften und tanzten und sangen jede Zeile der Lieder mit, die wir seit unserer Kindheit kannten. Als Footloose gespielt wurde, gesellten sich Emma und Lucy wieder zu uns, und die Menge flippte restlos aus. Lucy griff nach meinen Händen und wirbelte mich herum, als ich ein wohliges Prickeln in meinem Nacken verspürte. Ich drehte mich um und entdeckte Marc, der am Fuß der Treppe stand und mich beobachtete. Unsere Blicke trafen sich und wie von einer unsichtbaren Macht angezogen, ging ich langsam auf ihn zu. Marcs Lächeln wurde strahlender, je näher ich ihm kam, und als ich endlich bei ihm war, zog er mich wie selbstverständlich in seine Arme und küsste mich sanft.
»Du siehst aus, als hättest du Spaß«, sagte er dicht an meinem Ohr, damit ich ihn verstehen konnte.
Ich legte meine Arme um ihn und schob meine Hände in seine Gesäßtaschen. »So viel wie schon lange nicht mehr.«
»Sollte ich mir Gedanken machen, weil du diesen Spaß ohne mich hast?«, neckte er mich.
Lachend drückte ich mich enger an ihn, bis meine Unterlippe sein Ohrläppchen streifte. »Wenn du endlich mal auf die Idee kommen würdest, mich zum Tanzen aufzufordern, hätte ich den Spaß schon längst mit dir haben können.«
Das ließ er sich nicht zweimal sagen und schob mich auf die Tanzfläche. Wie lange wir dort abrockten, konnte ich nicht sagen, aber als Marc mich in die Küche schob, damit wir uns etwas zu trinken holen konnten, war ich außer Atem und leicht verschwitzt. Es war deutlich leerer geworden. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass es bereits nach Mitternacht war. Ich setzte mich auf einen freien Stuhl und beobachtete Marc, der zwei Becher Cola für uns eingoss.
»Willst du heute bei mir übernachten«, fragte Marc, nachdem er sich neben mich gesetzt und mir die Cola gereicht hatte.
Mein Herz machte einen Satz, weil Marc gleichzeitig den Arm um mich legte. Ich lehnte mich an ihn und legte den Kopf auf seine Schulter. »Ich dachte, du wolltest keinen Sex mit mir haben?«
»Ich will auch nicht…« Er unterbrach sich und ich spürte, wie er den Kopf schüttelte. »Natürlich will ich Sex mit dir haben, aber deshalb habe ich nicht gefragt. Ich möchte nur mit dir gemeinsam einschlafen und dich die ganze Nacht im Arm halten.«
Seine Worte lösten eine ungeahnte Wärme in mir aus. Genau dasselbe wünschte ich mir auch, trotzdem ließ ich ihn noch etwas zappeln.
»Aber ich habe überhaupt keine Schlafsachen bei dir. Und keine Zahnbürste.«
»Du kannst dir ein T-Shirt von mir aussuchen und eine Ersatzzahnbürste habe ich sicher noch irgendwo rumliegen.«
»Ich sehe, du bist bestens für spontanen Damenbesuch ausgestattet.«
Marc lachte leise. »Ich kaufe Zahnbürsten immer im Dreierpack, weil meine Mama mir beigebracht hat, sie regelmäßig auszutausehen.«
»Sehr weise, deine Mom.«
»Lass sie das bloß nicht hören, das steigt ihr nur zu Kopf.« Marc löste sich etwas von mir. »Wollen wir dann los oder willst du noch bleiben?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Wir können gerne gehen.« Obwohl mir der Abend sehr gefallen hatte, war ich einfach kaputt. Mich mit Marc in sein Bett zu kuscheln, klang wie der Himmel auf Erden für mich. Wir suchten Connor und Preston, um zu fragen, ob sie mitkamen, aber Connor würde bei Katy übernachten, und auf Prestons Schoß saß eine hübsche Brünette, von der er sich noch nicht trennen wollte. Auch David wollte noch bleiben, daher traten wir den Heimweg alleine an.
Während der kompletten Rückfahrt ließ Marc meine Hand nicht los, was ich unglaublich süß fand, und sobald wir in seiner WG waren, zog er mich als Allererstes in seine Arme. Wir standen einfach im Flur, trugen noch immer unsere Jacken und hielten uns aneinander fest. Zuerst dachte ich, dass es nur ein Vorwand war, um mich zu küssen und weiter zu gehen. Ich wartete regelrecht darauf, dass Marcs Hände an meinem Körper auf Wanderschaft gingen oder er sich in irgendeiner anderen Art und Weise bewegte. Doch nichts passierte. Er hielt mich einfach nur fest, seine Arme um meine Schultern geschlungen und sein Gesicht in meinen Haaren vergraben.
Je länger wir so dastanden, desto mehr wurde mir bewusst, dass Marc tatsächlich keine Hintergedanken hatte und nicht vorhatte, seinen Vorsatz zu brechen. Er wollte mich nur bei sich haben, weil er mich wollte und nicht bloß meinen Körper. Auch wenn Marc mir das mittlerweile mehrfach gesagt hatte, schien ich es erst jetzt richtig zu begreifen. Glück durchflutete mich, drang in jede Zelle meines Körpers vor und ließ ein Lächeln auf meinen Lippen erscheinen. Ich verstärkte meinen Griff um Marc und vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge.
»Ich könnte auf ewig so mit dir stehen bleiben«, murmelte ich an seiner Haut. Erfreut stellte ich fest, wie sich eine Gänsehaut bei ihm ausbreitete.
»Ich auch«, gab er zurück. »Aber ich weiß noch etwas viel Besseres.« Er löste sich etwas von mir, bis er mich ansehen konnte, und schob eine Haarsträhne hinter mein Ohr, Dabei verweilte sein Daumen an meiner Wange und malte kleine Kreise dort, bis ich mich kaum auf seine Worte konzentrieren konnte.
»Kuscheln im Bett.«
Nur widerwillig löste ich mich von ihm und folgte ihm in sein Zimmer. Marc suchte mir ein T-Shirt zum Schlafen aus seinem Schrank und führte mich ins Bad, wo er tatsächlich eine noch unbenutzte Zahnbürste im Schrank fand. Dann ließ er mich alleine, damit ich mich bettfertig machen konnte. Als ich zurück ins Zimmer kam, lag Marc bereits in seinem Bett, die Bettdecke bis zur Nasenspitze hochgezogen. Als er mich erblickte, schlug er einladend die Decke zurück, und ich schlüpfte zu ihm. Er deckte mich zu, legte gleichzeitig den Arm um meine Mitte und zog mich eng an sich.
»Alexa? Licht aus«, sagte er und entlockte mir damit ein überraschtes Lachen.
»Ernsthaft? Du hast so ein Teil?«, prustete ich, als das Licht erlosch und wir in völliger Dunkelheit lagen.
»Hey, diss meine Freundin nicht«, empörte er sich und begann mich auszukitzeln. Sobald seine Finger meine empfindlichen Seiten trafen, entwich mir ein überraschtes Kreischen, das ich so noch nie von mir gehört hatte. Ich versuchte mich aus seinem Griff zu winden, was mir natürlich nicht gelang, weil ich gleichzeitig von Lachern durchgeschüttelt wurde. Irgendwann ließ Marc Gnade walten und brachte seine Finger zur Ruhe.
Keuchend sank ich in die Kissen und versuchte meinen rasenden Puls zu beruhigen.
»Deine Freundin?«
Plötzlich wirkte Marc verlegen. »Naja, bisher war sie die Einzige, die in meinem Schlafzimmer mit mir geredet hat.«
Kichernd zog ich ihn in meine Arme. »Du bist ein hoffnungsloser Fall«, sagte ich liebevoll und gab ihm einen zärtlichen Kuss.