Zur Kenntnis des Entwicklungszyklus der Holostomiden. Zweite vorläufige Mitteilung*
Meine erste Mitteilung über den Entwickungcyclus der Holostomiden ist merkwürdigerweise ohne Widerspruch geblieben und hat sogar einige Bestätigungen gefunden, so dab es jetzt wohl als ausgemacht gelten darf, dab die meisten der Gabelschwanzcercarien zu den Holostomiden gehören. Ich selbst habe über zwanzig verschiedene Dicranocercarien beobachtet. Weitaus die meisten werden in langen Sporocysten gebildet; nur ganz ausnahmsweise geschieht dies in Redien. Bei einzelnen Arten kommem Augenflecken vor, denen keine prinzipielle Bedeutung zuzukommen scheint. Meine Cercarien, meistens aus der Gegend von Rio de Janeiro, fanden sich sowohl in Schnecken als in Bivalven. Die meisten stammen aus Sübwassermollusken, einige jedoch aus marinen Arten. Sie folgen verschiedenen Typen, von denen besonders derjenige der Cercarie gracilis LA VAL. und derjenige der Cercaria vivax Sonsino vorwiegen. Die Schistossomiden kennzeichnen sich besonders durch das [-] abgesetzte Gabelstück, den Mangel eines Pharynx und die ganz rudimentäre Darmanlage. Sie sind übrigens unter dem aus Rio stammenden Material kaum vertreten. Auch infizieren sie nur warmblütige Tiere durch direkte Einwanderung. Cercarien von Typus des Bucephalus, ein Gastrootomum, wurden ebenfalls beobachtet; können aber wegen weitgehender Verschiedenheit kaum in verwandtschaftliche Beziehung zu den Gabelschwanzcercarien gestellt werden. Für letztere gibt es, trotzdem sie in wenigstens zwei und wahrscheinlich noch mehr ganz verschiedene Gruppen zerfallen, doch einen Berührungspunkt darin, dab keine derselben sich unmittelbar incystirt, weshalb auch im Cercarienzustand cystoplastische Zellen fehlen; auch die eigentümliche Bildung des oralen Saugnapfes vereinigt sie, ebenso wie die wenig vorgeschrittene innere Organisation.
Wie ich in meiner ersten Mitteilung angab, dringen die zu Strigea (resp. Holostomum) gehörigen, einander sehr ähnlichen Cercarien von Typus gracilis, je nach der Art, in Sübwasserschnecken, Blutegel oder Kaulquappen ein, wo sie noch Tage lang in freiem Zustande gefunden werden. Ein Teil derselben bildet dann ein Capillarsystem, welches sich mit Excretionskörnchen füllt, wodurch sie ganz undurchsichtig werden (opake Formen). Sie gehen dann schliesslich in die Tetracotyleform über, wie bei den Blutegeln und besonders den Mollusken leicht nachzuweisen ist. Im letzteren Falle handelt es sich um die echte Tetracotyle typica oder eine ganz nahe verwandte Form, die von Faust als Iturbei neu beschrieben wurde. In Enten erzieht man aus ihnen eine Strigea, die ich zu der nicht genau definierten Spezies tarda rechne. Wahrscheinlich ist dieselbe schon früher in Italien aus Tetracotyle typica erzogen worden.
Die Tetracotyle von Strigea lässt sich leicht in Blutegeln aus Dicranocercarien erziehen. Normaliter scheint die Art in Gallinula galeata vorzukommen. Verschiedenheiten in der Grösse der hier beobachteten Blutegel-cysten deuten auf die Möglichkeit, dab sich noch eine zweite Art in Hirudineen incystiert.
Obgleich die anderen Tetracotylen meist weit weniger charakteristisch sind, als die typica, lernt man sie doch bald von anderen Cysten unterscheiden, sowohl makroskopisch, wie mikroskopisch. Sie haben immer eine breite gallertige Aussenhülle und eine scharf umschriebene Innenmembran. Der Inhalt ist dunkel und der zusammengerollte odert stark kontrahirte Parasit meist schwer zu erkennen, wenn man ihn nicht durch Sprengen der Hülle oder durch Verfütterung der Cysten befreit. Bei Verfütterung an ein Täubchen untersucht man nach etwa 12-15 Stunden und findet dann die junge Strigea beweglich, mit gut entwickeltem vorderen und noch kleinem hinteren Segmente. Um die angeführten Hüllen findet sich oft noch eine vom Wirte gelieferte bindegewebige Kapsel, die bald klein, bald auffallend gross ist, so dab sie schon makroskopisch sehr deutlich wird.
Ich habe Tetracotylen in grosserer oder geringerer Anzahl in den verschiedensten Tieren gefunden und die zugehörigen Arten meist mit grösster Leichtigkeit in dem brasilianischen Aasgeier (Catharista atrata, vulgo Urubu) gezüchtet. Nahezu ebensoleicht gelingt es in anderen Raubvögeln und Eulen. Eine vorherige Infektion kann man bei seit einiger Zeit im Käfig gehaltenen Vögeln ausschliessen, wenn die typischen grossen Holostomumeier in der Fäces fehlen. Ausserdem richtet man sich so ein, dab man auch ganz junge Exemplare des Strigeaarten erhält. Die typischen Eier beginnen schon nach ca. 15 Tagen zu erscheinen und beweisen den Erfolg der Infektion. Will man aber lauter vollständig entwickelte Exemplare von der ersten Fütterung erhalten, so wartet man besser doppelt so lang. Die ersten Eier treten in kleiner Zahl und nicht bei allen Individuen gleichzeitig auf und Exemplare mit kaum begonnener Eiablage erschweren die Bestimmung sehr, weil ihre Dimensionen nicht massgebend sind.
Die Tetrakotylen finden sich eingekapselt im Bindegewebe der Muskeln und besonders der serösen Häute, wo sie bald wie eine miliare Tuberkulose aussehen können, bald an eigekapselte Trichinen erinnern. Ich fand solche bei Fischen, Schlangen, Wasservögeln und Raubtieren (Canis Azarae und Grison Vittatus). Dementsprechend nannte ich die zugehörige Strigea ichthyocystis, ophiocystis, ornithocystis und theriocystis. Es sind [-] mittelgrosse Arten oft mit stark entwickelter Bursa, die sich nicht immer deutlich unterscheiden. Früher hielt ich es für selbstverständlich, dab, nach dem ersten Wirte, der immer zu den Mollusken gehärt, alle einen Zwischenwirt hätten, sah mich aber durch eine neuere Beobachtung genötigt, diese Ansicht zu ändern. Bei wenigstens einer (vermutlich aber mehreren) Arten verteilen sich die präcystischen Metacercarienstadien auf zwei Wirte und die Tetrakotylenbildung erfolgt erst im zweiten, dem Hilfswirt. Diese interessante und wichtige Möglichkeit scheint bisher niemand geahnt zu haben.
Die Cercarien von Typus gracilis zeigen so wenig deutliche Strukturei-gentümlichkeit, dab sie sich am leichtesten durch ihre Herkunft und durch ihre Tendenz gewisse Wirte aufzusuchen oder zu verschmähen, identifizieren lassen. Der Darmkanal ist ungefärbt kaum zu erkennen, lässt sich aber durch Neutralrot [-] gut darstellen. Mann erkennt dann ausser dem manchmal dilatirten Õsophagus zwei [-] Darmschenkel, die in verschiedenem Grade abgekürzt erscheinen. Mann kann ohne weiteres annehmen, dab die aus verschiedenen, nicht nahe verwandten Mollusken stammenden Cercarien auch verschieden sind. Bisher habe ich den einfachen Typus gracilis bei Planorbis (verschiedene Subgenera und Arten), ferner bei Physa, Ancylus und Limnaea beobachtet. Der Typus vivax und andere gut charakterisierte Typen finden sich bei den Süsswassermollusken der Genera Melania und Ampullaria, sowie bei Unioniden. Manche derselben zeigen deutliche Drüsenzellen, die sich beim Typus gracilis nicht ohne weiteres erkennen lassen.
Bei in Kaulquappen eingedrungenen Metacercarien erfolgt nicht nur eine Vergrösserung ohne Incystirung, sondern es treten auch am Kopf- und Hinterende Drüsenzellen auf, die bei der ursprünglichen Dicranocercarie nicht zu erkennen sind. Ausserdem wird der Darmkanal weiter und deutlicher gewunden, ohne jedoch das Hinterende zu erreichen. Diese Formen, welche man unbedenklich als junge Distomen bezeichnen würde, leben frei zwischen den Muskelfasern, wo ich sie des öfteren fand, ohne ein Zeichen von Incystirung zu beobachten. Man findet sie im mikroskopischen Präparat häufig contrahirt; werden sie aber durch Zerzupfen der Muskeln frei gemacht, so bringen sie sofort lebhafte Bewegungen. Eine Andeutung von Geschlechts- oder Haftorganen ist zu bemerken.
Vor kurzem fand ich in Natal eine Art dieser distomenartigen Trematoden relativ häufig in den Geweben, besonders zwischen den Muskelfaser von Hyla crepitans. Auch die Kaulquappen derselben Art und derselben Herkunft (Rio Baldo), die recht gross werden, waren bereits infizirt. Von daselbst gesammelten Süsswasserschnecken lieferte nur ein Gyraulus anatinus eine Dicranocercaria von Typus gracilis. Sie zeigte relativ lange Darmschenkel und infizirte Kaulquappen ohne [-]. Es wurde nun ein junges Täubchen während sieben Tagen mit dem Fleisch von infizirten Laubfröschen gefuttert, was durchaus keine Schwierigkeit machte. (Ausser einem Harmostomum kennt man keine Trematoden von Haustauben, obgleich sich einige Strigeaarten in denselben züchten lassen). Eine genaue Untersuchung der Eingeweide ergab keine Helminthen; nur in einer Serosa und im subkutanen Gewebe fanden sich eine Anzahl freier Formen, welche die Übergänge von den bei den Fröschen beobachteten Metacercarien zu breit ovalen, opaken präcystischen Formen zeigte. Zur Bildung der incystirten Tetrakotylen war es noch nicht gekommen, wenigstens wurden keine solche beobachtete. Sie wären aber bei längerem Zuwarten zweifellos gefunden1 worden.
Das Excretionskapillarsystem einer präcystischen Formen war stark mit Körnchen gefüllt, so dab die beiden Saugnäpfe und der Haftapparat in seiner Anlage nicht immer deutlich waren, was bei molludipeda ja ganz gewöhnlich ist. Von den Drüsen, deren Funktion offenbar bereits erfüllt war, konnte nichts mehr erkannt werden. Ihre M[-]lichkeit2 erklärt sich durch die Wanderung in Hilfswirt vom Darm in die Gewebe desselben. Mit dieser Beobachtung ist endlich auch die Lösung der Frage nach der Natur der schon früher in Europa in der Muskulatur der Frösche und in Schweinefleische gefundenen Formen gegeben.
Es fragt sich nun, ob bei den anderen Tetrakotylen, die wir im Urubu gezüchtet haben, die Incystirung im ersten oder zweiten Zwischenwirte stattgefunden hat. Letzteres ist für ornithocystis und theriocystis durch meine Beobachtung bereits sehr wahrscheinlich geworden; für ichthyocystis und ophicocystis bleibt es noch zweifelhaft. Die bisherigen Beobachtungen lassen sich im einen oder anderen Sinne verwerten. Zu bemerken ist indessen, dab in Kaulquappen und Fröschen bereits früher mehrere ähnliche Formen beobachtet wurden, die sich offenbar nicht in ihnen incystiren. Dieselben scheinen zu Dicranocercarie gyrinipeta zu gehören. Der geschilderte Versuch wurde sofort mit zwei ganz jungen Enten (Cairine moschata domestica) wiederholt. Die eine derselben wurde nach 12 Tagen untersucht und zeigte zahlreiche typische Tetrakotylen, welche besonders am Halse und im subkutanen Zellgewebe lokalisirt waren. Der Wirt hatte um diesselben relativ grosse, mit Flüssigkeit erfüllte Cysten gebildet, welche leicht zu sehen waren und wie kleine, Cysticercen aussahen. Ich nehme an, dab diese Cysten sich in Raubvögeln zur Strigea ornithocystis entwickeln, konnte aber den Versuch nicht machen, weil das zweite Entchen, das dazu bestimmt war, lebend nach Rio gebracht zu werden, leider an Bord gestohlen wurde. Verfütterung des Froschfleisches an ein Hündchen und an ein Ferkel in Rio gab ein negatives Resultat. Ein Kätzchen, das in Natal viele Muskeldistomen erhalten hatte, verschwand leider ebenfalls vor Abschlub des Versuches.
Bei Untersuchung zahlreicher lebend nach Rio gebrachten Exemplare des grossen Leptodactylus pentadactylus verschiedener Provenienz wurden ausser Muskelmetacercarien in Distomenform auch Tetrakotylen gefunden, ähnlich den bei Schlangen beobachteten. Dieselben wurden indessen ohne Resultat an ein Täubchen verfüttert. Sie können vorläufig den Namen Tetrachocystis erhalten und haben voraussichtlich nichts mit Strigea gyrinipeta zu tun, deren Tetrakotylen in Vögeln gebildet werden.