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»Wie ich mein Leben beschreiben würde?«, wiederholte ich, um Zeit zu gewinnen. »Nun, Söhnchen, das ist eine große Frage. Und ich weiß nicht, wie ich sie beantworten soll.«

»Vielleicht können Sie mir etwas darüber erzählen, wie Sie so Ihre Tage verbringen. Falls es Ihnen recht ist. Der Rekorder läuft übrigens noch nicht. Wir unterhalten uns einfach nur.«

Ich nickte. Ich wollte ihn aus der Fassung bringen, würde Shakespeare zitieren, weil ich wusste, dass er sein Werk noch nicht kannte. Ich würde ihn Söhnchen nennen, weil er es hasste, Söhnchen genannt zu werden, und weil ihn der Ärger ablenken würde. Ich würde meine tote Frau zur Sprache bringen, weil ihm das Scheitern seiner eigenen Ehe peinlich war. Ich würde dafür sorgen, dass er sich wegen seines Akzents unsicher fühlte, denn während seiner Ausbildung hatte er am stärksten mit Akzenten und Dialekten zu kämpfen gehabt. Erst einmal aber wollte ich ihn einlullen mit meinem vermeintlich so ruhigen Leben.

»Nun«, sagte ich. »Ich komme jeden Tag für ein paar Stunden und spiele Geige, während der Hund zu meinen Füßen liegt und die Pendler vorbeihasten und mir gelegentlich eine Münze zuwerfen. Sie bewegen sich in einem unmenschlichen Tempo, diese Pendler. Es hat einige Zeit gedauert, bis ich mich daran gewöhnt habe.«

»Sind Sie aus der Gegend?«, fragte der Ermittler.

»Von einer Farm außerhalb. Habe da mein ganzes Leben verbracht. Aber wissen Sie, Söhnchen, als ich die Farm übernahm, bestand Landwirtschaft für uns Kleinbauern meist nur noch im Zusehen. Man sieht den Robotern zu, wie sie übers Feld ziehen. Manchmal hantiert man an deren Einstellungen herum, aber es sind gute Maschinen, die sich überwiegend selbst einstellen; sie brauchen uns nicht oft. Und nur um sich zu beschäftigen, spielt man Geige auf den Feldern. Aus der Ferne gesehen steigen die Luftschiffe langsam wie Glühwürmchen auf, von Nahem wirkt das viel schneller.«

Wenn ich im Luftschiffterminal Geige spielte, kam es mir manchmal vor, als würden die Luftschiffe nach oben fallen, als wirkte die Schwerkraft in umgekehrter Richtung. Sie nahmen ihre Last auf, Pendler mit ausdruckslosen Gesichtern, und fielen in den Himmel. Manchmal, wenn die Pendler vorüberhasteten, nahmen sie mich wahr und warfen mir eine Münze zu. Ich schaute zu, wie die Schiffe sie in den frühen Morgen hinauftrugen, zu ihren Arbeitsplätzen in Los Angeles, Nairobi, Edinburgh oder Peking. Ich dachte an ihre Seelen, die rasend schnell über den Himmel zogen.

»Als meine Frau starb«, erzählte ich dem Ermittler, »behielt ich die Farm noch ein Jahr und dachte mir dann, ach, zur Hölle damit.«

Er nickte, täuschte Interesse vor, kämpfte gegen seine Nervosität an und redete sich ein, dass er seinen Job gut machte. Was ich ihm verschwieg: Allein dort draußen, ohne Talia, war mir, als würde ich mich in Nichts auflösen. Nur ich, der Hund und die Farmroboter, tagein, tagaus. Das Wort Einsamkeit reichte nicht aus, das zu beschreiben. Diese Leere. Nachts saß ich mit dem Hund auf der Veranda und mied das stille Haus. Spielte jenes Kinderspiel, bei dem man mit zusammengekniffenen Augen zum Mond hochsah und sich einbildete, man könne auf seiner Oberfläche die helleren Flecken der Kolonien erkennen. Fern jenseits der Felder die Lichter der Stadt.

»Ist es okay, wenn ich jetzt den Rekorder anmache?«, fragte der Ermittler.

»Nur zu.«

»Eins, zwei, eins, zwei, Aufnahme läuft. Danke, dass Sie sich die Zeit für dieses Gespräch nehmen.«

»Aber gern. Danke fürs Mittagessen.«

»Nun, nur der Aufzeichnung zuliebe: Sie spielen Geige?«, fragte mein früheres Selbst.

Ich hielt mich an die Mitschrift: »Ja, das tue ich. Ich spiele im Luftschiffterminal.«

Wenn ich nicht im Terminal spielte, ging ich gern mit dem Hund auf den Straßen zwischen den Türmen spazieren. Auf diesen Straßen gingen alle schneller als ich, aber sie wussten auch nicht, dass ich mich schon zu schnell bewegt hatte, zu weit, und dass ich nicht weiter reisen wollte. Unlängst habe ich viel über Zeit und Bewegung nachgedacht, darüber, ein Ruhepol in der endlosen Eile zu sein.