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Die Stimmung im Besprechungsraum ist gespannt, von dem lockeren Teamgeist, der zu Ernes Zeiten hier geherrscht hat, ist nichts mehr zu spüren. Jessica weiß, dass Hellu nur zur Hälfte daran schuld ist. Mit dem Freund einer Kollegin zu schlafen vergiftet das Arbeitsklima nämlich auch.

Es ist sonnenklar, dass sie irgendwann unter vier Augen mit Nina darüber reden muss, aber es ist schwierig, Zeit für dieses mit Sicherheit peinliche Gespräch zu finden. Vielleicht steckt sie aber auch nur den Kopf in den Sand, wann immer es möglich ist.

Jessica betrachtet Nina, die einen Löffel und zwei in Küchenkrepp gewickelte Eier aus ihrem Rucksack holt. Ein merkwürdiger Imbiss, und gleichzeitig so typisch Nina.

Jessica lächelt unwillkürlich, als Nina die Eier auf den Tisch legt. Das Judo, das Nina seit ihrer Jugend betreibt, und das zielstrebige Krafttraining ist nicht nur an ihren sehnigen Armen zu sehen, sondern auch an der Art, wie sie sich hält, wie sie ihren Körper beherrscht und alltägliche Beschäftigungen erledigt. Von ihren physischen Eigenschaften her ist Nina ein echtes Kraftpaket, aber im Team fällt ihr gerade die Aufgabe zu, die vielleicht am wenigsten körperlichen Einsatz erfordert: Mit dem Vergrößerungsglas nach Beweisen zu suchen.

»Na dann, werte Gäste«, sagt Hellu und zupft sich am Ohrläppchen. »So ähnlich wie es in dem Song von Kex Mace’s heißt, the web is getting tighter. Das Netz zieht sich zu.«

Jessica wischt sich das Lächeln aus dem Gesicht, indem sie sich auf die Lippe beißt. Es überrascht sie, dass die Hauptkommissarin sich den Text von Kex Mace’s so genau eingeprägt hat.

Im Zimmer sitzen außer Hellu, Nina und Jessica auch alle anderen Mitglieder des Ermittlungsteams: Rasmus, Jusuf und Harjula, der ausgeblichene Jeans und ein schwarzes Poloshirt trägt. Jusuf hat gleich zu Beginn der Besprechung seinen Teil zur Wahrung der gespannten Atmosphäre beigetragen, indem er gefragt hat, ob Harjula bei der Sitzung ein neues iPhone vorstellen wolle. Harjula schien ihm den Vergleich mit Steve Jobs nicht übelzunehmen, sondern hat sein altbekanntes Mona-Lisa-Lächeln aufgesetzt. Witzig, Jusuf. Gut beobachtet.

»Jessica, du hast das Wort. Erzähl uns, wo wir stehen«, sagt Hellu.

Jessica schlägt ihr Notizbuch auf und überfliegt ihre handschriftlichen Aufzeichnungen.

»Krista Günsberg, die uns über das Kambo-Studio informiert hat, war gleich heute früh bei der Blutprobe und hat die Ergebnisse sofort bekommen. In ihrem Blut wurden nicht dieselben Rauschgifte gefunden wie bei Olga Belousova.«

»Nicht dieselben

»Na ja, es wurde Cannabis gefunden, aber das ist für die Ermittlung wohl unerheblich«, meint Jessica.

Hellu sieht aus, als handle es sich um ein schweres Verbrechen, übergeht die Bemerkung aber mit einem tiefen Seufzer.

»Das stützt also die Vermutung, dass Rodriguez in seinem Studio zwei verschiedene Pakete verkauft hat. Was er wem angeboten hat und ob einige seiner Kunden bewusst den härteren Cocktail bestellt haben, ist noch ungeklärt«, sagt Jessica, sucht kurz Blickkontakt zu den anderen am Tisch und kehrt dann zu ihren Notizen zurück.

»Jose Rodriguez, der gestern in seinem Studio ermordet wurde, ist bisher nicht auffällig geworden. In den Räumen wurden keine Drogen gefunden, aber sie wurden durchwühlt, und aus den Regalen wurde ganz offensichtlich etwas entfernt, außerdem fanden sich in einigen Gefäßen Spuren von Rauschgiften.« Jessica projiziert Fotos vom Tatort an die Leinwand. »Alles war vorhanden: das Handy auf dem Fußboden, die Brieftasche in der Tasche und ein paar Hunderter in der Kasse. Einen Raubmord können wir also ausschließen.«

»Wurde in den Räumen sonst noch etwas gefunden?«, fragt Hellu.

»So gut wie nichts. An der Garderobe hing eine gelbe Regenjacke, in deren Tasche eine Sprühflasche mit Reinigungsmittel steckte.«

»Weckt das irgendwelche Ideen?«, erkundigt sich Hellu, nachdem sie Jessica eine Weile in die Augen gesehen hat.

»Insofern ja, als die gelbe Regenjacke nicht so ganz zum Stil des Opfers passt. Außerdem deutet das Reinigungsmittel darauf hin, dass Rodriguez – falls die Jacke ihm gehört – seine Spuren beseitigen wollte. Wo und warum, das ist ein Rätsel.«

»Aber in der Tasche war kein Putztuch?«, will Hellu wissen.

Jessica schüttelt den Kopf.

»Gibt es Beobachtungen zum Täter?«, fragt Nina, klopft mit dem Teelöffel gegen eins der Eier und beginnt es zu schälen. Jessica sieht ihre Kollegin überrascht an. In Ninas starken Fingern verliert das hartgekochte Ei rasch seine Schale.

»Nein«, antwortet Jessica. »Es haben sich keine Augenzeugen gemeldet, und am Haus gibt es keine Kameras. Auf dem Tisch lag allerdings ein Reservierungsbuch, in dem Rodriguez alle vereinbarten Termine vermerkt hatte.«

»Vielleicht steht der Name des Mörders in dem Buch«, wirft Hellu ein.

Jessica sieht ihre Vorgesetzte von unten herauf an und denkt an den Refrain des zweiten Hits von Kex Mace’s, Euthanizing Her Softly.

»In dem Fall hätte der Schütze es bestimmt mitgenommen«, erwidert Jessica so diplomatisch wie möglich, doch der Versuch misslingt. Hellu bedenkt sie mit einem mörderischen Blick. Mach mich hier bloß nicht zum Affen, Niemi, scheint sie zu denken.

Als Jessica heute in Pasila angekommen ist, hat sie ein seltsames Gefühl befallen: Etwas hat sich verändert. Sie ist sich sicher, dass in Hellus Blick nicht mehr nur Verachtung und Hass liegen, sondern auch Siegessicherheit und Schadenfreude.

»Der Schütze ist das Gespenst«, sagt Harjula, und niemand widerspricht ihm.

Rasmus sieht allerdings so aus, als ob ihm der Gedanke nicht behagt.

»Raus mit der Sprache, Rasse«, fordert Jessica ihn auf.

Rasmus hebt erschrocken den Kopf. »Ich? Ich hab nichts …«

»Sprich ruhig«, wiederholt Jessica. Rasmus redet wenig, aber was er sagt, hat Hand und Fuß. Deshalb hat Jessica gelernt zu erkennen, wann man ihn dazu drängen muss, seine Überlegungen zu teilen. Sie sind wie die Einfälle, die einem Schriftsteller mitten in der Nacht durch den Kopf schießen: Wenn man sie nicht sofort notiert, können sie in Vergessenheit geraten und für immer verschwinden.

Rasmus schluckt vernehmlich und sieht Nina hilfesuchend an. Aber vielleicht starrt auch er nur auf das Ei, von dem Nina gerade die Hälfte abgebissen hat. Ein unangenehmer Geruch breitet sich aus.

»Wir wissen ja eigentlich nichts über das Gespenst«, beginnt er. »Wir wissen nur, dass es mit Lisa Kontakt hatte und ein Bild von dem Leuchtturm bestellt hat und …«

»Na, macht ihn nicht schon das zum Mörder?« Harjula lacht auf. »Was brauchen wir noch?«

Rasmus antwortet nicht sofort, die kurze Stille dient bei ihm als Stoßdämpfer.

»Nicht unbedingt«, fährt er dann fort. »Denkt den Fall mal von Anfang an durch. Wenn Lisa in den sozialen Medien für Kambo geworben hat und das Gespenst vermutlich für ihr Verschwinden verantwortlich ist … Warum sollte es Jose Rodriguez erschießen?«

»Vielleicht wollte das Gespenst allem ein Ende machen?«, schlägt Hellu vor.

Rasmus wirkt verblüfft. »Das Gespenst wäre also eine Art Wohltäter? Ein Mann, der Selbstjustiz übt …«

»Dexter. Batman. Tarzan«, lächelt Jusuf.

»Zum Teufel«, flüstert Nina und stopft sich den Rest des Eis in den Mund.

»Schluss jetzt!«, sagt Hellu bestimmt, aber ohne die Stimme zu erheben. »Das sind sinnlose Spekulationen. Wir brauchen mehr Indizien. Gibt es noch etwas Konkretes?«

Jessica nickt und räuspert sich. »Nina und Rasmus haben gestern etwas Wichtiges entdeckt.«

»Nina hat es entdeckt«, sagt Rasmus leise, und Nina lächelt.

»Akifumis Identität ist immer noch ein Rätsel, aber Nina hat die Logik erkannt, die hinter der Ziffernreihe 2511946 steht«, fährt Jessica fort und klickt die Datei an, die Rasmus ihr in der Nacht geschickt hat.

»Sie wurde in verschiedenen Varianten auf Instagram als Hashtag verwendet«, erklärt sie. »Der letzte Teil der Reihe verweist immer auf die Vorwahl eines Landes. Zum Beispiel bedeutet 2511946 Schweden, 2911947 Norwegen und 25119358 Finnland. Alle Hashtags sind mit Fotos verknüpft, die Restaurants oder Hotels zeigen.«

Hellu wirkt begeistert.

»Was ist denn mit diesen Orten?«, fragt Harjula.

»Das wissen wir noch nicht, aber irgendwie hat es mit diesem Fall zu tun. Nicht nur wegen Akifumis Instagram-Profil. Eine der zehn Stellen in Finnland ist nämlich das Fenix. Und das dürfte kein Zufall sein.«

»Verdammt«, sagt Harjula. »Dieser Restaurantchef, mit dem ihr gesprochen habt.«

»Frank Dominis«, ergänzt Jessica widerstrebend.

Irgendetwas an der Vorstellung, dass der spröde Amerikaner mit seinem eher schlechten Ruf tatsächlich der Böse in dieser Geschichte wäre, ist äußerst unbefriedigend. Und zu offensichtlich. Jessica ist nicht ohne weiteres bereit, diese Theorie zu schlucken.

Oder sie will an etwas glauben, woran sie um keinen Preis glauben dürfte. An die Unschuld einer leidgeprüften Seele. Dazu hat sie sich schon einmal verleiten lassen, in ihrem früheren Leben. Und eigentlich auch bei Mikael.

»Frank Dominis muss etwas wissen«, meint Harjula.

»Jessica und ich befragen ihn nochmal«, sagt Jusuf.

»Und diese Instagram-Accounts, auf denen die Hashtags stehen? Wem gehören die?«, fragt Hellu.

»Nina hat sofort gemerkt, dass es Fake-Accounts sind«, erklärt Rasmus. »Ich habe herausgefunden, dass sie vor Jahren in einer ukrainischen Trollfabrik geschaffen wurden. Natürlich versuche ich, den Auftraggeber aufzuspüren, aber ich fürchte, der Endverbraucher hat seine Spuren ziemlich effektiv verwischt.«

»Okay, und wie sieht es mit Facebook aus? Wann können wir mit Informationen über Akifumis Profil rechnen?«, erkundigt sich Jessica.

Rasmus zuckt die Achseln.

»Keine Ahnung. Hoffentlich bald. Die offizielle Anfrage habe ich gestern Abend gestellt. Dasselbe gilt für den Telefonanschluss des Gespenstes. Ich habe noch keine Antwort von den japanischen Behörden bekommen.«

Jessica nickt und ruft das nächste Foto auf.

»Außerdem müsstest du jetzt versuchen, von Instagram alle Fotos zu bekommen, die kürzlich von Lisas Account entfernt wurden, Rasse. Ist das machbar?«

»Soweit ich mich erinnere, ist das innerhalb von 30 Tagen möglich. Ich schick die Bitte gleich los.« Rasmus tippt auf seinem Computer.

»Und hier ist die vierte Sache, bei der wir auf Hilfe von den Behörden eines anderen Landes warten. Auch hier geht es um Japan«, sagt Jessica, als das Bild eines breitschultrigen Mannes mit Hakennase und tellergroßem Gesicht auf der Leinwand erscheint.

»Hirokazu Yamamoto, Lisas Vater«, erklärt sie. »Ursprünglich Hirokazu Kondo. Er ist 1998 mit Lisa aus Japan nach Finnland gezogen. Hat seinen Namen gewechselt. Ich habe Informationen bekommen, wonach er seiner Tochter Auftritte in den sozialen Medien verboten hat. Sehr nachdrücklich, sogar in drohendem Ton.«

»Woher hast du die Information?«, fragt Hellu.

Jessica schluckt fast unmerklich. Im Licht der neuesten Erkenntnisse ist Frank Dominis nicht unbedingt die zuverlässigste Informationsquelle, aber sie sieht keinen Grund, weshalb er die Geschichte von Lisas Vater erfunden haben sollte. Zudem wird seine Aussage durch Hirokazus Reaktion am Flughafen unterstützt. Jetzt wird das Team sich auf mich stürzen.

»Dominis hat es mir erzählt«, antwortet sie so selbstsicher wie möglich.

Jami Harjula prustet los, und auch Hellu wirkt nicht überzeugt.

»Lisa hatte es ihm anvertraut. Sie sind Freunde«, erklärt Jessica hastig.

»Freunde. Der Sugar Daddy und die attraktive Bloggerin«, sagt Harjula mit sarkastischem Unterton. Jessica sieht Jusuf an, von dem sie weiß, dass er derselben Meinung ist wie Harjula. Doch Jusuf beteiligt sich nicht an dem Spott. Nicht jetzt, wo sich die Situation gegen Jessica wendet. Danke, Jusuf.

»Im Moment können wir meiner Meinung nach davon ausgehen, dass Dominis die Wahrheit sagt und dass Hirokazu einen Grund für sein Verhalten hat. Ich vermute, dass Hirokazu befürchtet, von jemandem gefunden zu werden. Von jemandem, vor dem er damals aus Japan geflohen ist. Das könnte der Grund für Lisas Verschwinden sein.«

»Erzähl von der Fingersache«, meint Jusuf und trinkt von seinem Kaffee.

Jessica nickt und legt eine kurze Pause ein.

»Hirokazu fehlt ein Stück vom kleinen Finger«, erklärt sie, nachdem sie die Neugier der anderen eine Weile hat wachsen lassen.

»Yakuza«, sagt Rasmus leise, und alle scheinen zu wissen, worum es sich handelt. Das ist selbst unter Polizisten keineswegs selbstverständlich: Ein Mitglied der Polizeiführung hat bei einer lange zurückliegenden Pressekonferenz die Yakuza mit dem Jacuzzi, dem Whirlpool also, verwechselt, wofür er bis heute gehänselt wird.

»Hirokazu ist also ein ehemaliger Krimineller?«, schließt Hellu. »Vielleicht handelt es sich um Zeugenschutz?«

Jessica atmet erleichtert auf. »Genau«, nickt sie. »Das würde seine ablehnende Einstellung zu den sozialen Medien erklären. Und deshalb habe ich die Sicherheitspolizei um Hilfe gebeten, am Flughafen haben sich zwei Männer in Zivil an das Ehepaar drangehängt. Sie erstatten mir Bericht und greifen gegebenenfalls ein, wenn etwas Verdächtiges passiert.«

»Hervorragend«, sagt Hellu überraschend und steht auf. »Die Sache geht voran. Gut so. Ich habe jetzt ein Treffen in der Chefetage. Aber haltet mich auf dem Laufenden, okay?«

Als niemand Einwand erhebt, verlässt sie den Raum.

Jessica bleibt sitzen, sie hört, wie die Stuhlbeine über den Boden scharren und die Ermittler aufstehen und sich recken. Nur Nina sitzt nachdenklich an ihrem Platz. Noch zu Beginn des Jahres hätte Jessica sie gefragt, worüber sie grübelt. Aber jetzt fällt es ihr schwer, die Initiative zu ergreifen. Verdammt, gib dir Mühe, Jessica.

»Was überlegst du, Nina?«, fragt Jessica mit leicht belegter Stimme.

Nina richtet ihren konzentrierten Blick auf Jessica, und eine Weile starren sie sich nur in die Augen. Wenn Blicke töten könnten, wäre Jessica vermutlich schon hinüber.

»Mir ist da was eingefallen«, sagt Nina schließlich mit kalter Stimme. »Pastor Nikolas Ponsi, der Jason Nervander als vermisst gemeldet hatte, hat mir erzählt, dass Jason zwar seines Wissens nie gewalttätig war, dass er aber, wenn er getrunken hat, oft moralisch unzurechnungsfähig war – an sich ein interessanter Ausdruck für jemanden, der fremdgeht.«

»Und?« Jessica ignoriert bewusst den eindeutig gegen sie gerichteten Hieb.

»Nikolas Ponsi ist nicht nur Pfarrer, sondern auch ausgebildeter Sexologe und Sexualtherapeut. Er hilft Jugendlichen, die Probleme mit ihrer Sexualität haben. Ich habe darüber nachgedacht, warum Jason und er so eng befreundet sind. Ein Pfarrer in mittleren Jahren und ein fünfzehn Jahre jüngerer atheistischer Blogger, der es mag, andere auszupeitschen oder sich auspeitschen zu lassen.«

»Das ist schon seltsam, aber …«

»Bei unserem Treffen hat Ponsi gesagt, Jason hätte aktiv an der Jugendarbeit der Gemeinde teilgenommen und dadurch hätten sie sich kennengelernt. Ich hab danach ein paar Telefonate geführt und herausgefunden, dass Jason tatsächlich in der Jugendarbeit aktiv war, aber nicht bei der Gemeinde, sondern bei der HSSW. Der Helsinkier Stiftung für sexuelles Wohlergehen. Die hat nichts mit der Kirche zu tun. Allem Anschein nach hat Ponsi Nervander erst später zur Jugendarbeit der Kirche geholt.«

»In der Frage, wie sie sich kennengelernt haben, hat Nikolas Ponsi also gelogen?«

»Vielleicht konnte er nicht anders, weil er nicht verraten wollte, dass sie sich im Rahmen einer Sexualtherapie kennengelernt haben. Was, wenn Jason Ponsi von seinen Neigungen oder seiner sexuellen Frustration erzählt hat? Zum Beispiel von dieser Sadomaso-Sache? Was, wenn Jason sich nicht nur für SM interessiert, sondern auch einen Schuluniformen-Fetisch hat und es dem Pfarrer gebeichtet hat?«

Jusuf, der an der Tür stehengeblieben war, kehrt interessiert an den Tisch zurück.

»Wir wissen schon aufgrund des Inhalts von Jasons Wandschrank, dass es ihm nicht gereicht hat, in einschlägigen Illustrierten Brüste anzugucken oder Tinder-Dates zu vereinbaren, oder? Vielleicht war Jason gerade deshalb in der bewussten Nacht in Aurinkolahti«, erklärt Nina. »Weil er sich die Frau gekauft hatte. Weil er nicht anders konnte. Aber Olga bekam mittendrin einen Herzinfarkt, und Jason hat versucht, sie wiederzubeleben. Das misslang. Und deshalb musste er untertauchen.«

»Interessant«, sagt Jessica anerkennend »Aber das erklärt noch nicht, wieso bei Instagram die Todesanzeige gepostet wurde.«

»Nein«, räumt Nina ein. »Aber wir sollten noch einmal mit Nikolas Ponsi sprechen. Vielleicht wollte er nicht ins Detail gehen. Als Seelsorger. Ich bin sicher, dass er etwas über Jason weiß, was er noch nicht verraten hat. Und ich wette, dass es um etwas viel Brisanteres geht als um Latexkleidung.«

»Ich fahre selbst nach Kallio. Danke, Nina«, sagt Jessica gerade in dem Moment, als das Display ihres Handys auf dem Tisch zum Leben erwacht.

Eine Nachricht von Essi.