82

Hellu wählt das Spülprogramm und schließt die Spülmaschine. Sie hört, wie das Wasser durch die Rohre fließt und von der Maschine eingesogen wird. Dann beginnt das mechanische Surren, das anderthalb Stunden lang andauern wird. Zeit genug, um die Küche zu putzen, zwar nicht so gründlich, wie es ihr lieb wäre, aber für eine kleine Verschönerung reicht es allemal.

Hellu feuchtet den Putzlappen an, sprüht Putzmittel in das Spülbecken und wischt es noch einmal sauber. Sie denkt an Jessica und daran, wie sie morgen das Team auf neue Art in den Griff nehmen wird. Teile und herrsche. Das Timing für den taktischen Zug war perfekt: Gerade jetzt hat Jessica in der Einheit nicht allzu viele Freunde, loyale Gefolgsleute, die ihren Weggang bedauern und dumme Fragen stellen könnten oder auf den Verdacht kämen, dahinter stecke eine Verschwörung. Nein, es wird allen klar sein, dass Jessica Niemi sich selbst dazu entschlossen hat, ihre Laufbahn zu beenden. Und ja, Helena Lappi, die Leiterin der Einheit, bezeichnet diese Entscheidung als überraschend, stellt gleichzeitig aber fest, dass Finnland ein freies Land ist und niemand Jessica zwingen kann, als Polizistin zu arbeiten. So wird es nach außen aussehen. So soll es auch aussehen. Und wenn Hellu auf dem Flur Jens Oranen begegnet, wird er sie zufrieden ansehen, sie in sein Zimmer bitten und ihr die Hand schütteln. Effizientes Vorgehen, Lappi, wird Oranen sagen, und ihre Karriere macht einen steilen Sprung nach oben.

Hellu schreckt auf, als sie eine Berührung an der Taille spürt.

»Ich geh jetzt«, sagt Hanna dicht an ihrem Ohr. Sie hat ihre Arme um Hellu gelegt.

Hellu versteht nicht gleich, was Hanna meint.

»Heute? Nachtschicht?«, fragt sie überrascht, dreht sich um und sieht Hanna in die Augen.

Hanna wirkt belustigt.

»Stehst du unter Stress? Normalerweise kommen meine Nachtschichten nicht überraschend für dich. Du kennst meine Schichtliste sonst immer auswendig«, sagt sie und drückt ihre Lippen auf Hellus. Hellu spürt, dass ihre Wangen glühen.

Hanna ist schön, viel schöner als sie selbst. Und am allerschönsten ist sie ganz aus der Nähe, wenn sie sich küssen. Wenn sie sich berühren, wenn Hannas Augen lachen und sie sich lächelnd auf die Unterlippe beißt, Hellu streichelt und ihr Genuss verschafft.

»Dann sehen wir uns morgen früh«, sagt Hellu. Hannas Finger liebkosen immer noch ihren Nacken.

»Vielleicht haben wir irgendwann mal einen gemeinsamen Abend. Oder Morgen.«

Da klingelt es an der Tür.

»Erwartest du jemanden?«, fragt Hanna lächelnd. »Hast du deine Liebhaberin eine Stunde zu früh herbestellt?«

»Unfehlbare Logik. Ich hatte doch komplett vergessen, dass du Nachtschicht hast«, lacht Hellu und wirft den Putzlappen ins Spülbecken.

»Ich lass sie rein, wenn ich rausgehe«, meint Hanna. Sie ist bis auf die Schuhe schon ausgehfertig angezogen und hängt sich einen hellblauen Stoffbeutel über die Schulter.

»Bis dann«, sagt sie augenzwinkernd, geht aus der Küche ins Wohnzimmer und dann die Treppe zur Haustür hinunter. Hellu lehnt sich an die Kochmulde, trocknet sich die Hände ab und horcht. Als die Haustür aufgeht, hört sie einen gedämpften Wortwechsel. Auf Englisch.

Sie geht leise zur Treppe, sieht Hanna, die sich gerade bückt und ihre Schuhe anzieht. Vor der Tür sind zwei braune Lederschuhe und ein Stück einer dunklen Hose zu sehen.

»Hellu, Besuch für dich«, ruft Hanna.

Und da riecht Hellu ein intensives, süßliches Rasierwasser.