KAPITEL 11

»Bist du lebensmüde, Fawn?«, zischte Robyn ungläubig und sah mich fassungslos an. »Du willst ins Schloss einbrechen? Warum gehst du nicht gleich zum König und bittest ihn, deinen Kopf abzuschlagen!«

»Nun, es ist Nacht und er wird sicherlich schlafen. Es wäre doch unhöflich, ihn um diese Zeit mit einer solch profanen Bitte zu belästigen, findest du nicht?«

»Fawn! Das ist nicht witzig.«

Ich lächelte mühselig. »Ich versuche, die Stimmung zu lockern.«

»Du bist nicht erfolgreich«, erwiderte meine Freundin hitzig und umarmte ihren Oberkörper. Sie trug nur ein dünnes Nachtgewand und die einzelne Kerze, die sie auf dem hölzernen Nachttisch neben ihrer Strohmatratze entzündet hatte, spendete kaum Wärme. »Du kannst hier nicht einfach so auftauchen, nachdem dein Gesicht an jede Laterne gepflastert wurde, und ohne Erklärung von mir verlangen, dir eine Wegbeschreibung zum Schloss zu geben. Ich meine … wir hatten solche Angst um dich!« Besorgt sah sie mich an und ihr Blick flackerte nervös zur Tür ihrer Kammer, bevor sie mit gesenkter Stimme fortfuhr: »Bist du wirklich Teil der Wissensjäger, Fawn?«

Ich zog eine Grimasse und schloss die Augen. »Es ist kompliziert.«

»Nun, ich bin ziemlich intelligent.«

»Ich kann es dir nicht sagen, Robyn! Zu viele andere Schicksale hängen an meinen Worten.«

Ihre Augen weiteten sich und sie umfasste krampfhaft den Saum ihres weißen Hemdes. »Du bist wirklich eine von ihnen«, hauchte sie.

Mist. Manchmal sagte man selbst zu viel, indem man zu wenig sagte.

Ich seufzte schwer und lehnte mich gegen den Fenstersims, über den ich vor keinem halben Sonnenschritt in das Zimmer geklettert war. »Ja und nein. Ich wollte nicht Teil von ihnen werden, doch irgendwie … Es ist irrelevant.« Ich räusperte mich, denn meine Kehle war auf einmal furchtbar trocken geworden. »Robyn, wir haben keine Zeit zu quatschen«, wisperte ich. »Es ist ernst, okay? Ich kann dir nicht genau sagen, warum … aber es werden wirklich schlimme Dinge passieren, wenn ich heute Nacht nicht ins Schloss einbreche und in der königlichen Bibliothek ein Pergament finde, auf dem die wichtigsten Lügen Mentanos festgehalten werden. Du musst mir einfach glauben.«

»Du willst allein dort hingehen?« Entgeistert schüttelte sie den Kopf.

»Mir bleibt keine andere Wahl«, erwiderte ich nüchtern. »Ich werde niemanden mit in mein Verderben ziehen – aber nichts zu tun, ist auch keine Option. Ich hatte gehofft, dass du mir vielleicht ein paar Tipps geben könntest. Du warst doch schon mal im Palast. Weißt du zufällig, wie viele Wachen sie nachts aufstellen? Wo sie patrouillieren? Worauf ich achten muss?«

Robyn zupfte noch immer nervös am Saum ihres Nachthemdes, sodass er bereits ganz zerknittert war. »Was machst du, wenn du erwischt wirst, Fawn? Willst du die Gardisten einfach … einfach umbringen?« Ihre Stimme brach. »So wie du diese Roten Magier umgebracht hast, die dich in die Minen bringen wollten?«

»Was?« Bestürzt sah ich sie an. Kälte kroch durch meine Adern und mein Magen war plötzlich furchtbar flau. »Ich habe niemanden umgebracht! Das hat das Wochenblatt erfunden. Alles darin ist erfunden.« Kontrolliert atmete ich ein und aus. Sie konnte doch nicht wirklich glauben, was sie da gelesen hatte! »Bitte, Robyn!«, wisperte ich flehentlich. »Du weißt, dass ich so was nie tun würde. Ich würde dir gern alles erklären, aber mir fehlt die Zeit. Wenn du mir also einfach sagen könntest, wo die Schwachstellen in der Schlossmauer liegen, welcher Weg am besten dort hineinführt …«

Meine Freundin seufzte schwer und sank aufs Bett, die Hände in ihren Haaren vergraben. »Du meinst das wirklich ernst, oder?«

»Ja«, sagte ich leise.

»Aber das ist Wahnsinn, Fawn«, flüsterte sie, ihre Worte eng aneinandergedrängt. »Wir können nicht einfach so zu zweit da hineinspazieren. Was, wenn wir erwischt werden? Sie werden uns hängen.«

Perplex weitete ich die Augen. »Zu zweit? Nein, nein. Du kommst nicht mit.«

Sie schnaubte und sah mich von unten herauf an. »Ich lasse dich ganz bestimmt nicht allein dort einbrechen!«, stellte sie klar. »Du weißt nichts über das Schloss. Du hast keine Chance ohne mich.«

Ich schluckte fest und schüttelte den Kopf. »Ich möchte dich keiner Gefahr aussetzen, Robyn. Das ist mein Chaos. Ich bin es, die es wieder ordnen wird. Mitzukommen wäre viel zu gefährlich. Du hilfst mir schon, wenn du mir ein paar Tipps dazu gibst, wie ich am besten ins Schloss hineingelange. Wenn du mir erzählst, wie der Königshof aufgebaut ist. Wo ich mit Wachen zu rechnen habe. Wo die Bibliothek liegt.«

Meine Freundin lachte trocken auf. »Auch drei Nächte würden nicht reichen, um dir alles zu erzählen. Zu zweit haben wir zumindest eine Chance, heile wieder rauszukommen. Allein wirst du gefasst und verurteilt werden.« Ihre Stimme hörte sich erschreckend ruhig an und ihr Blick war bestimmt. »Ich glaube dir, wenn du sagst, dass du dort einbrechen musst. Und natürlich werde ich dir helfen.« Sie seufzte und schloss die Augen. »Aber wäre es nicht ratsamer, weitere Verstärkung zu holen? Vielleicht einen Wissensjäger? Unter ihnen sind doch sicherlich ein paar gute Kämpfer. Zu zweit …«

»Nein«, unterbrach ich sie scharf. »Sie werden nicht helfen. Sie halten das hier für eine Schnapsidee.«

Robyn gab einen hysterischen Ton von sich. »Tatsächlich? Wie kommen Sie denn darauf?«

»Ich werde allein gehen.«

»Zu zweit.«

»Robyn …«

»Du hast mich gerettet, Fawn«, sagte sie fest. »Lass mich jetzt dich retten.«

Meine Augen brannten und ich presste die Lippen aufeinander. »Es ist zu viel verlangt«, wisperte ich und schluckte fest. »Ich kann nicht … Wenn dir etwas passieren würde, könnte ich es nicht ertragen.«

»Du verlangst es nicht, ich biete es dir an«, beharrte sie. »Auch wenn ich denke, dass wir mithilfe der Wissensjäger …«

»Auf sie können wir uns nicht verlassen«, sagte ich bestimmt. »Und ich habe keine Zeit, dir zu erklären, warum. Es werden eine Menge Menschen sterben, wenn wir uns nicht beeilen. Unschuldige Menschen, Robyn.«

Sie sah ängstlich zu mir auf. »In was bist du da nur hineingeraten?«

»Mein Bruder würde behaupten, ich habe mich hineingestürzt.«

»Nein, so leichtsinnig und verrückt wärst nicht einmal du.«

Ich lächelte gequält und fragte mich, ob Robyn wusste, dass sie die Einzige war, die so dachte.

»In Ordnung«, flüsterte sie ein paar Herzschläge später. »Dann ist es abgemacht? Ich komme mit?«

»Robyn …«

»Ich dachte, wir haben keine Zeit. Du solltest also aufhören, sie zu verschwenden«, stellte sie pikiert fest. »Lass mich nur noch diese Nachricht zu Ende schreiben, sie ist für die Dunkeldiebe bestimmt, sie warten schon darauf.« Sie nickte zu ihrem Schreibtisch. »Ansonsten … Nun, es gibt einen Tunnel.«

»Was?« Überrascht öffnete ich den Mund. »Einen … Tunnel? Ins Schloss?«

»Ja, er war mal für Dienstboten gedacht oder dafür, die Königsfamilie in Krisenzeiten sicher aus dem Schloss zu geleiten. Er wird aber seit Ewigkeiten nicht mehr genutzt.«

»Aber … woher weißt du das?« Perplex blinzelte ich sie an. »Und warum hast du mir das nie erzählt?«

Sie warf mir einen ironischen Blick zu. »Weil du dann schon viel früher auf die Idee gekommen wärst, ins Schloss einzusteigen!«

Sie kannte mich zu gut.

»Und wenn du es genau wissen willst«, fuhr sie fort, »Der Prinz persönlich hat mir davon erzählt.«

Wow. Robyn hatte wirklich ein sehr anderes Leben geführt, bevor wir uns kennengelernt haben. Ich hätte sie gerne näher dazu befragt, versucht, ihr weiter auszureden, mich zu begleiten … doch sie hatte recht. Jeder Herzschlag zählte. Und Robyn war mindestens genauso dickköpfig wie ich. »In Ordnung. Wird er bewacht?«

»Nicht von dieser Seite, der Eingang ist ziemlich versteckt und Wachen würden zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Aber womöglich von der anderen.«

Ich schluckte fest und hoffte, dass ich keinen riesigen Fehler beging. »Das werden wir riskieren müssen«, murmelte ich leise – denn es war die Wahrheit.

Es roch nach kaltem Lehm und warmem Schweiß. Nach feuchter Dunkelheit und trockenem Stein.

Die Fackel in Robyns Händen warf flackernde Schatten an die bröckelnden Wände, die Geschichten von Kampf und Verderben zu erzählen schienen. Sie bildeten dunkle Schemen, die von herausragenden Steinen erdolcht und von dicken an der Wand herabrinnenden Wassertropfen gefoltert wurden.

Ich wandte den Blick ab und hielt ihn auf den Boden gerichtet, um nicht zu stolpern. Allem in mir hatte es widerstrebt, wieder unter die Erde zu kriechen. Aber jetzt musste ich feststellen, dass mir die Diamantgänge der Wissensjäger deutlich besser gefallen hatten. Dort war es zumindest hell gewesen. Und das Glitzern der Edelsteine hatte auch seinen Charme gehabt. Abgesehen davon war mein Kopf nicht ständig gegen die Decke gestoßen.

»Die Familienmitglieder der alten Königsfamilie waren kaum vier Fuß groß, was?«, murmelte ich verärgert, als meine Stirn schon wieder an einer aus der Decke hervorstehenden Wurzel hängen blieb. »Oder hatten sie alle einen krummen Rücken?«

Robyn lächelte. »Woher sollte die Königsfamilie einen krummen Rücken haben? Sie haben keinen einzigen Tag in ihrem Leben hart arbeiten müssen.«

Da war was Wahres dran. Ich sog die faulig riechende Luft in meine Nase und fragte mich, wo wir uns gerade befanden. Ob der Tunnel wohl schon unter dem roten Ring herführte? Mein Blick wanderte nach oben und prompt stolperte ich über einen Stein, der provozierend aus dem Boden ragte.

»Pass auf, wo du hintrittst«, raunte Robyn und griff nach meinem Arm. »Liebe Güte, ich weiß nicht, wie du all die Jahre mit Finch über die Dächer Mentanos tollen konntest, ohne dir den Hals zu brechen.«

»Ich kann sehr graziös sein, wenn ich will«, beschwerte ich mich. »Graziös wie eine … beschwipste Hummel in Absatzschuhen! Mir geht im Moment nur eine Menge durch den Kopf. Und da du schon auf Finch zu sprechen kommst …« Zögerlich strich ich mir die Haare aus dem Nacken. »… Wie geht es ihm? Und Cora?«

Ich vermisste die beiden wie einen rechten und linken Lungenflügel. Es war merkwürdig, eine Dummheit zu begehen, ohne sie vorher mit Finch zu besprechen. Oder mir von Cora anzuhören, dass ich mir die Flausen aus dem Kopf schlagen solle, bevor sie das für mich übernahm.

Robyn drückte meine Schulter. »Cora ist … schockiert. Sie wollte zu Anfang nicht recht glauben, dass du wirklich zu den Wissensjägern gehörst. Aber dein Bruder hat ihr halbwegs erfolgreich eingeredet, dass das Wochenblatt die Wahrheit erzählt. Es hat ihr das Herz gebrochen. Aber größtenteils überwiegt ihre Angst um dich, denke ich.«

Mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Meine Augen brannten, und ich hätte mir gern eingeredet, dass das am Rauch der Fackel lag. Doch so eine gute Lügnerin war ich nicht. Die Wahrheit war, dass Cora das einzige verbleibende Familienmitglied war, das ein wenig an mich geglaubt hatte. Das mich bedingungslos liebte. Und zu wissen, dass sie an mir und meinen Absichten zweifelte, tat mehr weh, als ich je vor Robyn zugegeben hätte. Es kribbelte mir in den Füßen, umzudrehen. Zum kleinen grafitfarbenen Haus mit den rostroten Fugen zu laufen, in dem ich, wie ich nun wusste, die womöglich schönsten Friedensjahre meines Lebens verbracht hatte, um meiner Schwester alles zu erklären. Um ihr zu versichern, dass ich ein guter Mensch war. Doch wenn ich ehrlich war, wusste ich nicht einmal mehr, ob das stimmte.

Was unterschied einen guten Menschen überhaupt von einem schlechten? Die Absichten oder die Taten? Das, was andere Leute von einem dachten, oder das, wovon man selbst überzeugt war?

Es gab keine genaue Definition von Gut und Schlecht. Jeder hatte eine andere Meinung dazu.

»Und Finch?«, fragte ich leise und umklammerte abwesend den Dolch an meinem Gürtel. »Hält Finch mich auch für eine Verräterin? Glaubt er, was das Königshaus über mich erzählt?«

»Finch ist nicht ganz so leichtgläubig. Doch er versteht nicht, warum du ihn nicht aufgesucht hast. Warum du nicht bei ihm Unterschlupf gesucht hast. Und ich verstehe es, ehrlich gesagt, auch nicht.«

Nun, das wäre recht schwierig gewesen, wenn man bedachte, dass ich den Großteil meiner Flucht über bewusstlos gewesen war.

»Ich konnte nicht«, murmelte ich. »Glaub mir, ich hätte nichts lieber getan, als bei euch an die Tür zu klopfen und mein schreckliches Schicksal mit euch zu teilen, aber mir waren die Hände gebunden.« Wenn ich genauer darüber nachdachte, war das wortwörtlich der Fall gewesen.

Robyn seufzte. »Hört sich an, als hättest du ein paar lustige Tage gehabt.«

Ich schnaubte freudlos. »Ja, waren das reinste Vergnügen.«

»Tut mir leid, dass dein eigentlicher Plan, bei den Falcrons mehr über die verratenen Dunkeldiebe herauszufinden, derartig den Bach runtergegangen ist«, bemerkte Robyn leise. »Falls es dir hilft – die Diebe sind ohne dich nicht besser dran. Seit so viele von ihnen verschwinden, verlieren sie immer mehr das Vertrauen ineinander. Und dass du jetzt anscheinend übergelaufen bist, und sei es auch nur zu den Wissensjägern, facht dieses Feuer noch weiter an.«

Ich rieb mir müde übers Gesicht. Nein, das half mir nicht. Denn es bedeutete, dass Red Dove Zwietracht und Misstrauen säte, ohne sich sonderlich Mühe geben zu müssen.

»Sucht Crow nach mir?« Der Anführer der Dunkeldiebe war innerhalb der letzten Friedensjahre so etwas wie mein Vater gewesen, und wenn ich ehrlich war, wollte ich hören, dass er alles in seiner Macht Stehende tat, um mich zu finden.

»Es ist schwierig, nach dir zu suchen, wenn er keine Männer hat, die sich dazu bereit erklären, ihm zu helfen«, gab Robyn zu bedenken und zog eine Grimasse. »Aber er war ziemlich wütend auf Nuthatch. Der erzählt nämlich überall herum, dass er es schon immer gewusst hat. Dass du eine faule Tomate in hübscher Verpackung wärst.«

Das zwang meine Mundwinkel doch tatsächlich zu einem schiefen Lächeln. »Tatsächlich?« Was für ein Charmeur.

»Ja, wenn du mich fragst, ist er froh, nicht mehr auf dich aufpassen zu müssen.«

Oh, wenn sie wüsste.

Einige hohle Herzschläge lang liefen wir Schulter an Schulter stumm den lehmigen Gang hinunter. Meine Füße trugen mich stur geradeaus, während ich mich fragte, wie mein Leben jetzt wohl aussähe, wenn ich niemals bei den Falcrons eingestiegen wäre. Wenn ich mein Dasein im grauen Ring angetreten hätte, so wie es das Königshaus für mich vorgesehen hatte. Wenn ich bei der Stoffverwertungsmanufaktur angeheuert, für sie Baumwolle geerntet und Knöpfe angenäht hätte. Wäre ich dann eine glücklichere, dümmere Fawn?

Na ja, man könnte argumentieren, dass ich auch jetzt nicht besonders schlau war. Auf dem Weg ins Schloss, um den König zu bestehlen. Ach, was sollte es? Dumm, schlau – was für alberne Kategorien.

»Also«, fragte Robyn beiläufig. »Die Wissensjäger. Wie sind die so? Genauso Furcht einflößend, wie einem das Wochenblatt einreden will?«

Ich dachte an Nuthatchs Gesicht. »Manche Teile von ihnen, ja. Sehr. Aber ansonsten sind es auch nur Menschen, die unzufrieden mit ihrem Leben sind. Die das System infrage stellen.« Seufzend duckte ich mich unter einer weiteren Wurzel hinweg, während der Gang leicht anstieg. »Ich weiß, du hältst die Wissensjäger für dämlich, aber …«

»Oh, nein.« Robyn runzelte die Stirn. »Ich halte sie nicht für dämlich, ich halte sie nur für lebensmüde. Das ist ein Unterschied. Wissen ist unglaublich wichtig, Fawn. Wissen ist Macht. Das sollte allen Bewohnern Mentanos klar sein. Das Problem ist nur …« Sie wiegte den Kopf von der einen Seite auf die andere. »Die Wissensjäger haben nicht genug Angst. Etwas, das dir auch zu fehlen scheint.« Tadelnd sah sie mich an. »Sie fühlen sich unantastbar, doch das sind sie nicht. Und du bist es auch nicht.« Sie warf mir einen ernsten Seitenblick zu. »Weißt du, Fawn: Neugierde ist eine Tugend … bis sie einen umbringt.«

Ich lächelte und blinzelte etwas verwirrt. Der Spruch kam mir bekannt vor. Irgendwo hatte ich ihn schon einmal gehört.

»Nur fürs Protokoll: Ich habe Angst«, murmelte ich. »Ich versuche nur, sie nicht gewinnen zu lassen.«

Robyn nickte und rieb sich über die Oberarme. »Darin bist du sehr gut.« Sie biss sich auf ihrer Unterlippe herum, bevor sie fragte: »Wo genau warst du denn jetzt überhaupt die letzten Tage? Haben die Wissensjäger ein Versteck?«

»Das kann ich dir nicht sagen, Robyn«, erwiderte ich. »Tut mir leid.«

»Oh, natürlich. Entschuldige.«

»Kein Problem«, murmelte ich und ließ meine Schritte länger werden.

Der Gang wurde wieder schmaler, die Decke feuchter. Bei jedem neuen Atemzug verstärkte sich der Geruch nach Moder und die Flamme von Robyns Fackel schrumpfte beängstigend in sich zusammen.

»Wir befinden uns jetzt unter dem Burggraben«, murmelte Robyn und strich mit den Fingern über die niedrige Decke, von der vereinzelte Tropfen hingen.

Ich tastete ebenfalls nach der feuchten Erde und verzog das Gesicht. »Es gibt einen Burggraben?« Das war mir neu. Wir hatten in der Schule nicht viel über das Schloss gelernt. Abgesehen davon, dass die runden Kuppeln, die die hundert mannshohen Zinnen des Hauptgebäudes zierten, aus purem Gold waren.

»Oh ja. Er beherbergt sogar einige Fische. Ich hab mal gehört, dass der König gern angelt.«

Ich verdrehte die Augen. Ich konnte mir ein Leben, in dem ich so viel Freizeit hatte, dass ich Zeit zum Angeln besaß, überhaupt nicht vorstellen. Es musste schrecklich langweilig sein, so viele Menti zu besitzen, dass man damit sicherlich das komplette Schloss auskleiden konnte. Andererseits konnte der König sein Geld ja auch zählen, und wenn er fertig war … war er tot.

Wann bist du so schrecklich zynisch geworden, Fawn?, flüsterte eine leise Stimme in meinem Kopf, die sich verdächtig nach Caedens anhörte.

Oh, bitte, antwortete ich verärgert. Als ob das nicht deine Schuld wäre. Du bist es, der meine Gefühle abgestumpft hat.

Wie abgestumpft können die schon sein, wenn dir heiß und kalt wird, wenn du nur an meinen Namen denkst?

Ich zog die Arme enger um meinen Körper und erschauderte. Bei Sweft! Dieser Blödmann richtete sich langsam eine Ferienresidenz in meinem Kopf ein. Doch der falsche Caeden in meinem Kopf hatte unrecht. Mir war nicht heiß und kalt. Mir war nur heiß.

Meine Gedanken wanderten zu dem heutigen Nachmittag, an dem seine Magie meine Magie gewesen war. Als seine Gefühle meine Gefühle gewesen waren. Wenn auch nur für einen kleinen Moment.

Zuerst war da Caedens Verzweiflung gewesen. Seine Unsicherheit. Doch dann war sie von etwas Wohligem, Vertrautem ersetzt worden. Etwas, das mein Herz hatte wachsen und meine Augen hatte tränen lassen.

Es war ein Augenblick der Vollkommenheit gewesen, an dem ich weder Angst noch Reue empfunden hatte. Da war nur Wärme und die Gewissheit gewesen, dass alles gut werden würde. Weil Caeden mich auffing.

Mein Herz überkam eine so tiefe Sehnsucht, dass es mir für einen Moment den Atem raubte. Das verräterische Organ stolperte in meiner Brust, flatterte auf und ab, wünschte sich, dass Caeden einfach nur ein einziges Mal vollkommen ehrlich zu mir war. Dass er mir keine Halbwahrheiten an den Kopf warf. Dass er mir erklärte, warum er versuchte, mich zu hassen. Denn das war es, was ich in seinem Kopf gefunden hatte. Ein tiefes warmes Gefühl, überschattet von dem Wunsch, es möge nicht existieren.

Aber ich wollte das dahinter liegende Gefühl. Die Zuneigung. Sein unvoreingenommenes befreites Lächeln. Seine warmen Blicke. Ich wollte alles.

»Alles okay?«, fragte Robyn besorgt. »Du bist erschaudert.«

Ich wandte den Blick ab, damit ich mich nicht ihren neugierig funkelnden Augen stellen musste. »Ach, es ist nichts. Nur ein wenig kalt hier unten.«

Skeptisch zog Robyn die Augenbrauen zusammen. »Immer wieder überraschend, wie schlecht du für eine Lügendiebin lügen kannst«, bemerkte sie dann achselzuckend.

Meine Schultern sanken. Warum suchte ich mir eigentlich nur Freunde, die lästig aufmerksam waren? Das hätte ich mir besser überlegen sollen.

Ich räusperte mich und war froh darum, dass der Gang mittlerweile so schmal war, dass wir nur noch hintereinander- und nicht mehr nebeneinandergehen konnten. Auch wenn ich den Kopf gesenkt halten musste, um damit nicht gegen die Decke zu stoßen. Nervös rang ich die Hände, während meine Gedanken und Emotionen lose in meinem Kopf und Körper umherflogen. Mir Worte in den Mund legten, von denen ich überhaupt nicht sicher war, ob ich sie aussprechen wollte. Doch meine voreilige Zunge nahm mir die Entscheidung ab.

»Hast du schon einmal das Gefühl gehabt, dass dein Herz zerspringt? Auf eine wundervolle und gleichzeitig bestialisch schreckliche Art und Weise?«, flüsterte ich und schluckte. »Als dringe Sonnenlicht unter deine Haut, bevor jemand mit eiskalten Fingern darüberstreicht? Nur weil dieser jemand einen dummen Kommentar macht? Oder etwas blödes Oberflächliches sagt, das trotzdem eine tief gehende Bedeutung zu haben scheint? Und wenn ja … weißt du, wie das Gefühl wieder weggeht?«

Robyn lachte laut auf und wandte sich über ihre Schulter zu mir um. »Natürlich habe ich mich schon einmal so gefühlt. So empfindet jeder verliebte Idiot, Fawn. Aber ich fürchte, so einfach wirst du das Gefühl nicht wieder los.«

Mit offenem Mund starrte ich sie an … und übersah prompt eine Wurzel, die sich durch den Lehmboden unter meinen Füßen geschlagen hatte. Zum hundertsten Mal stolperte ich, konnte mich jedoch noch aufrecht halten.

»Verliebt?«, echote ich entgeistert. »So ein Blödsinn. Ich bin nicht … Es ist ein schlechtes Gefühl! Kein gutes.« Robyn hatte Wahnvorstellung! Ich war nicht verliebt. Erst recht nicht in Caeden. Er trieb mich in den Wahnsinn. Abgesehen davon, verliebte ich mich nicht. Liebe machte vernünftige Leute zu den größten Volltrotteln. Und ich war nicht mal vernünftig! Was für furchterregende Auswirkungen, hätte diese Emotion dann erst auf mich?

Robyn grinste mittlerweile breit. »Oh, Liebe ist schlecht. Sie macht dich abhängig und schwach. Das ist zumindest, was mein Vater mir mal beigebracht hat. Aber sie kann auch wundervoll sein.«

Ach, tatsächlich? Das hielt ich für ein Gerücht.

Ich verzog das Gesicht. Verliebt. Was für ein schreckliches Wort.

Robyn sah mich mitleidig an. »Oh, Fawn. Sag mir nicht, dass es der Falcron-…« Doch sie brach mitten im Satz ab. Denn offenbar hatte sie das Ende des Gangs erreicht … und dumpfe Stimmen drangen auf einmal zu uns vor.

Ich zog den Kopf ein und lauschte angestrengt. Sie waren kaum zu hören. Woher kamen sie? Aus dem Boden? Aus den Wänden?

Robyn legte einen Finger an ihre Lippen, ließ die Fackel sinken und deutete mit dem Zeigefinger zur Decke. Ich folgte ihrer Geste mit meinem Blick und erkannte, dass sie nicht mehr aus dunklem Lehm und feuchter Erde bestand. Eine Holzluke war in den Boden über Robyns Kopf eingelassen worden. Ein runder schwerer Griff aus Messing daran.

Die Stimmen waren so gedämpft und fern, dass ich kein einziges Wort verstand. Dennoch hielt ich den Atem an. Die Flamme der Fackel hörte auf zu flackern und Robyn presste eine Hand auf ihre Brust. Keine drei Herzschläge später verstummten die Stimmen und es war wieder still.

Erleichtert stieß ich einen Schwall Luft aus. Ich wusste nicht, was ich tun würde, wenn ich mit königlichen Wachen konfrontiert wurde. Ich hatte das Gefühl, mich mittlerweile besser verteidigen zu können – aber gleichzeitig wollte ich auch niemandem wehtun.

»Wir töten niemanden, okay?«, fragte ich unsicher und blickte zu Robyn. »Ich will niemanden verletzen. Die Wachen können nichts dafür, dass sie diese Arbeit zugeteilt bekommen haben.«

Robyn verdrehte die Augen. »Sehe ich wie eine Mörderin aus, Fawn? Ich werde ganz sicher nicht anfangen, wahllos Wachen abzustechen.«

Meine Mundwinkel zuckten. »Gut. Entschuldige, ich … ich habe in den letzten Tagen zu viel Zeit mit einer Menge gewaltbereiter Menschen verbracht.«

»Wie mit dem hübschen Jüngling Caeden, der deine Träume besucht und dein Herz mit Liebe füllt?«, fragte sie unschuldig.

Düster sah ich sie an. »Ich bin nicht verliebt«, zischte ich. »Aber schön, dass du noch Witze machen kannst, während wir uns …« Ich runzelte die Stirn. »Wo sind wir überhaupt?«

»Wir befinden uns direkt unterm königlichen Vorhof«, informierte Robyn mich und blickte mit verengten Augen nach oben. »Die Bibliothek ist nicht weit von hier. Ich hab sie nie besucht, aber ich weiß, dass sie sich in einem separaten Gebäude direkt am angrenzenden Innenhof befindet. Es liegt neben dem Eingang zum höchsten Turm.«

»Und um dort hinzugelangen, müssen wir nur durch einen hoffentlich leeren Vorhof laufen?«, fragte ich angespannt.

»Und durch einen steinernen Gang, der zum besagten Innenhof führt.«

Ich rieb mir nervös den Nacken. »Und wie viele Fenster, meinst du, schauen zu diesen Höfen raus?«

»Mehr, als ich zählen möchte«, erwiderte Robyn und kniff die Augen zusammen. »Aber wir können uns ja am Rand bewegen und …«

»… unsichtbar machen?«, schlug ich nüchtern vor.

Sie seufzte. »Wir sind einfach gekleidet. Vielleicht halten uns mögliche Beobachter für Dienstbotinnen.«

Ja, das letzte Mal, als ich versucht hatte, mich als Dienstmädchen auszugeben, hatte das wunderbar geklappt.

Mist. Was hatte ich mir dabei gedacht, Robyn mitzunehmen?

»Du kannst noch umkehren, Robyn«, sagte ich leise und sah sie ernst an. »Ich würde es dir nicht übel nehmen.«

Meine Freundin verdrehte die Augen. »Ich werde diesen nächtlichen, eklig modrigen Spaziergang nicht umsonst gemacht haben.«

Ich lächelte breit, auch wenn mein Magen sich nervös zusammenzog. »Also gut, dann …« Ich nickte zur Luke.

Sie folgte meiner stummen Aufforderung und drückte vorsichtig dagegen. Nichts passierte.

»Sie ist verschlossen«, murmelte sie.

»Kein Problem … lass mich mal«, erwiderte ich und drängte mich an ihr vorbei, darauf bedacht, meinen Ärmel nicht an ihrer Fackel in Brand zu stecken. Die Flamme war innerhalb des letzten Mondschrittes immer kleiner geworden und schenkte mir nur noch spärlich Licht. Deswegen dauerte es eine Weile, bis ich begriff, dass überhaupt kein Schlüsselloch existierte.

Nun, daran wollte ich mich nicht stören. Ich fixierte den angelaufenen Messinggriff und flüsterte: »Du bist nicht verschlossen. Du bist geöffnet – und federleicht. Mühelos anzuheben.«

Ich spürte das vertraute Pulsieren meiner Magie, das mein Blut schneller durch meine Adern trieb, und im nächsten Moment hörte ich ein Klicken.

»Wow«, hauchte Robyn. »An deine Fähigkeiten werde ich mich nie gewöhnen.«

Nein, wie sollte sie auch? Sie waren schließlich etwas Besonderes.

»Lösch die Fackel, okay?«, murmelte ich. »Je weniger Aufmerksamkeit wir auf uns ziehen, desto besser.«

Robyn nickte und stieß die Fackel in ein Erdloch nahe ihren Füßen. Augenblicklich erstickten die Flammen und die feuchte Dunkelheit umhüllte uns wie ein schwerer Vorhang.

Ich rieb meine klammen Hände an meiner Hose ab und versicherte mich, dass sich mein Dolch noch an Ort und Stelle befand, erst dann positionierte ich mich genau mittig unter der Luke und drückte sie mit den Fingern vorsichtig auf. Darauf bedacht, so wenig Töne wie möglich von mir zu geben, stellte ich mich auf die Zehenspitzen und schob das Holz einen Spalt weit nach oben.

Frische Luft blies mir ins Gesicht und das sanfte Knarzen der Falltür dröhnte laut in meinen Ohren. Ich erwartete, pompöse Blumenarrangements zu sehen. Einen vergoldeten Springbrunnen. Riesige marmorne Büsten, die von großartigen Taten längst verstorbener Könige berichteten. Doch stattdessen sah ich auf einen schwarzen Steinblock, der möglicherweise die Rückseite einer Bank oder etwas Ähnlichem war. Ich wandte mein Gesicht nach rechts, erkannte einige schwere Taue und Seile, ein paar mit eisernen Scharnieren verschlossen gehaltene Holzkisten, geflochtene Körbe und einen leeren Blumentopf aus Ton.

Ich sollte wohl froh darum sein, dass die Luke so versteckt lag. Aber das bedeutete auch, dass ich nicht sah, wie viele Wachen sich hier im Hof tummelten. Also schloss ich die Augen und verließ mich auf einen anderen Sinn. Mit gespitzten Ohren horchte ich in die Dunkelheit hinein, die nur vom fahlen Mondschein und einer Diamantlaterne, die die steinerne Bank vor mir säumte, gebrochen wurde. Ich hörte das Plätschern von Wasser und das Rascheln von Laub. Doch keine Schritte, keine Stimmen.

Tief atmete ich ein letztes Mal durch, dann schob ich das federleichte Holz über meinem Kopf höher. Ich hielt es an der eisernen Lasche fest, damit es nicht plötzlich zu Boden krachte, und ließ den Blick aufmerksam in alle Richtungen schweifen. Als ich noch immer keine Regung wahrnahm, öffnete ich die Luke zur Gänze und gab mir Mühe, sie so leise wie möglich zu Boden gleiten zu lassen.

Sie war schmal, doch das war ich Sweft sei Dank auch. Ich wagte es nicht, zu Robyn zu sprechen, doch sie würde hoffentlich auch ohne Worte verstehen, was ich vorhatte. Ich drückte mich vom Boden ab und stemmte mich mit den Armen aus dem Loch, bevor ich mich elegant und graziös wie eine beschwipste Hummel nach vorne fallen ließ und mit dem Bauch hinter der steinernen Bank zum Liegen kam. Hoffentlich verborgen vor den Blicken neugieriger Zuschauer.

Hastig zog ich die Beine an und kauerte mich hinter den massiven Stein, sodass der Lichtstrahl der Laterne mich nicht berührte. Die marmorne Hausfront, die zu meiner Linken lag, erhob sich gleißend silbern in den nachtschwarzen Himmel. Die darin eingelassenen Fenster waren dunkle Löcher, die wie leere Augenhöhlen zu mir hinabstarrten. Darunter war ein dicker Streifen roter Rubine eingesetzt worden, die mich an den Stein erinnerten, der in meinem falschen Verlobungsring gesteckt hatte. Sie bildeten den blutroten strengen Mund der Schlossfratze.

Eine Gänsehaut zog sich meinen Nacken hinunter und ich rieb mir die auf einmal kalten Arme. Die Luft um mich herum schien frischer als im grauen Ring, doch sie strahlte eine frostige Gleichgültigkeit aus, die ich in jeder meiner Poren zu spüren meinte. Aber vielleicht bildete ich mir das auch nur ein, weil es das war, was ich mit dem Königshaus verband.

Ich deutete mit den Fingern auf den Rand der Luke, was Robyn als Zeichen dafür sah, dass es okay war, mir zu folgen. Sie schob sich überraschend zügig daraus hervor, schloss die Falltür und glitt neben mich. Auch sie suchte mit dem Blick die Fassade vor uns ab, doch sie schien nur halb so beeindruckt, wie ich es war. Natürlich, sie hatte all das ja schon mal gesehen.

»Hörst du irgendwas?«, wollte sie leise wissen.

»Ja, dich. Du atmest sehr laut.«

Sie verdrehte die Augen und nickte zum Rand der Bank. Ich verstand, was sie meinte, und arbeitete mich langsam vor, um am Stein vorbeizuspähen.

Ah, da waren sie ja. Die pompösen Blumenarrangements, der vergoldete Springbrunnen, die riesigen marmornen Büsten, die muskulöse steinerne Krieger darstellten, die offenbar nicht genug Menti gehabt hatten, um sich vernünftige Kleidung zu kaufen. Zumindest waren sie alle oberkörperfrei und zeigten mehr Bein, als mir lieb war. Und das, obwohl Kinder an diesem Hof wohnten. Der Boden bestand aus schwarzen und goldenen Marmorplatten, die in dreieckigen Mosaiken kunstvolle Bilder malten. Hohe Eichen mit rostrotem Blätterdach säumten den Rand des Innenhofs und ließen ihn mehr wie einen Garten erscheinen.

Zu unserer Linken befand sich ein großes hölzernes Portal, das mit mehreren diamantenen Riegeln verschlossen war. Zu unserer Rechten, etwa hundert Fuß entfernt, konnte ich einen steinernen mit Rosen umrankten Gang erkennen. Von dem musste Robyn gesprochen haben.

Die Türen, die vom Hof ins Schloss führten, waren ebenfalls alle verschlossen und verriegelt. Selbst die Kisten neben uns waren mit mehreren Schlössern gesichert. Alles an diesem Ort schrie nach Vorsicht und Wachsamkeit. Dennoch er war leer. Gespenstisch leer.

»Wo sind die Wachen? Wieso ist es hier so … still?«, wisperte ich.

Mich ließ das Gefühl nicht los, dass irgendetwas nicht stimmte. Ich war darauf vorbereitet gewesen, mich zu verstecken, schnell zu rennen und mir jeden Schatten zunutze zu machen. Doch der Königshof lag wie ausgestorben da und nicht einmal eines der Fenster, die hoch über uns in die uns umgebenden vier Wände geschlagen worden waren, war erleuchtet.

»Vielleicht haben wir nur Glück«, schlug Robyn vor.

»Ich glaube nicht an Glück.«

Als hätte ich sie allein durch meine Worte heraufbeschworen, hörte ich auf einmal schwere Schritte.