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Kapitel 10

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Die entführten Feenkinder waren so unterschiedlich wie Tag und Nacht gewesen, aber jedes hatte sein Heim verlassen, während es Lichtkugeln folgte. In jeder Vision tanzten und glitzernden die Leuchtkugeln verlockend und waren knapp außer Reichweite.

Ich rieb mir das Gesicht und streckte meine verkrampften Muskeln. Nachdem ich mir über zwei Dutzend Visionen angetan hatte, stimmte ich zu, dass ich eine Dusche und ein Nickerchen brauchte. Die Visionen, die von den Kindern hinterlassen wurden, waren zwar mild im Vergleich zu anderen, die ich erlebt hatte, aber die große Anzahl hatte mich erschöpft. Die schlaflosen Nächte hatten auch nicht geholfen.

Ich war mir nicht sicher, ob die eine Stunde Schlaf mir wirklich geholfen hatte, aber die Dusche hatte sich wunderbar angefühlt. Zerknitterte, verschwitzte Kleidung war durch saubere Jeans, ein schwarzes T-Shirt, meine Ersatz-Lederhandschuhe und schwarze Doc Martens ersetzt worden. Meine Messer waren bereits in Hüllen an meinen Unterarm geschnallt, und meine Lederjacke, die die Waffen in der Öffentlichkeit verbarg, war rechts von mir über einen Stuhl geworfen.

Ceff saß links von mir und wagte es nicht, die Küche zu betreten, während Jinx ein improvisiertes Frühstück zubereitete. Meine Mitbewohnerin verteidigte ihr Revier wie ein Brownie und war so feindselig wie ein Pixie. Wenn Jinx kochte, sollte man besser nicht in die Küche gehen, vor allem, wenn sie mit einem Pfannenwender bewaffnet war.

Ich lehnte gegen die Küchentheke, und der Duft von Eiern, Toast und frischem Kaffee brachte ein Lächeln auf mein Gesicht. Ein Lächeln, das in dem Moment verschwand, als Jinx ihren Mund öffnete.

„Und, glaubst du dass Wisps all diese Kinder entführt haben“, fragte sie.

Ich stieß einen lauten Seufzer aus. Das war der eine Gedanke, den ich während meiner einstündigen Pause unterdrückt hatte. Aber jetzt kehrten alle meine Sorgen zurück.

„Ich glaube, sie haben etwas damit zu tun, ja“ sagte ich. Ich biss in meine Scheibe Toast, um etwas Zeit zu haben, das zu durchdenken.

„Ich stimme dem zu, denn deine Beschreibung entspricht dem, was wir über die Physiologie und das Verhalten von Wisps wissen“, sagte Ceff.

Er hatte auch geduscht – ich roch die aufregende Mischung von Duschgel und seinem eigenen Geruch von Salz und Meer auf seiner Haut. Ceff roch noch besser als das Frühstück. Ich atmete seinen Duft ein und seufzte.

„Wenn es Wisps sind, dann haben wir noch mehr Grund, sie aufzuhalten“, sagte ich. „Ich werde nicht zulassen, dass mein Volk kleine Kinder entführt, wenn ich das verhindern kann. Sobald wir die Kinder finden und retten, werde ich einige neue Regeln durchsetzen.“

„Mensch, ist das dein Ernst?“, fragte Jinx. „Du wirst dich öffentlich als Feenwesen zeigen?“

„Ja“, sagte ich.

Und ich wusste genau, wo ich das tun würde.

In naher Zukunft war ein Besuch bei Club Nexus fällig. Ich musste die Kontrolle über die Wisps erlangen, die momentan in meiner Stadt Amok liefen. Ich wollte außerdem die Feenwesen von Harborsmouth vor dem warnen, was ihren Kindern drohte. Ceff hatte ein Netzwerk, um Kontakt mit Wasser-Feenwesen aufzunehmen, aber bisher hatten sich alle Entführungen an Land ereignet. Die schnellste Methode wäre, mit den örtlichen Anführern der Feenwesen zu sprechen, und Kaye hatte gesagt, dass der Club ihr Treffpunkt war. Anscheinend stimmte das, was sie über die Konzentration der Macht gesagt hatte – alle Wege führten zu Club Nexus.

Außerdem ging mir noch etwas durch den Kopf, das der Katzen-Sidhe, Torn, gesagt hatte. Er hatte erwähnt, dass die Toten aus ihren Gräbern kamen und die Straßen von Harborsmouth heimsuchten. Ich hatte das damals nur für Geschwätz gehalten, da ich mich auf Melusine und die von ihr ausgehende Bedrohung konzentrierte, aber was wäre, wenn das nicht nur Gerüchte wären? So wie Torn es erzählte, klang die Geschichte mit den Geistern harmlos, aber war wäre, wenn etwas anderes dahinter steckte?

Wenn es nicht die Geister der Toten waren, wer lief dann in den Kirchhöfen und Friedhöfen der Stadt herum? Leider war keine der möglichen Antworten sehr gut. Kirchhöfe zogen alle möglichen übernatürlichen Monster an. Vampire, Ghule, Voodoopriester, Schwarze Hunde, Spriggans, sogar Wisps lauerten manchmal zwischen den Gräbern.

Was wäre, wenn die Geister, die man gesehen hatte, etwas mit den Wisps zu tun hatten? Wenn die beiden miteinander verbunden waren, könnte uns eine Suche nach den angeblichen Geistern zu den Kindern führen. Ich musste diesen Torn finden und von ihm die Details erfahren.

„Deinen königlichen Status anzukündigen wird gefährlich sein“, sagte Ceff. „Die Wisps haben seit dem Verschwinden deines Vaters keinen offiziellen Anführer gehabt, aber das bedeutet nicht, dass während seiner Abwesenheit niemand das Machtvakuum gefüllt hat. Schon deine Existenz ändert die jetzige Hierarchie der Wisps, und das dürfte manche verärgern.“

„Ich werde daran denken“, sagte ich. „Aber wenn Wisps Kinder entführen, dann muss jemand die Hierarchie etwas durcheinander bringen. Und da mein Vater einfach verschwunden ist, bin ich die einzige Person, die das tun kann. Die Wisps müssen auf ihre Prinzessin hören.“

„Du hast gesagt, dass das manche verärgern könnte“, sagte Jinx. Sie drehte sich zu Ceff hin und verschränkte ihre Arme. „Was genau soll das heißen? Sprechen wir von Stapeln von Beschwerdebriefen, oder Ninja-Feenattentätern?“

„Attentäter wären durchaus möglich“, sagte er. „Allerdings bevorzugen manche Feenwesen die ehrenhaftere Tradition eines Duells.“

Attentäter? Duelle? Ich hatte mich ja auf etwas eingelassen.

„Wir können uns später um rebellische Wisps Sorgen machen“, sagte ich. „Laut Kaye ist Club Nexus nur von der Abenddämmerungen bis zur Morgendämmerung geöffnet. Ich werde meine Herrschaft erst heute Abend ankündigen. Das gibt mir einige Stunden, um eine weitere Spur zu verfolgen.“

„Was für eine Spur wäre das?“, fragte Jinx.

„Etwas, das Torn erwähnt hat“, sagte ich. „Der Kater erwähnte, dass in Kirchhöfen und Friedhöfen in ganz Harborsmouth Geister gesichtet wurden. Wenn Menschen Wisps ohne Glamourzauber sähen, die in Friedhöfen herumschweben, würden sie diese wahrscheinlich für Geister halten.“

„Du glaubst, dass die Wisps sich in einem Friedhof verstecken?“, fragte sie.

„Wisps werden von verborgenen Schätzen und Orten des Todes angezogen“, sagte Ceff. „Die Gräber würden dazu gehören.“

„Es ist immerhin eine Möglichkeit“, sagte ich. „Und bis ich mit Torn sprechen kann, stellt das unsere beste Spur dar.“

„Ich bin nicht wirklich dafür angezogen, in alten Friedhöfen herumzulatschen“, sagte Jinx. Sie blickte zu ihren Plateauschuhen hinab und verzog das Gesicht. „Iss das auf. Ich ziehe mich um.“

„Nein“, sagte ich, mit dem Mund voller Ei. „Wir brauchen dich hier, um das Telefon zu beantworten und mit Kunden zu sprechen. Vielleicht gibt es Eltern, die erst jetzt bemerken, dass ihre Kinder verschwunden sind. Wenn weitere Familien unsere Dienste benötigen, besteht die Möglichkeit, dass jemand etwas gesehen oder gehört hat, das uns nützlich sein könnte. Vielleicht bringt das den Durchbruch.“

„Okay“, sagte sie. „Ich halte hier die Stellung. Wenn ich etwas Neues erfahre, schicke ich dir eine Textnachricht.“

„Und Jenna?“, fragte ich. Jinx hatte die befreundete Jägerin angerufen, während ich bewusstlos war. Sie hatte das Gespräch vorher erwähnt, aber ich war mir über die Details unklar.

„Sie wird uns helfen, solange du die Kinder in den nächsten neun Stunden finden kannst“, sagte sie. „Danach hat sie einen offiziellen Auftrag der Jäger. Sie muss sich um eine Fuath-Plage in der Vorstadt kümmern.“

Ich starrte die Felix-der-Kater-Uhr an der Küchenwand an. Es war schon nach 3 Uhr. Neun Stunden war keine lange Zeit, aber ich wollte die Kinder vor Mitternacht finden. Wenn wir sie nicht bald fanden, bestand das Risiko, dass wir sie überhaupt nicht finden würden. Oder das sie nicht mehr am Leben wären – und das war untragbar.

Also sollten wir nun wirklich die örtlichen Kirchhöfe und Friedhöfe absuchen. Ich würde nicht untätig herumsitzen und darauf warten, dass Club Nexus seine Türen öffnete. Ich wusch den letzten Bissen Toast mit Kaffee hinunter und schob meinen Teller über die Theke.

Die Pause war vorbei.

„Kann ich einen Ausdruck der Adressen aller Opfer haben?“, fragte ich.

Jinx nickte, wischte ihre Hände an ihrer Schürze ab und knallte einen Ordner vor mir hin. Meine Mitbewohnerin war nicht nur eine gute Köchin sondern auch die am besten organisierte Bürochefin des Planeten. Man sollte nur nicht den Fehler machen, sie als Sekretärin zu bezeichnen, sonst könnte man eine blutige Lippe kriegen.

Sie knallte mein Handy auf den Ordner. Das letzte Mal, als ich mein Handy gesehen hatte, lag es auf meinem Schreibtisch im Büro. Jinx musste das Handy und die Akten mitgebracht haben, als Ceff mir die Treppe zur Wohnung hoch geholfen hatte. Sie tippte mit einem Fingernagel auf den Bildschirm und rief eine Karte von Harborsmouth auf.

„Ich habe die Adressen der Opfer in dein Handy einprogrammiert“, sagte sie. „Du kannst die Orte in Bezug auf andere Sehenswürdigkeiten sehen ...“

„Wie örtliche Kirchhöfe?“, fragte ich.

„Genau“, sagte sie.

Ceff lehnte sich vor, achtete aber darauf, mich nicht zu berühren, und wir sahen uns die Karte an. Jede Adresse war auf dem Bildschirm durch eine kleine rote Nadel markiert. Wenn man diese antippte, öffnete sich ein Fenster mit dem vollständigen Namen und der Adresse der Familie des Opfers.

„Du bist ein Genie“, sagte ich.

„Ich weiß“, sagte sie. Jinx schleuderte ihr Haar zur Seite und grinste. „Du kannst mit der Flyover-Funktion die Orte in Beziehung zu Sehenswürdigkeiten darstellen. Tippe hier, um Notizen zu machen.“

Als Jinx zuerst darauf bestanden hatte, dass ich ein neues Handy kaufen sollte, hatte ich mich gewehrt. Es war schwierig, einen Touchscreen mit Handschuhen zu benutzen, aber wegen dieser kleinen App war ich dankbar, dass ich nachgegeben hatte. Heute früh, als ich mit den Kunden sprach, hatte ich angenommen, dass die Entführungen zufällig über das Stadtgebiet verstreut waren. Aber die Markierungen auf der Karte zeigten, dass dies nicht der Fall war. Feenwesen in allen Stadtbezirken waren Opfer geworden, aber die Orte waren nicht rein zufällig.

Die Entführungen waren um Kirchhöfe und Friedhöfe herum konzentriert.

„Deine Theorie scheint korrekt zu sein“, sagte Ceff. „Die entführten Kinder wohnten alle in der Nähe von Gräbern.“

Der Unterschied zwischen Kirchhöfen und Friedhöfen war, dass Kirchhöfe oft klein sind und sich neben einer Kirche befinden. Friedhöfe sind größere, städtische Einrichtungen. Der Unterschied für übernatürliche Wesen bestand vor allem darin, dass sich Kirchhöfe immer auf geweihtem Boden befanden. Große Friedhöfe hingegen hatten oft ungeweihte Bereiche, wo Verbrecher begraben worden waren. Üblicherweise war dieser Bereich hinten im Friedhof, aber als die Städte wuchsen, stieg auch die Anzahl der Toten. Die meisten Friedhöfe umfassten nun Land, das ursprünglich nicht dazu gehört hatte. Wenn geweihter Boden ein Problem für die Entführer darstellte, würden sie sich an die großen Friedhöfe halten.

Aber diese Idee erwies sich als eine Sackgasse. Die Markierungen zeigten Aktivitäten sowohl bei Friedhöfen als auch bei Kirchhöfen.

„Ja, und die Entführer haben keine Abneigung gegen geweihten Boden“, sagte ich. Ich deutete auf die zwei mit einem Kreuz markierten Kirchhöfe. „Das weist darauf hin, dass keine Dämonen in den Fall verwickelt sind.“

Einige Dämonen mögen Menschenfleisch. Gerüchteweise galten menschliche Kinder als besondere Delikatesse. Es war eine Erleichterung, dass keine Dämonen dabei waren, aber das brachte uns nicht näher daran, die Entführer zu erwischen.

Harborsmouth war eine riesige, alte Stadt. Es musste dort Hunderte von Kirchhöfen und Friedhöfen geben. Selbst wenn wir die App dazu nutzen, uns auf die Gebiete mit der größten Konzentration an Entführungen zu konzentrierten, mussten wir noch zu viele absuchen.

Ich knurrte und schlug mit der Faust auf die Küchentheke.

„Ich weiß“, sagte Jinx. „Ich habe viel Zeit damit verbracht, Armbrustbolzen in Weihwasser zu tauchen. Warum können das nie Dämonen sein?“

Meine Mitbewohnerin schmollte, weil sie in diesem Fall nicht die Gelegenheit haben würde, Dämonen zu verletzen? Manche Dinge ändern sich wohl nie. Ich senkte meinen Kopf und unterdrückte ein Lachen.

Ich atmete tief ein und blickte in Ceffs gutaussehendes Gesicht. Er neigte seinen Kopf zur Seite und blinzelte mich an, wobei er seine Gabel auf halbem Weg zum Mund hielt.

„Du möchtest, dass Dämonen beteiligt sind?“, fragte er.

Er schüttelt langsam ungläubig den Kopf, und diesmal lachte ich. Ceff wusste nicht, dass Jinx eine Hassliebe für Dämonen hatte. Sie liebt es, sie zu hassen. vor allem einen bestimmten Dämonen.

„Nein, ich bin froh, dass wir es nicht mit Dämonen zu tun haben“, sagte ich. „Aber wenn Jinx gegen etwas kämpft, bevorzugt sie etwas mit Hörnern und einem gespaltenen Schwanz. Du solltest sie beim Übungsschießen sehen.“

Das stimmte. Wenn man Hörner auf das Ziel malte, traf Jinx immer.

„Man kann nie wissen, wann ein Dämon durch die Tür kommen könnte“, sagte sie mit leuchtenden Augen. „Es ist besser, auf alles vorbereitet zu sein.“

Jinx klopfte auf die über ihre Schulter gehängte Armbrust. Die Waffe passte gar nicht zu ihrer Rüschenschürze, aber so war Jinx eben.

„Ja, aber wir erschießen keine Kunden, oder?“, fragte ich. „So war es ausgemacht.“

Jinx zuckte mit einer Schulter, räumte unsere Teller ab und warf sie in ein Becken voller Spülwasser. Eines Tages würden Forneus, ein Dämonen-Anwalt und gelegentlicher Kunde, und Jinx einander umbringen. Ich konnte nicht immer da sein, um ihre Kämpfe zu unterbrechen.

Ich hoffte nur, dass der Dämon nicht ausgerechnet heute durch unsere Tür kommen würde. Jinx war müde, verkatert und schwer bewaffnet.

Ich gähnte und streckte mich. Wir mussten wieder an die Arbeit, aber wo sollten wir anfangen? Ich blätterte den Ordner über den Fall erneut durch. Ich fand nichts, das nützlich gewesen wäre. Wenn ich nur feststellen könnte, wo sich die Wisps am ehesten verstecken würden.

„Vielleicht enthält deine Theorie einen Fehler“, sagte Ceff. Er blickte immer noch auf die Karte auf meinem Handy. „Wir wissen, dass die Wisps als Köder dienen und die Kinder aus ihren Betten locken, aber wir haben nicht nach dem Grund dafür gefragt. Warum würden sie die Kinder in einen Friedhof bringen? Es gibt viele Geschichten darüber, wie Mitglieder deines Volkes törichte Reisende täuschten und sie tief in Sümpfe und über Klippen führten, nur zum Vergnügen, aber warum würden sie so viele junge Feenwesen entführen? Was würden sie im Friedhof mit den Kindern anstellen?“

Das war eine gute Frage, aber ich hatte keine Antwort darauf. Ich seufzte und strich mir mit der Hand durch mein feuchtes Haar.

„Ich weiß es nicht“, sagte ich. „Es gibt so viel, was ich nicht über die Wisps weiß. Ich habe alle Geschichten gelesen, die ich finden konnte, und dabei geht es meistens um Schätze oder Täuschungen, manchmal um den Tod, aber nie um Entführungen.“

„Wisps fressen doch keine Kinder, oder?“, fragte Jinx. „Du weißt schon, wie Ghule. Nichts für ungut, Ivy.“

Ich hoffte wirklich, dass Wisps keine kleinen Kinder fraßen. Es war schwer genug, mich an die Idee zu gewöhnen, dass Feenblut durch meine Adern strömte, ohne auch noch mit Kannibalen verwandt zu sein. Ich legte eine Hand auf meinen Bauch und wünschte, dass ich nicht einen ganzen Teller Eier und Toast gegessen hätte.

„Nein, Wisps sind keine Kinderfresser“, sagte Ceff. „Anscheinend stehlen diese Wisps die Kinder entweder gegen eine finanzielle Belohnung, oder um sich zu amüsieren.“

„Belohnung?“, fragte ich. „Heißt das, dass sie für jemanden arbeiten?“

„Ja, das ist möglich“, sagte er. „Wisps sind von Schätzen fasziniert. Da dein Vater verschwunden ist und niemand ihnen andere Anweisungen gibt, ist es möglich, dass diese Wisps ihre Dienste für Gold angeboten haben.“

Mein Brustkorb zog sich zusammen, als ob ein enormes Gewicht darauf lasten würde, und ich ballte meine Hände zu Fäusten. Wenn ich mein Volk früher gefunden und meine Rolle als Prinzessin angenommen hätte, wäre es vielleicht nie zu diesem Schlamassel gekommen. Diese Kinder wären bei ihren Familien in Sicherheit, statt irgendwo ängstlich zu kauern, oder noch schlimmer.

„Wer würde eine Gruppe von Feenkindern wollen?“, fragte Jinx.

Ich schüttelte den Kopf. Wer wohl?

Kindern Blut abzusaugen verstieß gegen das Vampirgesetz, aber ich traute diesen Blutsaugern nicht. Für die langlebigen Untoten wäre das Blut von Feenkindern ein extremer Leckerbissen, der die Langeweile der Unsterblichkeit lindern konnte. Ich wäre nicht überrascht, wenn ein hungriger Vampir andere Wesen anheuerte, als Köder zu dienen, falls er das Geld hatte. Und die meisten dieser verstaubten Typen waren stinkreich. Ich würde bald dem Anführer der örtlichen Vampire einen Besuch abstatten müssen. Oh. Wie schön.

Was Feenwesen betraf, die eine Gruppe von Kindern stehlen wollten, da fiel mir nichts ein. Feen waren dafür bekannt, Menschenkinder zu entführen, nicht ihre eigenen. Zu den Opfern gehörten sowohl Mitglieder des Seligen als auch des Unseligen Hofs, also war es kein Konflikt zwischen ihnen, und die Liste der von unseren Kunden vertretenen Feenrassen war enorm lang. Ich konnte nicht sehen, wie die Entführung einer Gruppe so unterschiedlicher Kinder in irgendwelche politischen Manöver passte, aber bei Feenwesen war nichts so, wie es schien. Ich musste mich erkundigen, nur für den Fall. Kaye hatte gesagt, dass sich die Anführer der örtlichen Feenwesen in Club Nexus trafen. Vielleicht würden die Dinge nach einem Besuch des Clubs klarer erscheinen.

Aber ich müsste bis zur Abenddämmerung warten, um mit Vampiren oder königlichen Feenwesen zu sprechen. Die einzige Option war, die Häuser zu durchsuchen, aus denen die Kinder entführt worden waren, sowie in der Nähe fliegende Friedhöfe. Ich hob mein Handy auf und sah mir die Karte an. Viele der in Harborsmouth lebenden Feenwesen wohnen auf Joysen Hill. Viele dieser Familien waren Opfer der Entführer, und es gab zwei große öffentliche Friedhöfe und drei kleine Kirchhöfe auf Joysen Hill. Da dies nahe an Club Nexus und dem Eingang zum Versteck des Anführers der Vampire war, schien dies ein guter Ausgangspunkt zu sein.

Ich würde zu Joysen Hill zurückkehren. Hoffentlich konnte ich diesmal der Aufmerksamkeit tödlicher Feenwesen und einem Konflikt mit Gesetzeshütern entgehen. Angesichts meiner bisherigen Erfahrungen war ich mir da nicht so sicher.