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Ich versuchte, Kaye anzurufen, aber meine Hexenfreundin war in ihrer Zauberküche und konnte nicht gestört werden. Ich ließ durch Arachne ausrichten, dass Kaye mich zurückrufen sollte und legte auf. Ich sah mir auf dem Handy an, wie spät es war: 18:45 Uhr. Verdammt, es war später, als ich gedacht hatte. Im März ging die Sonne früh unter. Ich konnte nicht einfach darauf warten, dass Kaye mich anrief. Leider würde es nicht mehr lange hell bleiben.
Ich hatte das Gefühl, dass der mysteriöse Flötenspieler der Schlüssel zu diesem Fall war, aber ich musste meine Antworten anderswo finden. Ich sprang von der Feuerleiter herunter, überprüfte, ob meine Waffen noch an Ort und Stelle waren und eilte Baker’s Row entlang. Nach einem halben Häuserblock holte Ceff mich ein.
„Erzählst du mir vielleicht, was da abgelaufen ist?“, fragte er. „Du warst fast eine Stunde lang in der Gasse.“
Bei Oberons Augen. Mein Brustkorb verengte sich, und ich musste heftig schlucken. Ich war eine Stunde lang in der Gasse gewesen? Das erklärte, warum es so spät war. Der Verlust von Zeit war eines von vielen Problemen in Zusammenhang mit Visionen.
Ceff wirkte locker und entspannt, als er geschmeidig und mit den Daumen in seinen Hosentaschen neben mir lief, aber er biss die Zähne zusammen und ein Muskel zuckte in seiner Wange. Ich zuckte mit den Schultern und wendete meinen Blick ab.
„Ich habe eine Vision erlebt“, sagte ich. „Es war nicht so schlimm.“
Ich warf einen kurzen Blick auf Ceff, der seufzte und sich den Nacken rieb. Er versuchte, ruhig zu bleiben, aber eine Vene auf seiner Stirn zuckte, wie der Muskel in seiner Wange.
„Was hast du gesehen?“, fragte er.
„Ich weiß es nicht“, sagte ich.
Im Gegensatz zu reinblütigen Feenwesen kann ich eine direkte Lüge erzählen, aber weder mein menschliches noch mein Feenblut half mir, das komische Gefühl in meinem Magen zu unterdrücken. Ich log Ceff nur ungern an, aber ich wollte ihn möglichst lange vor der Wahrheit schützen, dass Melusine mit dem Fall zu tun hatte. Wenn sie nur zufällig die Entführung des Bean-Tighe-Kindes beobachtet hatte, dann gab es keinen Grund, das Ceff zu erzählen. Warum sollte ich unnötigerweise alte Wunden aufreißen?
Ich biss mir auf die Lippen und starrte auf die Straße, um Hinweise und potenzielle Bedrohungen zu entdecken. Ceff rannte von der Seite auf mich zu, und ich hatte gerade noch die Zeit, mich nach rechts zu drehen und ihn anzusehen. Ceff kam weiter auf mich zu, und das Grün seiner Augen war so dunkel, dass es fast schwarz wirkte. Ich machte einen Schritt zurück, aber mein Rücken stieß gegen eine Backsteinmauer.
Ich hatte mich so auf Bedrohungen in dunklen Türöffnungen und finsteren Gassen konzentriert, dass ich die übersah, die neben mir lief. Ceff hob seine muskulösen Arme und drückte seine Handflächen neben meinen Kopf an die Mauer.
Ich saß in der Falle.
„Du bist aufgeregt“, sagte er. Er lehnte sich vor, und sein Atem berührte mein Gesicht. „Erzähle mir, was los ist.“
Wir standen einander so nah, berührten uns allerdings nicht. Aber fast. Ich konnte die Kälte von Ceffs Kelpie-Haut spüren, und sie linderte die Hitze, die von meiner abstrahlte. Wann war es so heiß geworden?
Eine Schweißperle tropfte meinen Rücken herunter, aber ich blieb reglos stehen. Wenn ich einen Muskel bewegte, würden wir einander berühren. Wenn ich nur meine Hüften verschob, würde die Szene nicht mehr jugendfrei sein. Ich errötete, und Ceffs Augen leuchteten auf.
„W ... w ... was?“, fragte ich.
Ceff hob eine Augenbraue an, und langsam erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht. Ich leckte mir die Lippen und versuchte nachzudenken. Er hatte mir eine wichtige Frage gestellt, aber ich war zu benommen und verwirrt, um mich auf die Worte konzentrieren zu können. Wie konnte ich mich denn konzentrieren, wenn Ceff so nah bei mir stand?
Ceff neigte seinen Kopf zu meinem Ohr und flüsterte. Als sein Atem meinen Hals berührte, lief es mir eiskalt den Rücken hinunter.
„Anscheinend habe ich jetzt deine Aufmerksamkeit“, sagte er. „Da kannst du mir ja erzählen, was du in deiner Vision gesehen hast.“ Ceff trat einen Schritt zurück und senkte seine Arme. Ich schnappte nach Luft und versuchte, ein Zittern zu unterdrücken. Meine Füße wussten nicht, ob sie weglaufen oder mich in seine Arme bringen sollten. Furcht und Begierde kämpften in mir, so dass ich reglos stehen blieb. „Ich kann dir nicht helfen, wenn du dich mir nicht anvertraust.“ Ich blickte in seine Augen, die nicht mehr leuchteten, sondern besorgt wirkten. „Du musst das nicht allein tun. Nicht mehr.“
Ich hielt meine Hände mit den Handflächen nach vorn hoch.
„Okay, in Ordnung“, sagte ich. „Du hast gewonnen. Aber es wird dir nicht gefallen.“
Ich glitt die Mauer hinunter und setzte mich im Schneidersitz hin. Dann klopfte ich auf den Boden neben mir. Es war eine lange Geschichte, also sollte ich es mir lieber bequem machen.
Wir saßen auf dem Bürgersteig und ignorierten die Passanten. während ich Ceff ausführlich von meiner Vision erzählte. Als ich erwähnte, dass Melusine möglicherweise etwas damit zu tun hatte, legte er seinen Kopf zwischen seine Hände. Ich tat so, als ob ich das nicht bemerkt hätte. Es war schlimm genug, dass er entdeckt hatte, dass seine mörderische Ex-Frau in der Stadt war. Aber zu erfahren, dass sie an der Entführung von Dutzenden von Feenkindern beteiligt sein könnte, war ein echter Schlag ins Gesicht. Wenn Ceff Zeit brauchte, um das alles zu verdauen, dann hatte ich nichts dagegen.
Ich zog mein Handy aus der Tasche und sah nach, ob ich Nachrichten hatte. Noch nichts von Jinx oder Kaye. Ich blickte auf und sah, dass Ceff mich gespannt anstarrte. Dunkle Ringe umgaben seine Augen, so dass seine Haut aussah, als hätte sie Blutergüsse, aber er wich meinem Blick nicht aus.
„Wenn Melusine etwas damit zu tun hat, müssen wir die Kinder finden“, sagte er. „Sie ist dazu fähig ... sie ...“
„Ich weiß“, sagte ich leise. „Wir finden die Kinder. Komm schon. Es ist an der Zeit, einen Freund zu befragen.“
Ich stand auf und reichte Ceff meine Hand. Ich trug dicke Lederhandschuhe, aber für mich war das mehr als nur ein Hilfeangebot. Ich wollte die Kluft zwischen uns überbrücken. Ceffs Vergangenheit und meine Furcht vor Intimität mussten nicht alles ruinieren.
Er nahm meine Hand, legte den Kopf zur Seite und lächelte mich leicht an. Ich hob mein Kinn und lächelte ebenfalls. Wenn Melusine wirklich unser Feind war, würde es nicht leicht sein. Aber zusammen konnten wir es mit allem aufnehmen, selbst mit Ceffs bösartiger Ex-Frau.