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Ich lehnte mich in meinem Bürosessel zurück und legte meine Stiefel auf den Schreibtisch. Ich schloss die Augen und seufzte. Ich könnte eine Woche hier bleiben.
Es war spät geworden, und Jinx und ich waren jetzt die einzigen im Büro. Der Raum war endlich still. Die Eltern der Feenkinder waren weg, aber ich war noch nicht bereit, die Treppe zu unserem Loft hinauf zu gehen.
Ich war müde und verkrampft, aber glücklich. Alle Eltern hatten sich die Zeit genommen, mir über den Moment zu erzählen, als das Telefon klingelte, jemand an der Tür klopfte oder es in ihrem Brunnen spritzte und sie die gute Nachricht hörten, dass ihr Kind am Leben und in Sicherheit war. Ich hatte gelacht, eine Menge Kaffee getrunken und gelacht, als diese Kunden ihre Geschichten erzählten.
Normalerweise traf ich mich nach dem Ende eines Falles mit den Kunden. Meiner Erfahrung nach half es den Kunden, meine Ergebnisse zu verstehen, wenn ich ihnen die Details des Falles persönlich darstellte. Das vermittelte auch ein Gefühl des Abschlusses. Aber ich hatte nie einen Fall so schön abschließen können wie den der dreiunddreißig verschwundenen Feenkinder. Jedes Kind war gerettet, jede Familie wieder vereint, und ich hatte mit allen Eltern gesprochen, um den Fall zu Ende zu bringen.
Erst heute war mir klar geworden, wie entsetzt ich darüber gewesen war, dass die Leben so vieler Kinder gefährdet waren. Ich hatte meine Emotionen unterdrückt und das getan, was nötig war. Nachdem der Fall abgeschlossen war, musste ich diese Ängste und Zweifel nicht mehr in mir verschließen.
Beim Treffen mit den Eltern kamen die Sorgen, die ich während der Suche nach den Kindern weggeschoben hatte, mit voller Gewalt zurück. Als ich den ganzen Tag lang die wichtigsten Punkte des Falls erzählte, hatte ich geballte Fäuste und verspannte Schultern, aber jetzt, nachdem alles vorbei war, konnte ich mich ganz entspannen.
Jinx klatschte in die Hände und ich öffnete die Augen.
„Der Fall ist abgeschlossen“, sagte Jinx. „Ich habe gerade die Zahlungen unserer Kunden eingetragen. Es ist Zeit, dass du nach Hause und ins Bett kommst.“
Ich gähnte. Ich hatte nicht die Absicht, aus meinem bequemen Sessel aufzustehen.
„Geh nur hoch“, sagte ich. „Ich bleibe diese Nacht hier.“
„Das kann nicht dein Ernst sein“, sagte sie. „Wenn du hier schläfst, kriegst du einen steifen Hals.“
Bevor ich antworten konnte, klopfte jemand an unsere Bürotür.
„Wenn das ein Kunde ist, bin ich nicht hier“, sagte ich.
„Klar, und das wäre so überzeugend, wo du deutlich sichtbar da bist“, murmelte sie.
Jinx schlenderte zur Tür und spähte zum Fenster hinaus. Sie lächelte und öffnete die Tür für Ceff, der vom Laternenlicht beleuchtet wurde.
Ceff war in Menschengestalt, obwohl ich mit meinem zweiten Gesicht die großen, nicht so menschlichen dunkelgrünen Regenbogenhäute seiner Augen sah. Mit Ausnahme der Augen wirkte Ceff wie ein Mann Anfang dreißig, der gerade dem Cover der Zeitschrift GQ entsprungen war. Er stand in de Türöffnung und trug ein nicht zugeknöpftes Anzugshemd und niedrig sitzende Jeans. Das Laternenlicht beleuchtete ein markantes Kinn mit Bartschatten. Meine Augen blickten zum Bürgersteig aus Backsteinen hinunter und ich lächelte. Wie üblich war Ceff barfüßig.
„Ist Ivy hier?“, fragte Ceff.
„Sie ist drinnen“, sagte Jinx. Sie trat zur Seite und deute dahin, wo ich mich in meinem Sessel zurücklehnte. „Ich schaffe es nicht, sie aus dem Sessel zu bringen. Vielleicht kannst du sie zur Vernunft bringen.“
Ceff hob spöttisch eine Augenbraue, und auf seinen Lippen erschien ein Grinsen. Scheiße. Er hatte gemerkt, dass ich ihn angestarrt hatte.
Ich fingerte an meinem Sessel herum und versuchte, mich aufzurichten. Es gelang mir, meine Stiefel auf den Boden zu bringen, aber dann musste ich aufhören, weil es mir schwindelig wurde. Ich versuchte, das Schwindelgefühl wegzublinzeln, aber der ganze Raum schien zu kippen und sich zu drehen. Mir kam die Galle hoch und ich musste schlucken.
Es war ein Fehler gewesen, aufstehen zu wollen.
Ich stütze meine Ellbogen auf den Armstützen und ließ meinen Kopf in die Hände fallen. Ich hätte meinen Kopf zwischen die Beine gesteckt, um das Drehen des Raums zu verhindern, aber ich konnte mich nicht weiter vorbeugen. Die Wunder an meiner Seite legte bereits schreiend Protest ein.
Ceff rannte zu mir, als er sah, dass ich im Sessel zusammengesackt war. Ich atmete durch meine zusammengebissenen Zähne ein und versuchte, den in meinem Magen rumorenden Kaffee zu ignorieren. Ich konnte vielleicht nicht aufstehen, aber ich würde auf jeden Fall versuchen, nicht zu kotzen.
„Hier“, sagte Ceff.
Seine Stimme klang rau, als ob er in letzter Zeit geweint hätte, aber als ich meinen Kopf hob, waren seine Augen voller Sorge, nicht voller Trauer. Er zog den Ärmel seines Hemds über seine Hand und nahm ein Glas von meinem Schreibtisch. Ich sah, wie das Glas sich mit Wasser füllte, und der Wasserspender auf der anderen Seite des Büros machte ein blubberndes Geräusch, so dass Jinx zusammenzuckte. Ceff verwendete seine Kelpie-Magie, um das Wasser zu sich zu ziehen. Jinx schüttelte den Kopf und beschäftigte sich weiter mit Zetteln auf ihrem Schreibtisch.
Ich lächelte und akzeptierte das Glas Wasser.
„Danke“, sagte ich.
Ich nippte das Wasser und versteckte mich hinter dem Glas. Was sagt man zu dem Mann, der einem sehr viel bedeutet, wenn man gerade seine Ex-Frau getötet hat?
„Anscheinend habe ich die Party verpasst“, sagte er. „Tut mir leid, dass ich mich verspätet habe.“
„Pech gehabt“, sagte ich und lächelte Ceff ironisch an. „Es gab Musik, und wir tanzten auf den Tischen.“
Ich wackelte mit den Augenbrauen und Ceff gab ein kläffendes Lachen von sich, dass dem Geräusch eines Seehunds ähnelte. Ich hatte ihn zum Lächeln gebracht. Ich erwiderte das Lächeln und überlegte, was ich nun sagen sollte. Ich rutschte im Sessel herum und versuchte, eine bequeme Sitzposition zu finden.
„Lass dich nicht von ihr täuschen“, sagte Jinx von der anderen Seite des Raums her. Sie hörte gerade lange genug mit dem Aufräumen ihres Schreibtischs auf, um mit einem Füller auf mich zu deuten. Lästige Lauscherin. „Sie hat sich nicht bewegt, seit sie heute früh in den Sessel gefallen ist.“
„Dagegen müssen wir etwas tun“, sagte Ceff.
Er lehnte sich nahe an mich heran, und seine Augen blitzten grün. Mein Herz pochte und Ceff verzog lächelnd die Lippen.
„I-ich schaffe es nie die Treppe hoch“; sagte ich atemlos. „Ich kann kaum gehen.“
„Das ist nicht nötig“, sagte er.
Ceff nahm mich so schnell in seine Arme, dass ich keine Zeit hatte, eine Waffe zu ziehen. Es war seltsam, dass ich als erste Reaktion ihn stechen wollte, als er mich trug. Ich erstarrte, hielt den Atem an und bewegte keinen Muskel.
„Besorgt euch ein Hotelzimmer, ihr beiden“, sagte Jinx.
„Das ist genau mein Plan“, sagte Ceff. Er neigte seine Lippen nahe an mein Ohr und flüsterte. „Keine Sorge, ich werde deine Haut nicht berühren und riskieren, eine Vision auszulösen.“
Sein Atem berührte mein Ohr, und es wurde mir am ganzen Körper warm. Da ich nicht wusste, was ich sagen sollte, blinzelte ich als Antwort. Ceff lachte und trug mich durch den Raum.
Das Letzte, was ich im Büro sah, war dass Jinx beide Daumen nach oben hielt.