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Sir Torn riss ein Loch in das Gewebe der Realität und sprang in das Licht dahinter. Ich schützte meine Augen vor der Sonne und stolperte auf eine grasbewachsene Ebene hinaus. Meine Ohren knackten, als der Schatten, durch den wir uns bewegt hatten, hinter mir zuschnappte.
Ich blinzelte, während sich meine Augen an den klaren, hellen Tag anpassten. Die Sonne leuchtete in einem tiefblauen Himmel, dessen Perfektion nicht von einer einzigen Wolke gestört wurde. Eine Brise raschelte in den Blättern eines Obstgartens links von mir, und rechts glitzerte goldenes Licht auf der Oberfläche eines stillen Sees. Angesichts der fantastischen Landschaft musste ich tief einatmen.
Ein weißer Hirsch, an dessen Geweih Moos und blühende Ranken hingen, trank aus dem See. Ein Rotkardinal saß auf dem Rücken des Hirsches, und das leuchtende Rot des Vogels passte zu den blühenden Mohnfeldern, die sich meilenweit in jede Richtung erstreckten.
Ich habe das Gefühl, dass wir nicht mehr in Harborsmouth sind. Vielleicht könnte ich einen Weg nach Hause finden, indem ich die Hacken zusammenschlug. Andererseits sollte man an so einem Ort lieber nicht mit Magie herumspielen. Bei meinem Glück würde ein Wirbelsturm ein Haus auf meinen Kopf fallen lassen.
Torn lehnte sich an einen Baum und rieb einen glänzenden roten Apfel gegen das Hemd unter seiner Lederweste.
„Möchtest du einen Apfel, Prinzessin?“, fragte er. „Das Essen ist kostenlose hier, und man nimmt es sich einfach. In Mag Mell muss niemand Hunger oder Durst erleiden.“
Mag Mell. Bei dem Namen lief es mir eiskalt den Rücken hinunter. Ich befand mich auf einer der mythischen Ebenen der keltischen Anderwelt. Elysium, Walhalla, diese Ebenen existierten irgendwo, aber die keltischen Anderwelten Emain Ablach, Hy Brasil, Roca Barraidh, Tír na nÓg, Ynys Afallon und Mag Mell waren am engsten mit dem Feenland verwoben.
Befand sich das Tor zum Feenland hier, auf den grünen Ebenen von Mag Mell?
„W-w-was tun wir hier?“, fragte ich.
„Ah, ich hätte nicht gedacht, dass du dich für Philosophie interessierst, Prinzessin“, sagte Torn. „Ich bevorzuge den Aristotelismus, aber das liegt vielleicht daran, dass ich früher mit dem Mann getafelt habe. Seine Frau Pythias war eine tolle Köchin.“
Ich seufzte, und mein Kiefer schmerzte, weil ich so sehr die Zähne zusammengebissen hatte.
„Ich habe nicht nach dem Sinn des Lebens gefragt“, sagte ich. Ich ballte meine Fäuste und starrte den Katzen-Sidhe an. „Ich meine nur, warum sind wir hier in Mag Mell? Befindet sich das Tor hier?“
Ich wollte Informationen über das Tor zum Feenland, keinen Ausflug in die Anderwelt. Ich rieb über die Stelle, wo sich die Wurfmesser unter meiner Jacke befanden. Ich fühlte mich völlig unvorbereitet. Welche Schrecken lauerten in den raschelnden Mohnfeldern oder unter der stillen Oberfläche des Sees? Mag Mell schien ein Land des Friedens und der Ruhe zu sein, aber manchmal trügt der Schein.
„Wir sind hier, um eine Seherin namens Béchuille zu treffen“, sagte er. „Mag Mell ist schon seit langer Zeit eine Quelle der Weisheit für Helden, die dort nach Wissen suchen.“ Torn drehte sich im Kreis und deutete von dem Hirsch weg, so dass der See hinter ihm war. „Komm, wir gehen in diese Richtung.“
Ich blieb stehen und verschränkte die Arme.
„Nicht bevor du mir das erzählst, was ich wissen will“, sagte ich. Ich starrte Torn ausdruckslos an und ließ die Dunkelheit aus meinen Alpträumen am Rande sichtbar werden. Ich hatte genug Tod und Qualen für ein ganzes Leben gesehen, und wenn ich das zeigen wollte, merkte man das. „Wer ist diese Seherin, und was muss ich ihr im Austausch für ihre Hilfe geben?“
Torn zögerte.
„Sage es mir“, drängte ich ihn.
Mit einer kurzen Bewegung meines Handgelenks befand sich der Griff eines Wurfmessers in meiner Hand. Das Feenwesen würde mir gegenüber offener werden, auf die eine oder andere Weise. Ich grinste und zeigte zu viele Zähne.
„Warte, Prinzessin“, sagte er. Torn hob die Hände, mit den Handflächen nach vorn. „Wir sollten vernünftig sein. Wenn du mich tötest, bleibst du ewig in Mag Mell. Du brauchst mich.“
Meine Finger juckten danach, alle meine Messer zu ziehen und Torn als Zielscheibe zu benutzen, aber er hatte recht. Ich hatte keine Ahnung, wie ich diesen Ort verlassen konnte. Der Katzen-Sidhe stellte meine Rückfahrkarte dar. Ich steckte das Messer weg und seufzte.
„Sage mir einfach, womit wir es zu tun haben“, sagte ich. Ich biss die Zähne zusammen und schüttelte den Kopf. „Bitte.“
Na also, ich kann auch nett sein.
„Ah, vielleicht möchtest du im Feld herumrennen oder nackt im See baden, während wir uns unterhalten?“, fragte er.
Meine Finger zuckten und ich fauchte ihn an.
„Gehe nicht zu weit“, sagte ich.
„Klar, das wäre vielleicht besser so“, meinte er. „Es ist nicht klug, zu lange in den Anderwelten zu bleiben. Können wir uns bei einem Spaziergang unterhalten?“
Torn deutete auf einen Weg, den ich vorher nicht bemerkt hatte, und ich ging weiter. Seine Bemerkung ließ meinen Puls schneller schlagen.
„Also, raus mit der Sprache“, sagte ich und lief neben ihm. „Wer ist diese Seherin, was muss ich für meine Antworten opfern, und warum ist es nicht klug, zu lange hier zu bleiben?“
„Die Seherin ist Béchuille, eine Druidin und eine der Tuatha Dé Danann“, sagte er. „Sie wird Opfer bringen, nicht du. Und was deine letzte Frage betrifft, es ist nicht klug, zu lange in den Anderwelten zu bleiben, weil die Zeit hier anders abläuft als im Reich der Sterblichen. Wenn wir uns nicht beeilen, könntest du bei deiner Rückkehr entdecken, dass deine menschliche Geschäftspartnerin seit langem tot ist.“
„Und wenn wir uns beeilen?“, fragte ich.
„Dann dürften nur einige Stunden vergangen sein“, sagte er. „Jetzt aber los.“
Wenn wir zu lange in Mag Mell blieben, wäre bei meiner Rückkehr Jinx schon lange tot, geschweige denn meine Mutter. Habe ich nicht gesagt, dass Feenwesen einen immer in Schwierigkeiten brachten? Ich wusste, dass ich mein Bündnis mit den Katzen-Sidhe bereuen würde.
Ich atmete tief ein und rannte den Weg entlang.