![]() | ![]() |
Heute früh war Ceff ins Meer zurückgekehrt. Er war eine Woche geblieben, während er den Tod seiner Ex-Frau betrauerte und die neuen Aspekte unserer Beziehung erkundete. Es tat mir leid, dass er ging, aber alle Wasser-Feenwesen müssen ins Wasser zurückkehren, und als König hatte Ceff Verpflichtungen, die er nicht länger aufschieben konnte.
Wenigstens war Jinx glücklich. Sie hatte endlich wieder gut geschlafen.
Da wir jetzt wieder allein hier waren, kümmerten sich Jinx und ich darum, das Büro wieder herzurichten. Nervöse Eltern können einen Holzboden echt ruinieren, und der Boden unserer Lobby stellte da keine Ausnahme dar. Mit einer Schleifmaschine und Holzkitt ausgerüstete reparierten wie die Löcher und tiefen Kratzer, die Hufen, Klauen und Krallen hinterlassen hatten.
Ich rieb meine schmerzenden Muskeln und sah mir unsere Arbeit an. Jinx meinte, dass ihr die neue Lobby besser als vorher gefiel. Es sagt vielleicht viel über mich aus, dass ein Mob von Feenwesen nötig war, um mich dazu zu bringen, das Büro zu renovieren. Die äußere Erscheinung bedeutet mir nicht so viel, aber ich musste Jinx zustimmen, dass das Büro jetzt toll aussah.
Nicht schlecht für einen Tag Arbeit.
Ich sollte eigentlich noch im Bett liegen, aber ich fühlte mich gut. Echt, ich fühlte mich fantastisch. Ich hob den Saum meines T-Shirts und berührte die Narben an meiner Seite mit behandschuhten Fingern. Die Haut war noch rosa, aber ich heilte schneller als ein normaler Mensch. Wenn das so weiterging, würde ich innerhalb einer Woche wieder mit Jenna trainieren.
Jinx warf mir eine Wasserflasche zu, und ich fing sie in der Luft. Eine beschleunigte Heilung war nicht der einzige Vorteil davon, ein Halb-Feenwesen zu sein. Meine Wisp-Kräfte erwachten nun und brachten mir mehr Stärke und Tempo. Ich war keine Superheldin, aber mein Feenblut gab mir endlich einen Vorteil – statt mich nur in Gefahr zu bringen.
Ich hoffte, dass meine neuen Fähigkeiten ausreichen würden, um die Reise durch Tech Duinn und in das Feenland zu überstehen. Ich hatte keine Ahnung, was ich erwarten sollte, wenn ich den Wisp-Hof erreichte, aber wie Ceff sagte, konnten meine Schlachtpläne noch einen Tag warten. Die Sommersonnenwende war noch Monate entfernt, und ich hatte Jinx versprochen, dass wir ausgehen und einen erfolgreichen Fall feiern würden.
Selbst nach den Reparaturen am Büro hatten wir noch Geld übrig. Jinx war in letzter Zeit mit unseren Ausgaben sehr sparsam gewesen, und der Fall, den wir feiern wollten, hatte eine Menge eingebracht. Die Tage, in denen wir einen abgeschlossenen Fall mit einem weiteren Becher Ramen-Nudeln feierten, waren vorbei. Wir konnten es uns leisten, die Nacht freizunehmen und etwas zu feiern.
Außerdem konnte ich Jinx nicht enttäuschen. Sie hatte mit Hans Schluss gemacht, und ich hatte fast meine ganze Freizeit mit Ceff verbracht. Es war höchste Zeit für eine Mädchennacht.
„Na, gehen wir heute Abend aus?“, fragte Jinx.
Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und schluckte das Wasser aus der Flasche.
„Klar. Wohin?“, fragte ich. „Du kannst das aussuchen.“
„Wirklich?“, fragte sie. „Schwöre es. Hand drauf.“
„Ich schwöre es“, sagte ich.
Ich lächelte, hob aber nicht die Hand. Das schien Jinx aber nicht zu stören.
Ich konnte zwar besser mit Ceffs Visionen umgehen, aber das bedeutet nicht, dass ich alle Leute berühren wollte. Bei dem Gedanken wurde mir der Mund trocken. Ich kippte die Flasche zurück und trank den letzten Schluck. Nein, ich wollte nicht die schmerzhaften Erinnerungen aller Leute durchleben. Ich hatte selbst genug davon. Außerdem hatte meine Freundin ihre Privatsphäre verdient.
„Ich hatte gehofft, dass du das sagen würdest“, meinte sie. Jinx stützte eine Hand auf ihre Hüfte und zwinkerte mir zu. „Es gibt einen Club, den ich unbedingt wieder besuchen will, aber anscheinend stehe ich nicht auf der Gästeliste.“ Jinx machte mit ihren vollen, roten Lippen einen Schmollmund. „Du solltest da wirklich etwas tun. Ich bin mir sicher, dass Club Nexus eine menschliche Vasallin hereinlassen würde, wenn du mich auf die Liste bringst.“
Oberons Augen am Stecken, Jinx wollte eine Blankoeinladung zu Club Nexus. Und sie wollte heute Abend dorthin. Der Raum erfüllte sich mit dem hohlen Schnellfeuergeräusch, mit dem meine behandschuhte Hand immer wieder die leere Wasserflasche aus Plastik zerdrückte.
„Soll das ein Witz sein?“, fragte ich.
„Was kann mir den schon passieren?“, fragte sie. „Als deine menschliche Vasallin bin ich geschützt. Außerdem waren letztes Mal so viele tolle Typen dort.“
„Du willst mit einem Feenwesen ausgehen?“, fragte ich. „Das ist verrückt.“
„Was, glaubst du, dass ich für deine Leute nicht gut genug bin?“; fragte sie. Ihr Kinn zitterte, und sie biss sich auf die Lippe.
„Nein“, sagte ich und schüttelte den Kopf. „Gütige Mab, du bist besser als alle die Kerle im Club zusammen. Ich mache mir nur Sorgen, was sie dir antun könnten. Feenwesen sind nicht gerade für ihr gutes Betragen gegenüber Menschen bekannt.“
„Sie können nicht viel schlimmer sein als die menschlichen Ekel, mit denen ich in letzter Zeit ausgegangen bin“, sagte sie.
Jinx hatte recht. Hans war launisch und gewalttätig, und ihre anderen Typen hatten sie immer wieder betrogen. Und es wäre heuchlerisch von mir, zu behaupten, dass alle übernatürlichen Wesen böse waren. Ich war ein Halbblut, das eine Beziehung zu einem reinblütigen Kelpie hatte, und ich war mit einer mächtigen Hexe, einem Haus-Brownie und einem Brückentroll befreundet. Vielleicht hatte Jinx recht.
„Okay“, sagte ich. „Wir gehen heute Abend zu Club Nexus.“ Jinx zitterte vor Aufregung, aber ich hielt eine Hand hoch. „Aber ich verspreche noch nicht, dich auf die Gästeliste zu bringen. Betrachte das als eine Aufklärungsmission, einen Test der Sicherheit im Club. Wenn sie den Schutz der menschlichen Vasallen nicht garantieren können, werde ich dich auf keinen Fall schutzlos dorthin gehen lassen.“
In ihrem bauchfreien Oberteil, Overalls und einem Kopftuch erinnerte mich Jinx an die Frau in dem Propagandaplakat aus dem Zweiten Weltkrieg, mit dem Slogan „We can do it!“ Sie war eine Rockabilly-Version von Rosie the Riveter. Ich wusste, dass meine Freundin viel gelernt hatte und sich in den meisten Situationen selbst helfen konnte, aber ich würde sie nie ungeschützt in einen Feenclub lassen. Wenn mir das, was ich heute Nacht sah, nicht gefiel, würde ich sie nicht der Gästeliste hinzufügen. Aber das bedeutete nicht, dass wir uns in der Zwischenzeit nicht amüsieren könnten.
„Klar, ja, hört sich toll an“, sagte sie. Jinx nahm ihr Kopftuch ab und beeilte sich, ihre Sachen zu holen. „Danke, Ivy. Du wirst es nicht bereuen. Pfadfinderehrenwort.“
Jinx war nie im Leben bei den Pfadfindern gewesen, aber ich lächelte. Ihre Aufregung war ansteckend. Sie flatterte im Zimmer herum, schaltete Lampen aus und holte ihre Handtasche.
Ich öffnete die Schublade meines Schreibtischs und nahm ein Fläschchen mit Eisenspänen und eine Handvoll Holzpflöcke heraus. Wenn wir in einem Club für übernatürliche Wesen feierten, sollte ich lieber auf alles vorbereitet sein. Ich öffnete meine Jacke und schob das Eisen in eine Innentasche und die zusätzlichen Pflöcke in meinen Gürtel.
Die ganze Sache war mir nicht geheuer.