»Zu dritt ist
es ganz schön eng hier drin«, sagt Ewa.
Sie reicht Sharon die Hand, die gerade als letzte durch die Luke kommt. Mike hat schon auf dem Fußboden Platz genommen, um nicht im Weg zu sein.
»Ihr habt die Koordinaten dabei?«, fragt Ewa.
»Sharon hat das Tablet mit allen Daten«, antwortet Mike.
»Dann schließe ich jetzt die Kabine.« Ewa tritt zur Luke und betätigt den Verschluss. Die Lebenserhaltung beginnt sofort, Atemluft in die Kabine zu pumpen. Kurze Zeit später signalisiert sie, dass der Druck nun genügt, die Helme abzunehmen. Ewa gibt allen ein Zeichen.
»Hier riecht es aber angenehm«, sagt Mike.
»Das Fahrzeug ist ja auch nagelneu«, meint Ewa.
»Das kann nicht die einzige Ursache sein. Du bist tagelang hier drin unterwegs gewesen. Ich sehe auch weder Toilette noch Dusche«, erwidert Mike.
Sie muss ihm recht geben. Ihre persönliche Hygiene war in der Zeit in der Kabine stark eingeschränkt, aber davon ist nichts mehr zu riechen.
»Vermutlich ist die Lebenserhaltung auch allerneueste Technik«, sagt sie.
»So wie die Anzüge«, meint Sharon. »Diese Kraftverstärker in den Gelenken sind ja eine großartige Weiterentwicklung. Da werden wir losen müssen, wer einen der drei Raumanzüge bekommt, die du mitgebracht hast.«
»Ich kann euch den hier ja auch hierlassen.« Ewa zeigt auf sich. »Ihr müsstet mir nur einen NASA-Anzug im Tausch geben.«
»Das kommt gar nicht in Frage«, sagt Mike. »Da verzichte ich lieber auf so ein Spaceliner-Modell.«
Das Bohrfahrzeug rollt los.
Es fährt einen 90-Grad-Bogen um die Basis. Auf dem Bildschirm betrachtet Ewa den zurückbleibenden Radlader. Er sieht traurig aus, als fürchte er, nun von ihnen ausgesetzt und alleingelassen zu werden. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Schaufel auf dem Boden liegt, denkt Ewa. Dadurch wirkt die Front des Fahrzeugs wie ein trauriges Gesicht.
»Richtung Osten«, sagt Sharon und zeigt auf den Bildschirm ihres Tablets.
Ewa nickt. Sie beschleunigt die linke Seite des Fahrzeugs ein wenig, sodass es den Kurs nach rechts korrigiert. Die fahle Sonne steht noch nicht weit über dem Horizont. In der Ferne ist ein Staubteufel zu sehen. Ewa denkt an die Probe, die sie genommen hat. Wenn sie dieses Exemplar erreichen würden, könnte sie ihre Datenbasis verbreitern. Zu dumm, dass sie keine zweite Stange an Bord hat.
»Könnt ihr euch diese Landschaft in Grün vorstellen?«, fragt sie, »vielleicht sogar mit großen Wäldern bewachsen?«
»Das ist schwer«, sagt Mike. »Falls es irgendwann mal so weit kommt – wir werden es nicht mehr erleben.«
»Ich fände es beinahe schade«, sagt Ewa, »hier fühle ich mich viel freier als auf der Erde. Ich glaube, in zwanzig Jahren wird keiner von uns das Grün mehr vermissen. Wir werden uns daran gewöhnt haben.«
»Das kann ich mir nun wieder nicht vorstellen«, sagt Sharon. »Es fehlt ja auch das Blau des Ozeans und des Himmels. Ich träume manchmal davon, am goldenen Strand zu liegen, vor mir das weite, unüberwindliche Meer, hinter mir der undurchdringliche, grüne Dschungel, über mir ein tiefblauer Himmel. Das Bild ist tief in mir gespeichert.«
»Irgendwann wachst du auf, und es ist verschwunden«, sagt Ewa.
»Das wäre schrecklich.«
»Nein, du weißt ja gar nicht, dass da etwas verlorengegangen ist.«
Sharon schüttelt nur den Kopf.
»Wie habt
ihr die Wasserschicht eigentlich entdeckt?«, fragt Ewa.
»Das war Mikes Idee. Ihr hattet uns das Bodenradar ja entführt, also haben wir ein Funkgerät umgebaut«, erklärt Sharon.
»Die Daten sind allerdings nicht sehr verlässlich«, sagt Mike. »Wir konnten das improvisierte Messgerät nicht ausreichend kalibrieren. Also vielleicht sind es nicht 300, sondern 500 Meter Tiefe, und statt der Grundwasserschicht hat etwas anderes die Funkwellen reflektiert.«
»Das wäre ungünstig für den Ausbau der Basis«, stellt Ewa fest.
»Erst einmal ja. Aber eigentlich gehen die Geologen davon aus, dass es in diesen Breiten Grundwasser geben müsste. Dann müssen wir eben weitersuchen, bis wir etwas finden«, antwortet Mike.
»Ich muss mal stören«, sagt Sharon, »aber nach meinen Daten sind wir fast da. Die Basis ist jetzt 9,4 Kilometer entfernt.«
Mike drückt das Gesicht an die Kabinenscheibe.
»Ich glaube, ich erkenne die Landschaft«, sagt er. »Beim letzten Mal war allerdings Nachmittag, da fielen die Schatten anders.«
»Dann sehen wir doch einfach mal nach?«, schlägt Ewa vor.
»Oh nein, ich habe die Hardware in der Basis gelassen«, sagt Mike und schlägt sich mit der Hand vor die Stirn.
»Ich denke, wir haben alles dabei, was wir brauchen. Der Bohrer muss doch seine Funktion überprüfen können, also hat er auch ein Bodenradar eingebaut«, sagt Ewa.
»Ja, bestimmt«, meint Mike, »darauf hätte ich auch selbst kommen können. Weißt du denn, wie man das alles bedient?«
Ewa lacht. »Aber woher denn? Ich bin daran nicht ausgebildet, aber gemeinsam bekommen wir das schon hin.«
Ein Tipp mit dem Finger,
und das Bohrfahrzeug stoppt.
»Und nun?«, fragt Mike.
»Moment, ich lese gerade nach«, antwortet Ewa. Sie hat das Handbuch für das Fahrzeug gefunden und liest es mit wachsender Begeisterung, denn es ist verständlich formuliert. Man merkt, dass der Verfasser Freude an der Vorstellung hatte, dass sein Text irgendwann von einem Astronauten auf dem Mars gelesen wird. Was wohl aus dem Autor geworden ist?
»Wir müssen zuerst den Turm aufstellen«, sagt Ewa.
»Sollten wir nicht vorher prüfen, ob wir auch richtig sind?«
»Das geht offenbar doch nicht, Mike, weil das Radar lediglich als Kontrollinstrument des Bohrers verwendet wird. Wer sich das ausgedacht hat, ist davon ausgegangen, dass wir schon wissen, wo wir bohren müssen, und das zuvor anderweitig geprüft haben. Das ist aber kein Problem, der Turmaufbau kostet uns vielleicht eine Stunde.«
»Verstehe«, sagt Mike. »Was sollen wir tun? Du gibst die Anweisungen.«
»Dich brauche ich draußen«, erklärt Ewa. »Die gehen hier davon aus, dass wir ein paar Helfer mit einem Rover mitgebracht haben. Da muss einiges vorbereitet werden.«
»Gut, dann müssen wir erst einmal alle in die Anzüge steigen«, sagt Mike, »anders kann ich die Kabine ja nicht verlassen.«
»Ich komme mit dir mit, vielleicht brauchst du ja noch zwei Hände«, sagt Sharon. »Hier drin kann ich gar nichts tun, oder, Ewa?«
Ewa schüttelt den Kopf. In der Kabine wird nur ein Mensch benötigt.
»Hörst du mich?«,
ruft Mike sie über den Helmfunk.
Ewa sieht aus dem Kabinenfenster. Zwei überraschend kleine Gestalten stehen auf dem Marsboden, eine davon winkt.
»Laut und deutlich«, antwortet sie.
»Was sollen wir tun?«
»Siehst du die grüne Markierung zwischen den Achsen 1 und 2 und 9 und 10? In dieser Höhe müsst ihr den Boden von Steinen und Staub befreien, damit die Stabilisatoren sauber stehen. Werkzeug dafür findet ihr in der Vorratskiste neben Achse 6 Richtung Heck.«
»Na toll, ein Putzjob. Ich bin ein hoch qualifizierter Pilot und Kommandeur der NASA-Mission«, sagt Mike.
»Nun jammere nicht herum und schnapp dir einen Besen«, sagt Sharon. »Ich gehe auf die andere Seite.«
»Der Bereich ist so sauber
wie ein Babypopo«, meldet Mike nach einer Viertelstunde.
»Ein seltsamer Vergleich«, sagt Sharon.
»Gut«, antwortet Ewa, »ich fahre jetzt die Stabilisatoren aus.«
Sie betätigt die Schaltfläche auf dem Bildschirm. Ein grüner Haken erscheint. In diesem Moment gleiten an beiden Enden des Fahrzeugs zu beiden Seiten kräftige Metallschienen aus dem Fahrgestell. Sie bestehen aus einem umgedrehten, u-förmigen Profil.
Ein kurzer Ruck geht durch das gesamte Fahrzeug. Die Schienen sind anscheinend maximal ausgefahren.
»Mike und Sharon, jetzt müsst ihr die Füße lösen. Sie sind in das Profil der Stabilisatoren eingeklappt und durch Bolzen gesichert. Werkzeug ist in der gleichen Kiste.«
»Sind schon dabei«, bestätigt Sharon.
»Auf meiner Seite klemmt es etwas«, sagt Mike ächzend.
»Vielleicht ist Staub dazwischengekommen. Versuch es doch mit der Hebelwirkung!«, schlägt Ewa vor.
»Bin schon dabei. Ich ... ha! Es hat geklappt«, ruft Mike.
»Auf meiner Seite ist alles fertig«, meldet Sharon.
»Jetzt müsst ihr die Füße noch sichern, damit sie nicht wieder einklappen. Dazu verwendet ihr dieselben Bolzen, die ihr vorhin entfernt habt. Einfach in das Gelenk einschieben, an dem die Füße hängen.«
»Kein Problem«, sagt Sharon kurz danach.
»Ebenfalls«, meldet sich Mike.
»Gut, damit steht die Basis. Jetzt errichten wir den Turm«, sagt Ewa.
»Ich kann mir ja nicht vorstellen, wie das ohne Kran ablaufen soll«, sagt Mike.
»Keine Sorge, das ist ziemlich gut durchdacht. Kennt ihr diese Autos, die sich in Roboter verwandeln können?«
»Transformer? Na klar«, antwortet Sharon. »Mein Vater hat mir ein paar geschenkt. Ich glaube, er hatte sie für sich gekauft, aber ich habe sie nicht wieder hergegeben.«
»Das Bohrfahrzeug erinnert mich an so einen Transformer«, sagt Ewa. »Passt mal auf!«
Sie betätigt den Startknopf für die Verwandlung des Transporters. An der linken und rechten Seite erheben sich langsam zwei Metallpfeiler, die wie lange Löffel aussehen. Sie werden von einer Hydraulik nach oben gefahren. Oben, am »Löffel«, ist über ein Querrohr die Spitze des Bohrturms aufgehängt. Dadurch wird der Turm allmählich von der Waagerechten in die Senkrechte befördert.
»Ich bin beeindruckt«, sagt Mike.
Ewa spürt die Bewegung im Magen, denn ihre Kabine wird von den beiden Löffeln ebenfalls in die Höhe getragen. Sie ist in der Mitte des Turms schwenkbar aufgehängt. Auf dem Bildschirm verfolgt sie, wie die Konstruktion der 90-Grad-Marke immer näher kommt.
Im obersten Punkt ist sie in der Kabine bestimmt zehn Meter über dem Boden, während der Turm noch weitere zwanzig Meter über ihr aufragt. Sowohl der Turm als auch die Kabine schwanken leicht, weil die Füße des Turms keine Verbindung zum Boden haben.
»Und jetzt?«, fragt Mike von draußen. »Sieht noch ziemlich wackelig aus?«
»Moment«, antwortet Ewa. Sie prüft, ob alle Systeme funktionieren. Wenn sich etwas verklemmt haben sollte, könnte sie jetzt noch eingreifen. Aber alles hat bestens funktioniert. Das Riesen-Origami wartet auf den letzten Schritt.
Ewa leitet ihn mit dem Finger auf dem Bildschirm ein und bekommt einen Schreck, denn die Kabine senkt sich langsam. Die beiden Löffel verändern ihre Länge, indem sie ihre Stiele ein Stück ineinander schieben. Das setzen sie so lange fort, bis der Bohrturm mit allen vier Beinen auf dem Boden aufgesetzt hat. Nach drei Minuten wechselt die Darstellung auf dem Bildschirm. Alle Systeme sind grün unterlegt. Ewa muss jetzt lediglich noch ein paar Tests starten, bei denen die Löffel zum Beispiel kurz am Turm wackeln. Tatsächlich ist alles stabil.
»Sieht gut aus«, sagt sie, »wir sind wohl einsatzbereit.«
»Fehlt da nicht noch eine Art Bohrer?«, fragt Sharon.
Natürlich. Ewa sieht nach oben. Das schwere Bohrgestänge hängt direkt über ihr. Wenn sich da jetzt die Ketten lösen würden ... Sie schiebt den Gedanken zur Seite und schlägt noch einmal im Handbuch nach. Um mit dem Bohren beginnen zu können, muss sie zuerst die Kabine zur Seite klappen, damit sie dem Bohrer nicht mehr im Weg ist. Per Fingertipp löst sie die Klammern auf einer Seite. Eine vorgespannte Feder dreht die Kabine dadurch um 90 Grad, sodass sie zwischen den Beinen des Turmes hängt, etwa da, wo beim Menschen die Knie wären. Während die Kabine diese Bewegung ausführt, neigt sie sich bedenklich zu der frei schwebenden Seite. Aber nach zehn Sekunden ist alles vorbei.
Das Bohrgestänge hat jetzt freie Fahrt. Aber es ist trotzdem noch zu früh. Zuerst müssen sie ja prüfen, ob Mike und Sharon wirklich etwas gefunden haben. Ihre Enttäuschung wäre sicher groß, wenn sie sich geirrt haben sollten. Deshalb hofft Ewa, dass das Bodenradar des Bohrers bald eine Wasserschicht meldet.
»Ich starte jetzt die Messung«, gibt Ewa bekannt. »Erwartet ihr eigentlich eine bestimmte Wasserqualität?«
»Ganz egal, Hauptsache, es ist nass«, sagt Sharon.
»Da die Funkwellen so gut reflektiert wurden, erwarte ich eher salziges Wasser, das viele Ionen als Ladungsträger enthält«, meint Mike. »Aber Sharon hat Recht, egal wie schmutzig die Brühe ist, sie wäre unendlich wertvoll für uns.«
»Tatsächlich könnten wir aus einem Wasserreservoir mit vielen Metallsalzen auch gleich noch andere Ressourcen auffüllen«, sagt Sharon.
Die Mess-Software meldet sich. Auf dem Bildschirm erscheint eine Grafik, die den Marsboden unter ihnen bis in eine Tiefe von knapp tausend Metern zeigt. Die beiden hatten Recht! Ewa lächelt.
»Da ist wirklich etwas. Eure Messung war gut!«, sagt sie.
Durch das Kabinenfenster sieht sie, wie Mike und Sharon sich umarmen.
»Das ist eine tolle Nachricht, vielen Dank«, sagt Sharon. »Kannst du uns mehr über das Reservoir sagen?«
»Es ist sogar noch näher an der Oberfläche, als ihr vermutet habt«, sagt Ewa. »Die Software hat 180 Meter berechnet. Die Grenzschicht reflektiert anscheinend nicht ganz so stark, wie ihr es bei der Tiefenschätzung angenommen habt.«
»Das heißt, das Wasser ist sauberer als gedacht«, erklärt Mike.
»Wenn es Wasser ist«, widerspricht Ewa. »Es ist immer noch möglich, dass wir eine Grenzschicht anderer Art vor uns haben. Ich würde meine Erwartungen lieber noch nicht so hochschrauben.«
»Aber die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um Wasser handelt, ist doch deutlich höher als die für ein bisher unbekanntes geologisches Phänomen«, beharrt Mike.
»Das ist richtig. Sicher können wir aber erst sein, wenn wir nachgesehen haben.«
»Dann lass uns mit der Bohrung beginnen, Ewa.«
»Seid ihr denn inzwischen sicher, dass ihr das Bohrfahrzeug behalten wollt? Wenn wir auf Wasser stoßen, kann ich nicht mal schnell den Bohrer wieder herausziehen und anderswo hinfahren.«
»Ja, jetzt sind wir so weit gekommen, jetzt will ich diese Frage geklärt wissen«, sagt Mike.
»Gut, auf deine Verantwortung.«
Ewa drückt den Knopf auf dem Bildschirm, der das Bohrgestänge auf dem Marsboden absetzt. Die Maschinerie bewegt sich ganz nah an ihrer Kabine vorbei. Kurz sieht sie die Bohrturbine, danach folgen Schläuche und flexible Rohre. Nach einer Sicherheitsabfrage beginnt die Bohrturbine mit ihrer Arbeit.
»Jetzt läuft die Bohrung«, gibt sie über Funk durch.
»Wie lange wird es dauern?«, fragt Mike.
»Am besten, ihr kommt morgen früh wieder.«
»Wie meinst du das?«
»Ihr wollt doch bestimmt nicht mit mir zusammen in der engen Kabine ohne sanitäre Einrichtungen übernachten? Bis zu eurer Basis sind es zehn Kilometer, das ist ein schöner Spaziergang.«
»Natürlich«, sagt Mike, »das hatte ich schon verdrängt. Du brauchst uns ganz bestimmt nicht? Und du willst nicht mitkommen?«
»Ich passe hier lieber ein bisschen auf.«
»Wenn du uns brauchst, sind wir mit dem Rover in einer halben Stunde da«, verspricht Mike.
»Klar. Aber es wird schon nichts passieren. Der Bohrer ist selbstwartend. Ich komme schon klar.«
»Dann schon mal eine gute Nacht«, sagt Sharon.
Es ist gerade einmal Mittag,
zum Schlafengehen also viel zu früh. Als Mike und Sharon abmarschiert sind, entschließt auch Ewa sich zu einem Spaziergang. Sie bereitet sich auf den Ausstieg vor und verlässt die Kabine. In der Luke zuckt sie erst einmal zurück. Die Kabine schwebt nicht mehr knapp über den Rädern, sondern etwa zehn Meter über dem Marsboden. Sie konzentriert sich auf die Leiter und steigt hinab.
Dann geht sie um den Bohrturm herum. Durch die zehn Achsen erkennt man das Fahrzeug noch, obwohl es sich verwandelt hat. Der ehemals liegende Turm ragt nun stolz in die Höhe. Zu seinen Füßen, genau zwischen seinen Beinen, sitzt ein unförmiger Klotz, von dem leichte Vibrationen ausgehen. Ewa spürt sie in den Füßen. Der Bohrkopf wird elektrisch angetrieben. Den Strom erzeugt ein Miniatur-Kernkraftwerk, das ähnlich wie der KRUSTY der NASA arbeitet. Da es nur eine relativ geringe Leistung hat, wird die Energie in großen Kondensatoren zwischengespeichert und immer dann abgegeben, wenn sich die Bohrturbine wieder ein Stück in den Boden fressen will. Durch diese Intervalltätigkeit spart man sich eine teurere Stromquelle.
Ewa tritt etwas näher heran, hält aber respektvollen Abstand. Aus dem Block, der auf dem Boden aufsitzt und das Bohrloch verbirgt, dringt ein weißlicher Dampf. Das werden Reste der Kühlflüssigkeit sein. Die ganze Bohrung läuft in erstaunlicher Stille ab. Sie muss sich immer wieder daran erinnern, dass das an der dünnen Marsatmosphäre liegt. In diesem Moment fühlt sie sich seltsam unnütz und verloren. Sie ist nicht mehr als ein Gast, der einen Prozess in Gang gesetzt hat und dann wieder gehen darf.