Mike blendet
die Scheinwerfer des Rovers zweimal auf. Das andere Fahrzeug reagiert genauso. Das kann nur Ellen sein. Sie haben verabredet, dass sie sich am Landeplatz des Spaceliner 1 treffen, ganz in der Nähe des Versorgungsschiffes, das Ewa vor ein paar Wochen geplündert hat.
»Hallo Ellen, hattest du eine gute Fahrt?«, fragt er über Funk.
»Ein bisschen langweilig. Ich hoffe, dass das hier schnell vorbei ist. Es gibt so viel zu tun!«
»Ja, bei uns auch«, antwortet er.
Dann ist es still. Mike kratzt sich am Kopf. Wie drückt er es nur am besten aus?
»Wir haben wohl noch knapp drei Stunden Zeit«, sagt er schließlich. »Sollen wir uns noch ein bisschen unterhalten?«
»Ja, was willst du wissen?«
»Ich meine persönlich.«
»Ah, verstehe«, sagt Ellen. »Gehen wir zu mir oder zu dir?«
Sie lacht, während Mike rot wird.
»Ich komme gern rüber zu dir, dann musst du dich nicht extra anziehen«, sagt er. Vorhin hat er schon ein bisschen trainiert, damit er sofort aussteigen kann.
»Gut, ich habe gerade sturmfreie Bude, meine Eltern sind einkaufen«, neckt ihn Ellen. Mike ist froh, dass ihnen niemand zuhören kann.
»Ich komme.«
Er braucht bloß noch seinen Helm zu schließen. Dann verlässt er den Rover durch die Luke. Der andere Rover kommt ihm entgegen. Dabei wirbelt er etwas Staub auf. Als er nur noch ein paar Meter entfernt ist, öffnet sich die Luke, und er erkennt eine Person im Raumanzug.
Aber klar. Der Rover besitzt nun mal keine Schleuse. Selbst wenn er bei ihr einsteigt, muss Ellen zunächst ihren Anzug anziehen und die Luft ablassen. Er hat sich wohl bei ihr blamiert, weil er daran nicht gedacht hat. Sie winkt ihm, und er geht etwas schneller.
Kurze Zeit
später schließt Ellen die Luke hinter ihm. Während die Lebenserhaltung frische Atemluft in die Kabine bläst, legt die junge Frau ihren Raumanzug ab. Darunter ist sie nackt, nein, sie trägt einen Slip. Mike bleibt die Stimme weg. Er schält sich ebenfalls aus seinem Anzug. Ellen beobachtet ihn dabei. Mike sieht zu Boden, denn er will nicht schamlos erscheinen.
»Könnte es sein, dass du ein bisschen verklemmt bist, Mike?«, fragt sie. Ellen steht auf und kommt näher. Dann hilft sie ihm beim Ausziehen. Er kann nicht anders, als ihren schlanken, fast dünnen Körper zu betrachten. Mike sucht nach Worten, doch ihm fällt nichts ein. In zwei Stunden landet der Spaceliner 1, und er soll mit dem Administrator ihre künftige Zusammenarbeit besprechen. Und jetzt ist da diese Frau, nur zwei Jahre jünger als er, die wie er selbst eine Mars-Siedlung leitet – und die offenbar eine ganz bestimmte Vorstellung von den kommenden zwei Stunden hat.
»Ich hatte nun fast ein Jahr keinen Sex mehr«, sagt sie, »und bei der Enge bei uns war sogar an Selbstbefriedigung kaum zu denken. Da kam mir dieser einsame Ausflug mit dem Rover wie ein Geschenk vor. Findest du nicht auch?«
Mike nickt, etwas anderes fällt ihm noch immer nicht ein. Der Geruch dieser Frau ist so betörend, das scheint sich auf sein Sprachzentrum auszuwirken.
»Es ist vollkommen okay, Mike, du musst gar nichts sagen«, flüstert Ellen. Dann nimmt sie seinen Kopf in beide Hände und küsst ihn.
Die Landung
des Spaceliner 1 erleben sie in eine Decke gewickelt vor den Bullaugen des Rovers. Aus dem Himmel steigt plötzlich ein feuerspeiender Drache herab. Das elegante Schiff reitet auf dem Feuer seiner Triebwerke, die es immer stärker abbremsen. Ihre Kraft wirbelt eine Staubwolke auf, die das Geschehen fast verbirgt. Zu hören ist nichts, aber je näher das Schiff dem Boden kommt, desto stärker werden die Vibrationen, die bis in den Rover zu spüren sind. Mike hält Ellens Hand. Was da landet, wird ihrer aller Leben verändern. Er ist noch unsicher, in welche Richtung, aber das werden sie hoffentlich beeinflussen können – auch wenn es harte Arbeit wird.
»Ich glaube, es wäre Zeit, wieder etwas überzuziehen«, sagt Ellen verschmitzt.
»Da hast du Recht.«
Mike sucht seine Sachen zusammen, die in der Kabine verstreut sind, bringt sie in die richtige Reihenfolge und beginnt sich anzuziehen.
Da meldet der Computer eine eingehende Verbindungsanfrage.
»Ellen Blake hier«, meldet sich Ellen, »Ich bin die Leiterin des MfA-Projekts. Und der Mann hier ...«
Mike stürzt an das Mikrofon. »... ist Mike Benedetti, Commander der NASA-Basis. Es freut uns, dass Sie den weiten Weg gut hinter sich gebracht haben.«
»Mein Name ist Rick Summers, aber Sie kennen mich ja schon. Ich würde Sie gern zu einem ersten Gespräch auf mein Schiff einladen. Könnten Sie in einer Stunde an Bord kommen?«
»Wir werden da sein, Mr. Summers«, sagt Ellen und beendet die Verbindung.