Sol 184, NASA-Basis
In einem Punkt waren sich MfA und NASA-Astronauten überraschend einig gewesen: Außer Gabriella, der MfA-Ärztin, war niemand dafür gewesen, sich unter die Herrschaft eines Despoten zu begeben. Die Frage, ob sie sich der »Mars City« anschließen sollten, war damit schnell geklärt. Die damit verbundene Drohung, sie zu Feinden zu erklären, hatte die beiden Crews in ihrem Entschluss eher bestärkt.
Problematischer war die Forderung nach der Auslieferung von Ewa. Es war zwar nicht die Mehrheit, die das forderte, doch es machte Ellen die Entscheidung schwer, wie sie Mike in langen Funkgesprächen vor dem Schlafengehen schilderte.
Jetzt haben sie sich in den Besprechungsräumen ihrer jeweiligen Basen versammelt. Sie wollen eine gemeinsame Erklärung formulieren, die dann an den Administrator der Mars-City gehen soll, wie sich die um den Spaceliner 1 wachsende Siedlung inzwischen nennt. Mike sitzt vor der Kamera. Ellen hat ihm schon gesagt, dass sie nicht die komplette Unterstützung der MfA hat.
Mike sieht sich um. Sarah, Sharon, Ewa und Lance sehen ihn erwartungsvoll an. Auf dem Bildschirm erkennt er die MfA-Leute. Einige lächeln, andere haben die Arme vor der Brust verschränkt. Er verkneift sich einen Seufzer. Dann greift er unter den Tisch und holt ein Blatt Papier hervor, sein Lieblings-Dokument.
»Liebe Angehörige der Mars-Nation«, beginnt er. »An Sol 92 haben wir die Gründung unserer Föderation gefeiert. Ihr habt alle unterschrieben.«
Mike hält den Zettel in die Kamera.
»Es ist ein seltsamer Zufall, aber dieser Tag ist nun genau 92 Sol her. Hat das etwas zu bedeuten? Ich weiß es nicht. Aber ich weiß eines: Wenn wir den Forderungen von Administrator Summers folgen, bedeutet dies das Ende unserer jungen Nation. Darf ich euch vorlesen, was wir uns damals geschworen haben?«
Er liest ein paar Sätze aus ihrer Verfassung: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, das sind die wichtigsten Werte.
»Was bedeutet das? Es heißt, dass wir unsere kleine Nation nicht nur dann aufgeben, wenn wir uns komplett der Mars-City anschließen. Ich weiß, das will niemand von euch. Wir würden aber unsere Werte aufgeben, würden wir, wie von Summers gefordert, Ewa ausliefern. Wenn sie eine Straftat begangen hat, stellen wir sie selbst vor Gericht. Aber wir werden sie nicht ausliefern – sonst könnten wir dieses Papier hier auch gleich zerreißen. Wir werden euch gleich nach eurer Stimme fragen. Jede Stimme eines Mitglieds der Mars-Nation ist gleich viel wert. Wir brauchen keinen Administrator, der uns verwaltet. Bitte denkt also bei der Abstimmung an dieses kleine, hoffnungsvolle Papier, das die Grundlage für unsere Gemeinschaft bildet.«
Ellen lächelt ihm aufmunternd zu. Sie beginnen gleich mit der Abstimmung. Sarah, Sharon und Lance stimmen wie erwartet in seinem Sinn, Ewa enthält sich. Dann meldet Ewa das Ergebnis der MfA: drei Stimmen für die Auslieferung, die anderen dagegen. Mike ist erleichtert. Jetzt kann die Mars-Nation Rick Summers die Antwort schicken, die er verdient hat.