In der Grauzone

Die AfD und Israel

Fünf Tage nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel war sich der Bundestag im Prinzip über alle Parteigrenzen hinweg einig: Das deutsche Parlament stellte sich auf die Seite Israels. Das galt auch für die Partei, die ein außerordentlich prominentes Aushängeschild hat: Björn Höcke, der Chef des AfD-Landesverbandes Thüringen, den der Landesverfassungsschutz als «gesichert rechtsextremistische Bewegung» eingestuft hat. Und dies gilt auch für die AfD-Landesverbände Sachsen-Anhalt und Sachsen.

Alexander Gauland, sowohl Ehrenvorsitzender der Bundespartei wie auch der AfD-Fraktion im Bundestag, ließ als Redner im Plenum keinen Zweifel an einer scharfen Verurteilung der Hamas und der Unterstützung Israels bei ihrer Bekämpfung. Und er richtete den Blick auf die anti-israelischen Demonstrationen hierzulande: «Wie viele dieser Freudenfeiern und Aufrufe zum Judenmord hat es in Deutschland gegeben?», fragte er und fuhr dann fort: «Mit dem ist nicht nur Israel gemeint, damit sind auch wir gemeint, der gesamte Westen. Israel, das ist der Westen in einer Umgebung, die den Westen ablehnt und bekämpft. Wenn wir uns an die Seite Israels stellen, verteidigen wir auch unsere Art zu leben und zu denken, gegen einen politisierten Islam. Das … ist ganz bestimmt deutsche Staatsräson.»

Im Rückblick auf seine frühere CDU-Vergangenheit in Hessen scheint diese Pro-Israel-Haltung folgerichtig. Damals hatte er sich als Leiter des Büros des Frankfurter Oberbürgermeisters nachdrücklich für Jüdinnen und Juden und für das Existenzrecht Israels eingesetzt. Doch man muss genauer hinschauen, wenn ausgerechnet die AfD sich als Freund des Staates der Juden darzustellen versucht. An der Oberfläche scheint das Konzept stimmig zu sein: Die Partei stellt sich mit Nachdruck an die Seite Israels und nutzt das als Argument für eine entschlossene Bekämpfung des politischen Islam. Doch, das zeigen die weiteren Debatten im Bundestag in den Wochen danach, geht es dabei vor allem darum, sich gegen die in Deutschland lebenden Muslime und die Zuwanderung aus islamischen Staaten zu wenden. Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft sagt von der AfD, dass sie «Israel sozusagen als Panzerkreuzer im muslimischen Meer sehen», sagt Volker Beck, «und weil sie gegen die Muslime sind, Israel gut finden. Das Einzige, was sie an Israel stören mag, sind die Juden.»

Zugleich schafft die AfD den Spagat, sowohl mit geschichtsrevisionistischen Forderungen wie auch mit anti-globalistischen Narrativen antisemitische Klischees weiter zu bedienen. In seinem «Lagebild Antisemitismus» für die Jahre 2021/22 stellt das Bundesamt für Verfassungsschutz, für das die AfD insgesamt ein Verdachtsfall ist, für das rechte Lager insgesamt fest: «Antisemitismus nimmt innerhalb rechtsextremistischer Parteien unverändert eine wichtige Rolle als verbindender und gleichzeitig identitätsstiftender Faktor ein.» Antisemitische Überzeugungen und Feindbilder seien bei den Mitgliedern «fest verankert». Allerdings würde dies aus strategischen Überlegungen «überwiegend in codierter Form transportiert und verbreitet».

Als AfD-Spitzenmann hatte Alexander Gauland von der Zeit des Nazi-Regimes gesprochen, für die man Verantwortung übernehmen müsse. Aber: «Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in unserer über 1000-jährigen Geschichte», sagte er und nannte als «große Gestalten der Vergangenheit» Figuren, die von Karl dem Großen bis zu Bismarck reichten und der Maßstab seien, «an dem wir unser Handeln ausrichten müssen». Nach heftigen Protesten, auch aus der eigenen Partei, hatte er das zwar zurückgenommen, aber es zeigte sich auch bei ihm ein Muster, das in der AfD immer wieder durchscheint: das Relativieren der zwölf Jahre von Deutschlands dunkelster Geschichte und der Gräueltaten der Nationalsozialisten, und damit das Grasen am rechten Rand, wo die Partei einen ganz wesentlichen Teil ihres Wählerpotentials hat, inklusive massiver anti-jüdischer und antisemitischer Auswüchse.

Hier ragt AfD-Ikone Björn Höcke besonders heraus, ist aber keineswegs ein Einzelfall. In einer Rede in Dresden legte er 2017 seine Sicht darauf ganz offen dar: «Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.» Ein Spruch, der in AfD-Kreisen gerne gerade als Bekenntnis zur deutschen Schuld umgedeutet wird. Doch im Gesamtkontext seiner Rede wird klar, wie es tatsächlich gemeint war: Die deutsche Gedenkkultur nannte er eine «dämliche Bewältigungspolitik» und verwies auf eine «nach 1945 begonnene systematische Umerziehung». Deshalb müsse es eine «erinnerungspolitische Wende um 180 Grad» geben.

Die Amadeu-Antonio-Stiftung hat in einer Studie zum Antisemitismus in der AfD diese Äußerungen zu Recht in den größeren Zusammenhang der AfD-Parteigeschichte gestellt, indem sie auf das Grundsatzprogramm von 2016 verweist. Dort ist zu lesen: «Die aktuelle Verengung der deutschen Erinnerungskultur auf die Zeit des Nationalsozialismus ist zugunsten einer erweiterten Geschichtsbetrachtung aufzubrechen, die auch die positiven, identitätsstiftenden Aspekte deutscher Geschichte mit umfasst.» Hier wird deutlich, dass die Gauland-Bewertung des Nazi-Reiches als «Vogelschiss in der deutschen Geschichte» keineswegs ein Ausrutscher war, sondern genau der Parteilinie entsprach.

Die Häutungen der AfD

Dabei hatte die Partei bei ihrer Gründung im Februar 2013 ganz andere Ziele. Sie startete einmal als überwiegend bürgerliche Opposition gegen die Ziele der von Kanzlerin Merkel geführten Regierung, die sich für die Rettung des Euro und damit die Erhaltung der Europäischen Union einsetzte. Doch diese einstmals eurokritische und nationalliberale Partei radikalisierte sich nach 2015 nach der Entscheidung Merkels für eine Grenzöffnung für Flüchtlinge aus dem Nahen Osten. Seither häutete sich die AfD zu einer immer extremeren Protestpartei, die sich mit einem fremdenfeindlichen Kurs immer weiter nach rechts öffnete. So wurde die Partei zum Sammelbecken extremer Kräfte, die inzwischen Anschluss an Wladimir Putins Russland und selbst an die Mullahs in Teheran suchen.

Nach der Abspaltung des wirtschaftspolitisch orientierten Flügels unter Partei-Mitgründer Bernd Lucke 2015 blinkte die Führungsmannschaft immer stärker nach rechts. Damit stand die Frage im Raum: Wie umgehen mit der schweren Bürde der nationalsozialistischen Vergangenheit, wie mit denjenigen, die diese Vergangenheit am liebsten abschütteln oder sogar hochhalten wollten?

Der Fall des Wolfgang Michael Gedeon macht deutlich, wie schwer sich die AfD tut, wenn es um offen antisemitische Funktionäre geht. Bevor er zur AfD kam, hatte der studierte Mediziner eine bunte politische Karriere durchlaufen, die – geprägt von den 68er-Wirren und in dieser Zeit keineswegs ein Einzelfall – von der Mao-treuen kommunistischen KPD/ML über die Jungsozialisten und schließlich 2013 in der Gründungsphase bereits zur Alternative für Deutschland reichte, für die er 2016 in Baden-Württemberg ein Landtagsmandat errang.

Gedeon machte bald mit klar antisemitischen Schriften und Erklärungen auf sich aufmerksam. So wie der Islam der äußere Feind sei, so seien die «talmudischen Ghetto-Juden der innere Feind des christlichen Abendlandes». Er bezog sich als Beweis für seine extremen Positionen auch auf die «Protokolle der Weisen von Zion», die Hetzschrift schlechthin für die Anhänger des Glaubens an eine jüdische Weltherrschaft. Der Streit eskalierte so weit, dass es zu einer Spaltung der AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag kam, die sich nicht mit ausreichender Mehrheit auf einen Ausschluss Gedeons einigen konnte. Unter Führung des Fraktionsvorsitzenden (und AfD-Bundessprechers) Jörg Meuthen verließen zwölf Abgeordnete die Fraktion, die sich dann einige Monate später wieder vereinigte. Zwar blieb Gedeon fraktionslos, konnte aber weiter in Gremien mitarbeiten und war 2017 auch noch Delegierter auf dem AfD-Bundesparteitag. Mehrfache Versuche aus der Fraktion, ihn wieder aufzunehmen, scheiterten, weil eine Zwei-Drittel-Mehrheit nicht zustande kam. Aber es war eben auch klar: Der größere Teil der Fraktion stand auf seiner Seite. Gedeon blieb bis 2021 im Landtag und vertraute dem «Südkurier» an: «Die AfD kann man nicht wählen, solange Leute wie Meuthen oder die Weidel der verlängerte Arm des Verfassungsschutzes sind.» Schließlich, nach jahrelangem Hin und Her, gelang es der Bundespartei, ihn auszuschließen. Der Fall war spektakulär, einzigartig jedoch ist er keineswegs. Der interne Kampf um die Richtung der Alternative für Deutschland hat sich eher dramatisch verschärft. Und es zeigt sich inzwischen ganz klar: Es geht immer weiter nach rechts.

Das zeigte sich erneut und noch krasser beim Kampf um die Auflösung des «Flügels», der nach Schätzungen mit 7000 Mitgliedern und einer breiten Unterstützung in Ost-Deutschland den äußersten rechten Rand der Partei darstellte. Die Schätzungen für die parteiinterne Unterstützung schwanken zwischen 40 und 70 Prozent in den neuen Bundesländern. Björn Höcke vor allem war seine Galionsfigur. Nicht zuletzt aus Sorge um ein AfD-Verbot drängte die Parteispitze unter Jörg Meuthen auf die Auflösung. Tatsächlich kamen die Flügel-Funktionäre dieser Forderung formal im Frühjahr 2020 nach. Doch wenn nun auch der formelle Rahmen fehlte, so gab es weiterhin zahlreiche öffentliche Auftritte der früheren Funktionäre. Sowohl innerhalb der Partei wie auch außerhalb davon geht man seither davon aus, dass die Flügel-Richtung in der AfD seither eher stärker geworden ist.

Zwar hatte Co-Parteichef Meuthen diesen Kampf um die Auflösung des Flügels gewonnen, doch musste auch er einsehen, dass die rechtsextremen Kräfte in der AfD überwiegen. Dabei war er durchaus ein Parteichef, der einst keineswegs auf diese wirkungsmächtige Bewegung verzichten wollte. Noch 2017 war er zusammen mit Björn Höcke beim 3. Kyffhäuser-Treffen und stellte klar: «Der Flügel ist ein integraler Bestandteil unserer Partei, und das wird auch in Zukunft immer so bleiben.» Und deutlicher noch: «Wer das anders sieht, wer hier in Ausschließeritis verfällt, wer nicht erkennt, dass der Flügel ein wichtiger Bestandteil der Seele unserer Partei ist, der wäre auch in der Position eines Bundessprechers fehl am Platze.»

Doch gut vier Jahre später warf auch Meuthen das Handtuch – wie schon vor ihm Bernd Lucke und Frauke Petry. Nun sah er es genau andersherum. Er forderte sowohl neue Leute an der Parteispitze wie auch eine programmatische Erneuerung der AfD. Im Januar 2022 ging er, die Begründung: Die Partei sei «sehr weit rechts». In «Bild am Sonntag» legte er im Sommer 2023 noch weiter nach. Die Radikalen hätten die Kontrolle übernommen, nun seien dort nur noch «Extremisten, Opportunisten und Karrieristen». Vor allem aber: Die AfD sei eine Partei «am rechten Rand mit völkisch-nationalistischen Positionen».

Sie werde zudem von Björn Höcke dominiert. In der Tat ist dieser längst die Figur, die nach außen den Ton angibt. Und seine Unterstützer, auch im Bundestag, nutzen zunehmend jene Codes, die als klar antisemitisch eingestuft werden. Einer von ihnen ist Petr Bystron, den die AfD auf Platz zwei für die Europawahlen gesetzt hat. «Wir kämpfen gegen die Kriegstreiber, die Globalisten, die uns zwangsimpfen wollen, enteignen wollen, versklaven wollen», sagte er auf dem Wahlparteitag in Magdeburg. Christine Anderson, Europaabgeordnete, behauptete, die Europäische Union sehe die Bevölkerung als eine «willenlose Masse, über die die globalitären Eliten nach freiem Willen» verfügen können. Auch hier war es wieder: die «globalitären» Eliten – die verdeckte Beschreibung von Juden, die im Hintergrund die Fäden ziehen, das ewige Narrativ von der jüdischen Weltherrschaft. Und auch Höcke selbst stieß in dasselbe Horn. Bei einer Demonstration, wieder in Dresden, im Februar 2023 beklagte er, dass Deutschland nicht souverän und «nach wie vor ein teilbesetztes und fremdbestimmtes Land» sei. Selbst die USA seien fremdbestimmt. Und von wem? «Fremdbestimmt von einer kriegsgeilen Elite.» Und das gilt für ihn offenbar auch für die Berliner Politik, denn: «Die Baerbocks und Strack-Zimmermanns dieser Republik und diese ganzen globalistischen Handpuppen, das sind Kriegstreiber!» Der oberste AfD-Einpeitscher nutzt diese antisemitischen Codes immer wieder. Offen antisemitisch kommen AfD-Funktionäre der oberen Ebene allerdings nicht daher, und das Meinungsspektrum ist durchaus vielfältig.

Widerliche Töne vom rechten Mob

Im rechtsextremen Mob dagegen tobt der Antisemitismus sich auf das Übelste aus. Die NPD bedient das eindeutig und verbreitet Verschwörungstheorien zum antisemitischen Dauer-Klassiker schlechthin, der jüdischen Weltherrschaft. In ihrem Blatt «Stimme Deutschlands» kann man unter Hinweis auf einen unrechtmäßigen, lähmenden deutschen «Schuldkult» nachlesen: «Und wieder hundert Jahre nach Marx’ Bekehrung fröhnten noch immer diese Weltbeherrscher den euthanasischen Bedürfnissen ihres Gottes, insbesondere sie, neben dem erdgebundenen Ausrotten von Deutschen, Feuer und Sturm auf Dresden, Hiroshima und viele andere Städte regnen ließen.» Um solche «unschönen Vorfälle» auszuschließen, hätten diese «Weltbeherrscher» nach diesem «Ausrottungsvorgang» sich «UNO, Weltbank und ähnliche Organisationen» geschaffen.

In der rechtsextremen Musikszene, die heute durch das Internet eine besondere Verbreitungsmöglichkeit erlangt hat, lassen sich Beispiele finden, die an Widerwärtigkeit nicht zu übertreffen sind. Eine Gruppe mit dem bezeichnenden Namen «Endlösung» etwa stellte über einen finnischen Vertriebskanal Songs unter dem Titel «Unter dem Hakenkreuz» ins Netz. Kostprobe:

«Zyklon B geht gut rein Ja, ja, ja, der Jude wieder da Oh, oh, oh, ach bin ich froh Nun, nun, nun, dann ham’ [sic!] wir was zu tun Schön, schön, schön, muss er duschen gehen Er zieht, ne [sic!] finstre Miene, aber ich weiß offen dann … kommt die Genickschussschiene, dann geht der Ofen an.»

Und weiter:

«Und wer nicht mag dies Liedchen, gehört nicht zu den reinen Guten Sondern zählt zu dem wenigen Abschaum, ich meine all die Juden.»

Und auch das findet man auf dem Album:

«Bald wird es in Deutschland schön Denn alle Juden müssen gehen Die Großen und die Kleinen Da hilft kein Schreien und kein Weinen Juden raus, Juden raus Raus aus unserem deutschen Haus.»

In solchen Kreisen gilt, nicht überraschend, manchem die AfD als viel zu zahm. So äußerte sich etwa die NPD-Jugendorganisation «Junge Nationalisten» so: «Denn durch den anhaltenden Schuldkult, wie auch durch das Hochloben der jüdischen Gemeinden, welche ebenso wenig wie der Araber mit der nordisch-germanischen Art Europas zu tun hat, wird dieser Einfluss geschürt.» Multimilliardäre wie etwa George Soros könnten hohe Summen in völkerfeindliche Projekte investieren, «die den Erhalt aller Völker dieser Erde gefährden, ohne sich Gedanken machen zu müssen». Um sich dann von der AfD zu distanzieren: «Die mittlerweile nahezu an die CDU heranreichende AfD geht Hand in Hand mit den Völkerfeinden.»

Die AfD als Gemischtwarenladen

Tatsächlich hat der Gaza-Krieg deutlich auseinanderstrebende Positionen in der Partei offengelegt. Zwei Lager sind erkennbar. Während AfD-Frontmann Björn Höcke nicht müde wird, wieder und wieder zu betonen, dass Deutschland «fremdbestimmt von einer kriegsgeilen Elite» und unter der Kontrolle von «globalistischen Handpuppen» sei, und sein Lager mit seiner pro-russischen Haltung versucht, das Land von westlichen Werten abzukoppeln, beklagte Ex-Fraktionschef Alexander Gauland in seiner pro-israelischen Bundestagsrede ganz ausdrücklich die Gefahr für den Westen und seine Lebensart. Auch andere prominente Stimmen meldeten sich in diesem Sinne zu Wort. So betonte etwa Erika Steinbach, die Vorsitzende der AfD-nahen Desidirius-Erasmus-Stiftung (und frühere prominente CDU-Politikerin): «In die AfD wäre ich niemals eingetreten, wenn ich den Eindruck gewonnen hätte, dass Antisemitismus dort ein Zuhause hätte.» Sie räumt zwar ein: «Das bedeutet nicht, dass es nicht auch den einen oder anderen Antisemiten geben könnte. Das habe ich aber auch in der CDU registrieren müssen.» Sie stellt sich aber eindeutig in das Lager der Israel-Unterstützer: «Es ist wichtig, dass wir das durch Deutschland zu verantwortende jüdische Schicksal im historischen Gedächtnis halten und auch im öffentlichen Raum darauf hinweisen. … Die Solidarität mit Israel seitens Deutschland halte ich für absolut unverzichtbar.»

Ob sich die AfD hier in eine Zerreißprobe hinein bewegt, bleibt offen. Das macht es auch prominenten Beobachtern schwer, dies zu bewerten. So meint etwa der frühere Kulturstaatsminister im Kanzleramt und Philosoph Julian Nida-Rümelin: «Rechtsextrem ist nicht zwingend anti-semitisch. Allerdings gibt es so viele offen und verdeckt anti-semitische Äußerungen von AfD-Funktionären und -Politikern, dass die Vermutung naheliegt, dass diese Stellungnahmen im Bundestag taktisch motiviert sind.»

Auch der frühere AfD-Parteichef Jörg Meuthen sieht kein klares Bild, wenn es um das Ausmaß des Antisemitismus in seiner früheren Partei geht: «Ein Problem in der AfD war und ist bis heute, dass dort alle Positionen geduldet werden. Das geht von dezidiert pro-israelischen und pro-jüdischen Positionen bis hin zur Duldung antisemitischer und anti-israelischer Haltungen. Insofern ist sie in der Israel-Frage ein Gemischtwarenladen.»

Die AfD versucht immer wieder, sich gegen die Bewertungen des Bundesamtes für Verfassungsschutzes zu wehren, das die Partei zu einem Verdachtsfall hochstufte – auch vor Gerichten. Im Hintergrund geht es dabei natürlich um die Sorge, dass die Partei verboten werden könnte – eine Diskussion, die erheblich Fahrt aufnahm, als bekannt wurde, dass AfD-Funktionäre an einem Treffen teilgenommen hatten, bei dem es um die massenhafte Abschiebung von Menschen mit Migrationshintergrund ging.

Von einem Verbot rät allerdings etwa Albrecht von Lucke, Jurist und Politikwissenschaftler, dringend ab. In der «Süddeutschen Zeitung» argumentierte er, dass das für viele Wähler eine «Normalitätsverschiebung» sein würde hinsichtlich ihrer Erwartung, dass ihre Stimme für diese Partei zähle und damit ihren Wert habe. «Ein Parteienverbot ist somit keineswegs in erster Linie Ausdruck einer starken, wehrhaften Demokratie. Im Gegenteil. Es ist das Eingeständnis von Schwäche, dass man der undemokratischen Konkurrenz nicht auf normalem, politischem Weg Herr wird.»