Ihr Urteil über die deutsche Politik nach dem Hamas-Angriff auf Israel ist scharf: «Blinde Loyalität», stellt Deborah Feldman fest. «Ich höre zur Zeit überhaupt keine Kritik am Staat Israel, ich höre überhaupt nichts. Ich höre nur, wir müssen Israel beiseitestehen, egal was Israel vorhat, egal was Israel tut», sagt sie im Deutschlandfunk. Es ist die harte Kritik einer mutigen Frau. Deborah Feldman hat es geschafft, sich aus der bedrückenden Enge der ultraorthodoxen jüdischen Sekte der Satmarer Chassiden im New Yorker Stadtteil Williamsburg zu befreien. Von dort kam sie nach Berlin, wo sie als erfolgreiche Autorin arbeitet.
Nicht nur die Politik sei in blinder Loyalität gegenüber dem Staat der Juden unterwegs. Wer in der Gesellschaft Kritik übe, müsse dafür unter Umständen büßen. «Ich habe in der Vergangenheit erlebt, dass viele Menschen harte Konsequenzen erlebt haben, wenn sie die israelische Politik kritisiert haben, weil ihnen vorgeworfen wird, dass sie das ganze Land und alle Menschen kritisiert haben.» Und das gelte auch für Juden.
Dass dies nicht ohne Widerspruch bleibt, ist nicht überraschend. «Das ist natürlich wahnhaft, was Frau Feldman da erzählt», weist Volker Beck, der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, diese Kritik zurück. Das diene nur der Steigerung der Auflage ihrer Bücher und bringe dicke Honorare in Talkshows. «Ansonsten ist ihr nichts Schlimmes widerfahren», meint Beck. «Außer vielleicht, dass sie in Sendungen zu bester Sendezeit eingeladen wurde, denen sie geistig nicht gewachsen war.»
Aber so einfach ist es nicht.
Nimmt man die Reden zum Maßstab, die bald nach dem Hamas-Angriff im Deutschen Bundestag gehalten wurden, drängt sich der Eindruck auf, Loyalität zum Staat der Juden sei oberstes Gebot. Quer durch alle Parteien wurde die Solidarität mit Israel beschworen.
In einem Entschließungsantrag, der von den Ampel-Parteien und auch der CDU/CSU eingebracht wurde, wird die Bundesregierung aufgefordert, «Israel vor dem Hintergrund der brutalen Angriffe gegen sein Land und unschuldige Bürgerinnen und Bürger volle Solidarität und jedwede Unterstützung zu gewähren». Die Verantwortung, so geht es weiter, «für die aktuelle Eskalation und ihre Folgen trägt einzig und allein die Hamas, die schon viel zu viel Leid über die Menschen in Israel und besetzten palästinensischen Gebieten gebracht hat».
Bundeskanzler Olaf Scholz setzte in dieser Sitzung des Parlaments fünf Tage nach dem Angriff der Hamas den Ton, als er das Selbstverteidigungsrecht Israels betonte und dann fortfuhr: «In diesem Moment gibt es für Deutschland nur einen Platz, den Platz an der Seite Israels. Das meinen wir, wenn wir sagen, die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson.»
Da war er also, der Begriff, den einst Angela Merkel geprägt und der nun wieder und wieder zitiert wurde. Wirklich getestet worden war er in den vergangenen Jahren nicht. Aber immerhin: Er hatte es auch in den Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition geschafft. Dort heißt es wörtlich: «Die Sicherheit Israels ist für uns Staatsräson. Wir werden uns weiter für eine verhandelte Zweistaatenlösung auf der Grundlage der Grenzen von 1967 einsetzen. Die anhaltende Bedrohung des Staates Israel und den Terror gegen seine Bevölkerung verurteilen wir.»
Kanzler Scholz brachte an diesem 12. Oktober das Solidaritätsversprechen in den historischen Kontext, ohne den kaum eine Rede über das deutsch-israelische Verhältnis auskommt: «Unsere eigene Geschichte, unsere aus dem Holocaust erwachsene Verantwortung macht es uns zur immerwährenden Aufgabe für die Existenz und die Sicherheit Israels einzustehen. Diese Verantwortung leitet uns.» Das ist die Linie, die deutsche Politik mehr oder weniger seit der Gründung der Bundesrepublik vertritt: Solidarität mit dem Staat der Juden vor dem Hintergrund der schwer lastenden Verantwortung für den Versuch, das jüdische Volk auszurotten.
Der türkische Präsident Erdoğan sah das ganz eindeutig so. Bei einem Besuch während eines der Höhepunkte der israelischen Angriffe im Gaza-Streifen sprach er bei einem Kurzbesuch in Berlin, neben Kanzler Scholz stehend, von einer «Schuldpsychologie». Und es war klar, wer gemeint war: die Deutschen mit ihrer Fixierung auf die Vergangenheit. «Wir haben keine Schuld bei Israel», stellte er fest. «Wenn das so wäre, dann könnten wir vielleicht nicht so einfach reden. Wir sind eben auch nicht durch diesen Werdegang des Holocaust gegangen.»
Ist Erdoğan hier nicht der Kronzeuge für Deborah Feldman? Legt sie nicht doch den Finger in eine offene Wunde mit ihrer Kritik? Folgt man in Berlin, ganz anders als viele europäische Nachbarstaaten, allzu blind und kritiklos der israelischen Regierung, egal was Israel vorhat, egal was es tut, wie Feldman meint? Hier kommt scharfe Kritik vom streitbaren Historiker Professor Michael Wolffsohn, der vor allem mit Angela Merkel nachdrücklich ins Gericht geht: «Israel als Staatsräson Deutschlands ist eine völlig undurchdachte, nicht auf Fakten basierende Erfindung von Angela Merkel. Sie meinte damit und sagte es auch: Ein Angriff auf Israel wäre wie ein Angriff auf Deutschland. Das würde bedeuten, dass dann alle NATO-Partner aufgrund eines Angriffs auf Deutschland durch Artikel 5 NATO-Vertrag Israel militärisch helfen müssten.» Und das hält Wolffsohn, Sohn jüdischer Eltern, der lange an der Bundeswehruniversität in München lehrte, für unmöglich: «Die Bundeswehr könnte nicht einmal deutsches Territorium ohne die USA verteidigen. Aber dann Israel? Absurd. Auch Phrasen werden nicht durch Wiederholung Substanz.»
Und doch zeigen die konkreten Handlungen der deutschen Politik gegenüber Israel mit den Waffenlieferungen ein anderes Bild. Und auch ganz grundsätzlich hat Deutschland Abschied genommen von der pazifistischen Grundstimmung, die jahrzehntelang fest zur deutschen DNA gehörte.
Olaf Scholz hatte unmittelbar nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine die «Zeitenwende» ausgerufen. Die weltweit mit Überraschung aufgenommene Rede wurde als Abkehr von der jahrzehntelangen Zurückhaltung sowohl der deutschen Politik wie auch der Bevölkerung bei allem Militärischen gewertet. Nun wurden die so lange aufrechterhaltenen Argumente auf den Kopf gestellt, selbst bei den Grünen, zu deren DNA doch der Anspruch gehörte, die Friedenspartei zu sein. Die frühere grüne Co-Vorsitzende Annalena Baerbock, nunmehr Außenministerin, rechtfertigte die Zeitwende mit ihrem 100-Milliardenpaket für die Ausrüstung der Streitkräfte und die bald einsetzenden Waffenlieferungen an die Ukraine sogar ganz ausdrücklich mit der so belasteten deutschen Vergangenheit. Bei Fragen von Krieg und Frieden, von Recht und Unrecht dürfe Deutschland nicht neutral sein. «Ich sage es hier ganz klar: Ja, aus unserer Geschichte, aus der deutschen Schuld für Krieg und Völkermord erwächst für uns, erwächst für mich in der Tat eine besondere Verantwortung: und zwar die Verpflichtung, jenen zur Seite zu stehen, deren Leben, deren Freiheit und deren Rechte bedroht sind.»
Und dann räumte sie ein urgrünes Tabu ab. Jahrzehntelang war es eine zentrale Forderung der Grünen, die US-Atombomben aus Deutschland abzuziehen und die nukleare Teilhabe im Rahmen der NATO mit deutschen Atombombern zu beenden. Doch auch diese Forderung wurde entsorgt: «Und auch das hat uns der Krieg vor Augen geführt: Die nukleare Abschreckung muss glaubhaft bleiben.» Deshalb habe sich die Bundesregierung für die Anschaffung von F-35-Kampfbombern für die Bundeswehr entschieden, als Trägerwaffen für die in der Eifel stationierten US-Nuklearwaffen. Dramatischer kann der Abschied von der einst heilen Welt der militärischen Zurückhaltung mit der schweren Schuld des Nazi-Erbes als Begründung nicht sein.
Und auch im zeitlichen Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg verkündete Baerbock dann eine ebenfalls lange höchst umstrittene Entscheidung, die die friedensbewegte Klientel im Regierungslager aufbrachte: Deutschland stimmte der Lieferung von Eurofighter-Jets an Saudi-Arabien zu und packte das Luftabwehrsystem Iris-T noch dazu. Das Königreich hatte sich auf den Weg gemacht, mit Israel endgültig Frieden zu schließen, was durch den Gaza-Krieg zwar unterbrochen, aber keineswegs ausgeschlossen wurde. Auch Kanzler Scholz ließ durch seinen Sprecher verkünden, Saudi-Arabien nehme seit dem 7. Oktober eine «sehr konstruktive Haltung ein», habe auch Raketen der Huthis abgeschossen, die auf dem Weg nach Israel gewesen seien, und sich auch nicht von seiner Annäherung an Jerusalem abbringen lassen. «Und im Lichte all dieser Entwicklungen ist die Positionierung der Bundesregierung, was die Eurofighter angeht, zu sehen.»
Endlich, so das überwiegende Urteil im Ausland, lösen sich die Deutschen von ihren Schuldkomplexen und bekennen sich zu ihrer Verantwortung als Führungsmacht in Europa. Der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius machte Schlagzeilen, als er davon sprach, die abgewirtschaftete Bundeswehr müsse «kriegstauglich» werden, bis hin zur Dauer-Stationierung einer ganzen Bundeswehrbrigade in Litauen in unmittelbarer Nähe Russlands. Bis zu Wladimir Putins Überfall auf die Ukraine wäre das unvorstellbar gewesen. Hier, durchaus unterstützt auch von der CDU/CSU-Opposition, nahmen die Deutschen Abschied von ihrer Zurückhaltung, die Friedensdividende war aufgebraucht, der von Nazi-Deutschland angezettelte Zweite Weltkrieg mit seinen Abermillionen Toten durfte nun nicht mehr als Entschuldigung für die pazifistische Grundeinstellung in der Politik und in weiten Teilen der Bevölkerung herhalten. Man sprach zwar nicht von einem Schlussstrich, doch in der politischen Realität lief es darauf hinaus.
Anders beim Verhältnis zum Staat der Juden. Hier ist eine Neuinterpretation der Verpflichtungen, basierend auf der Vergangenheit, nicht in Sicht. Die von Erdogan benannte «Schuldpsychologie» wirkt weiter. Die aus dem Holocaust erwachsene Verantwortung, Olaf Scholz hat es bekräftigt, bleibt eine «immerwährende Aufgabe».
Springer-Chef Mathias Döpfner benennt die bekannten Argumente für die Solidarität mit Israel mit dem Hinweis auf die deutsche Vergangenheit mit der Umsetzung des Holocaust und erwartet von Deutschland eine besondere Zurückhaltung: «Dass das Land, das vor acht Jahrzehnten den Holocaust konzipiert, organisiert und in beispielloser Konsequenz den Genozid umgesetzt hat, eine besondere Sensibilität besitzen muss, wenn es darum geht, Belehrungen zu erteilen, wie Israel sein Existenzrecht verteidigt, das halte ich für sehr naheliegend oder um es etwas zugespitzter zu sagen: Was Ratschläge zur Selbstverteidigung und zur Sicherung des Existenzrechtes des Staates Israels betrifft, sollte Deutschland sich bitte mindestens für die nächsten acht Jahrzehnte zurückhalten.»
Belehrungen aus Deutschland mindestens in den nächsten 80 Jahren bitte nicht – das kommt dann doch sehr nahe an die von Deborah Feldman beklagte blinde Loyalität heran. Die Frage nach der Zulässigkeit deutscher Kritik ist ein Dauerbrenner, sie zieht sich wie ein roter Faden durch das deutsch-israelische Verhältnis, und das verschärft sich gerade angesichts des Hamas-Überfalls und des daraus entstandenen Gaza-Kriegs.
Der frühere Präsident des Europaparlaments, Hans-Gert Pöttering (CDU), spricht zwar ebenfalls von der Verpflichtung, solidarisch an der Seite Israels zu stehen, und dem Recht auf Selbstverteidigung, aber auch er betont, was sich weitgehend als Gemeinsamkeit im politischen Mainstream herausstellt: «Es wäre ein großer Fehler, alle Palästinenser mit der Hamas gleichzusetzen. Die Palästinenser haben ebenso wie Israel das Recht, in einem sicheren Staat zu leben. Ihnen darf das Selbstbestimmungsrecht nicht vorenthalten werden.» Deshalb sollten die USA, die Arabische Liga und die Europäische Union nach Ende des Gaza-Krieges eine Friedensinitiative mit dem Ziel einer Zweistaatenlösung unternehmen, ergänzt durch eine internationale Friedenstruppe.
Die Zweistaatenlösung – seit so vielen Jahren die Forderung, auf die sich die internationale Gemeinschaft verständigen kann, auch in Deutschland gehört sie zur Grundausstattung der Nahost-Politik. Doch ist sie Vision oder Illusion? Es ist die Belastungsprobe schlechthin für die israelische Gesellschaft, die längst an einem Punkt ist, wo schwerste Erschütterungen bis hin zu bürgerkriegsartigen Auseinandersetzungen mit gewaltbereiten Siedlern zu befürchten stehen, sollte sie Realität werden. Für sie ist die Westbank das biblische Judäa und Samaria, und deshalb unter keinen Umständen verhandelbar. Dennoch will die deutsche Politik konsequent an der Zweistaatenlösung festhalten.
Der frühere Kulturstaatsminister im Kanzleramt, Julian Nida-Rümelin (SPD), sieht zwar auch die Sicherheit Israels als deutsche Staatsräson, aber das sollte eine kritische Sicht nicht ausschließen. «In Israel und aktuell leider auch in der israelischen Regierung gibt es chauvinistische und rassistische Kräfte, die die israelische Demokratie bedrohen und um fast jeden Preis eine Zweistaatenlösung verhindern wollen. Die Siedlerpolitik im Westjordanland ist Teil dieser Politik.»
Diesen Konflikt in der Gesellschaft und nicht zuletzt auf den deutschen Straßen auszuhalten, das haben die Monate während des Gaza-Krieges gezeigt, wird weiterhin belastend bleiben. Was ist also mit Deborah Feldmans Vorwurf von der blinden Loyalität gegenüber Israel? Das beantwortet der Historiker Professor Michael Wolffsohn: «Wer die diesbezüglich schier endlosen und hochemotionalen Debatten in Deutschland auch nur oberflächlich wahrnimmt oder gar kennt, kann diese These doch nicht ernsthaft aufstellen. An Kritik, auch an fundamentaler, ja existentieller Kritik an Israel fehlt es nun wirklich nicht in Deutschland.»
Die spektakulären Auseinandersetzungen bei Demonstrationen sind offensichtlich, aber was denkt die Gesellschaft eigentlich insgesamt? Eine schwierige Frage. Hier ist man auf Umfragen angewiesen, und die auf einen tragfähigen Nenner zu bringen bleibt schwierig. Denn ihr Ergebnis hängt sowohl von der Fragestellung wie auch von der äußeren Entwicklung ab, wie sich zeigen sollte. Natürlich war es keine Überraschung, dass die Befragten direkt nach dem so blutigen, rücksichtslosen Überfall der Hamas mehr Verständnis für Israels Reaktion zeigten. Eine Forsa-Umfrage für die «WELT» ergab, dass damals 44 Prozent der Meinung waren, Deutschland habe eine «besondere Verpflichtung gegenüber Israel». Im Dezember waren es nur noch 37 Prozent. Israel ist mir fremd, das meinten schon 59 Prozent. 57 Prozent waren der Ansicht, Israel verfolge seine Interessen ohne Rücksicht auf andere Völker, 6 Prozent mehr als zwei Monate davor. Und nur 35 Prozent, also nur jeder Dritte, war der Meinung, Israel achte die Menschenrechte.
Eine deutliche Distanz vor allem zur von der Politik doch so hochgehaltenen Forderung, es gebe nur den einen Platz, und der sei an der Seite Israels, ergab sich auch bei einer Umfrage des Allenbach-Instituts für die «FAZ» schon im November 2023. Nur 31 Prozent stimmten dieser Aussage von Kanzler Scholz zu. 43 Prozent waren der Meinung, Deutschland solle sich weitgehend aus dem Konflikt heraushalten.
Auffallend waren die regionalen Unterschiede. In Ostdeutschland sahen nur 18 Prozent ihren Platz an Israels Seite, während 58 Prozent dort eine neutrale Position wünschten. Der lange Schatten der Vergangenheit könnte als Erklärung eine Rolle spielen. Die DDR hatte eine staatlich verordnete Distanz zu Israel gehalten und den Staat der Juden nicht einmal anerkannt.
Dass der Zentralrat der Juden diese Entwicklung besonders aufmerksam verfolgt, ist keine Überraschung. Zum einen, so glaubt Zentralratspräsident Josef Schuster, liege es daran, dass für die deutsche «schweigende Mehrheit» der Konflikt im Gegensatz zum russischen Krieg gegen die Ukraine weit weg sei und «sehr viele persönlich überhaupt nicht tangiert». Dieser Ukraine-Krieg sei eben viel dichter an Deutschland im Bewusstsein der Menschen hier: «Da ist halt nur Polen dazwischen, und die Grenze ist sehr, sehr nah. Da gibt es eine größere persönliche Betroffenheit.»
Aber die Distanz zu Israel gehe sehr viel weiter zurück, wie sich schon in den letzten Jahren gezeigt habe. Das sei bei der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen 1965 noch ganz anders gewesen. «Da gab es eine große Euphorie auf deutscher Seite, große Skepsis auf israelischer Seite, und das Bild hat sich nicht erst seit dem 7. Oktober schon in den letzten Jahren um 180 Grad gewendet. Es gibt auf deutscher Seite eine Skepsis und auf israelischer Seite heute die Euphorie.» Auf der Suche nach Erklärungen sieht Schuster durchaus Gründe in Israel selbst. «Eine Rolle spielt auch die israelische Politik in den letzten Jahren, die Siedlungspolitik, die von vielen doch auch kritisch gesehen wird. Auch ich sehe die Siedlungspolitik kritisch.»
Eifernde Beobachter sowohl hier wie in Israel wachen seit Jahren streng darüber, wie die Deutschen über den jüdischen Staat urteilen. Der Zentralrat der Juden wurde nie müde zu betonen, und das tut auch dessen Präsident Schuster, dass Kritik an Entscheidungen der israelischen Regierung «völlig legitim» sei. Für ihn ist entscheidend: «In dem Moment, in dem bei Israel Doppelstandards angelegt werden, wenn Israel dämonisiert wird oder das Existenzrecht Israels infrage gestellt wird, dann ist die Grenze der in meinen Augen mitunter berechtigten Kritik überschritten.»
Das «offizielle» Deutschland, das zeigte sich, hat das Versprechen, die Sicherheit Israels sei Teil der deutschen Staatsräson, eingehalten, trotz kritischer Begleitung auf dem schwierigen Weg bei der Reaktion Israels auf den Hamas-Angriff. Aber nimmt man diese Umfragen zum Maßstab, dann hat sie das über die Köpfe eines großen Teils der Bevölkerung hinweg getan.