D jango stand am Klubhaus neben dem Trailer, breitbeinig und die Daumen hinter den Gürtel geklemmt. Er paffte eine Zigarette, die ihm im Mundwinkel klemmte. Gegen den Rauch und die Sonne kniff er das linke Auge zu. Es wehte eine steife Brise, das musste man sagen. Und genau dieser Umstand und der aufziehende Orkan spielten eine gewisse Rolle in Djangos großem Plan.
Und der war wirklich verdammt gut. Manche hielten Django für einen Torfkopp, aber das war er absolut nicht. Außerdem: Würde ein Blödmann zum Chef der Bad Coyotes? Natürlich nicht.
Sein Plan hatte zwei Varianten, jeweils einen gleichen Beginn und Verlauf, aber zwei unterschiedliche Enden. Es sah folgendermaßen aus: Gleich würde Vural zum verabredeten Zeitpunkt hier an Ort und Stelle anrücken und seine Tochter fordern und Django den Code. Lady Macmeth würde per Handy eine Liveschalte starten, damit Vural sah, dass mit seinem Mädchen alles okay war. Und dann würde Django sagen: »Ja, Alter, das ist jetzt echt blöd wegen dem verdammten Sturm, denn deine Tochter ist auf der Insel, und wir müssen erst abwarten, bis wir sie ans Festland bekommen. Höhere Gewalt, da kann man nichts dran machen.«
Natürlich würde Vural daraufhin erwidern: »Keine Tochter, kein Code, verschieben wir es.« Und Django würde sagen: »Nee, wenn du uns jetzt nicht sofort den Code gibst, schneidet die Lady dem Mädchen noch einen Finger ab, und du darfst dabei zusehen. Andernfalls aber erhält deine Tochter freies Geleit, bekommt ein Telefon und kann rund um die Uhr mit dir konferieren und sich in ihrer Wohnung einschließen, bis du sie morgen abholst.« Worauf Vural erklären würde: »Ich vertraue dir kein Stück, Django.« Und Djangos Antwort wäre: »Tja, deine Entscheidung.«
Er hatte keinen Zweifel, dass Vural dann den Code herausrücken würde – zudem, wenn Lady Macmeth noch ein Fingerchen in die Gartenschere klemmte.
Wenn der Code dann auf dem Tisch lag, würden Django und Vural das entsprechende Versteck aufsuchen und überprüfen, ob der Code funktionierte und auch alles vor Ort war, das Django haben wollte. Und natürlich wären Django und Vural niemals allein. Django hielt seine besten Leute im Hintergrund. Zwei hockten gerade auf dem Dachboden des Klubhauses mit einem Scharfschützengewehr. Ein weiterer Bewaffneter stand dahinter, zwei andere harrten mit Schrotflinten im Trailer der Dinge. Außerhalb des Areals waren zwei Teams mit Motorrädern postiert, die Django und Vural wohin auch immer folgen würden.
Und dann folgte entweder Variante A: Django hatte in Vurals Versteck alles gefunden, was er suchte, und Vural würde ausgeknockt und gefesselt werden. Django und seine Leute räumten das Versteck, kassierten Vurals sämtliche Beute ein – quasi als Bonus zu dem Geld, das Rikens auf den Tisch blättern würde, um seine Laptops zurückzubekommen. Und außerdem, na ja, außerdem würde dann noch die ergänzende Kohle fällig, die sich sozusagen im Prozess als Update für die vielen neu aufgetretenen Probleme ergeben hatte, sodass Django eine echt fette Beute einfuhr. Das Mädchen würde freigelassen. Anschließend würde es einen Tipp an die Polizei geben – und Vural würde festgenommen und eingebuchtet.
Alles, was er gegen Django und wegen der Entführung aussagen würde, würde abgeschmettert werden, denn Rikens würde für ein paar Topanwälte sorgen. Außerdem war sowieso nichts beweisbar, und wenn die Polizei das Mädchen befragen würde, dann würde sie sagen, dass sie nicht eine einzige Person gesehen hatte und ihren ursprünglichen Entführer nur vage beschreiben könnte. Holger, der »Wikinger«, hatte längst sein Aussehen verändert, den Bart abrasiert und auch die Haare geschnitten, weswegen er zwar herumgeheult hatte, und dass das nicht abgesprochen gewesen sei – aber es ist eben so.
Variante B wiederum besagte: Alles würde laufen wie in Plan A – mit dem Unterschied, dass Django Vural umlegen würde. Darüber würden sich zwar alle aufregen, aber Django würde lügen und erläutern: »Ja, was soll ich machen, der wollte halt rumballern, und dann ist das so passiert – Risiko, ne?« Und an die Polizei würde es einen Wink dahin gehend geben, dass wohl die Rotterdamer Crew auf Vurals plötzliches Erscheinen aufmerksam geworden war und die entsprechenden Schlüsse daraus gezogen haben musste.
Es war also alles bestens durchgeplant. Und Django würde sich am Ende überlegen, was er mit Vural anstellte. Er hatte einmal in einem Artikel über Unternehmensführung gelesen, dass man sich eine gewisse Flexibilität erhalten musste, um spontan auf Entwicklungen reagieren zu können. Und gewissermaßen war Django ja der Chef eines Unternehmens, von daher war das sicher nicht so verkehrt.
Selbstzufrieden paffte er weiter vor sich hin und blickte auf die Uhr. Der verdammte Mistkerl Vural hätte längst da sein müssen. Jetzt kam er auch noch zu spät wie eine Diva. Django überlegte, ob er ihn anrufen sollte oder Lady Macmeth eine Nachricht schicken. Aber er entschied sich, Vural noch einen Moment zu geben.
Er sah zur Straße, wo er ein sich näherndes Auto erkannte. Na endlich. Er streckte sich und runzelte die Stirn, als er ein zweites Auto sah. Das war … irgendwie nicht so cool und gehörte absolut nicht zum Plan.
Tja, und dann, dann brach die Hölle los.