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Meta räuspert sich, aber der Pfleger reagiert nicht. Er sitzt auf einem durchgesessenen Polstermöbel und liest Zeitung, auf dem Couchtisch eine Schnapsflasche. Sie räuspert sich noch einmal. „Hallo“, sagt sie.

Moses erschrickt, faltet die Zeitung zusammen und legt sie auf den Tisch.

„Hallo“, sagt Meta, „ich soll mich hier melden.“ „Guten Abend“, sagt Moses und steht auf.

„Die Ehrenamtliche“, sagt Meta und lächelt, „ich bin die Neue.“ Sie hält ihm ihre Mitarbeiterkarte hin.

Moses mustert die Karte, dann Meta, die bunten Fingernägel, die Leinenhosen, die Tasche. Er steht auf und hält ihr die Hand hin. „Ich bin Moses. Der Pfleger. Bitte, setz dich.“

Meta schüttelt seine Hand und schiebt dann einen der Sessel ein Stück zur Seite. Wo der Lack abgeblättert ist, kann sie die Maserung des Holzes spüren. Sie lässt ihre Hand kurz liegen, um die Finger zu beruhigen. Unter ihren Achseln haben sich Schweißflecken gebildet und sie hält die Arme nah am Körper, um sie zu verbergen.

„Meta“, sagt sie, „freut mich.“

„Meta? Spannender Name.“

Meta setzt sich. „Kurzform von Margareta.“

„Na dann.“ Moses nimmt die Schnapsflasche, bemerkt Metas Blick und sagt: „Der Arzt, nach Dienstschluss trinkt er gerne ein Glas.“ Er steht auf, stellt die Flasche in einen Schrank an der Wand und setzt sich wieder in seinen Sessel. „Wir sind froh, dass du da bist.“

„Danke.“

„Möchtest du was trinken? Wir haben nicht nur Schnaps, keine Sorge.“ Meta schüttelt den Kopf.

„Und du kommst für Herrn T.?“

„Als Sitzwache“, sagt Meta, „wie der Bewohner heißt, weiß ich gar nicht.“

Moses lehnt sich zurück. „Hast du sowas schonmal gemacht?“ „Nein.“

Er kratzt sich am Kopf. „Darf ich dich was fragen?“

„Sicher.“

„Was machst du sonst? Also wenn du nicht hier die Nacht verbringst.“

„Ich arbeite in einer Bank“, sagt sie, „aber im Homeoffice.“

„Vielleicht sitze ich auch irgendwann mal zu Hause und steuere einen Pflegeroboter per Laptop.“

„Roboter?“

„Könnte ja sein. Aber, sag, musst du nicht morgen früh wieder in dein Homeoffice?“

„Ich habe Urlaub“, sagt Meta, „damit ich gleich ein paar Nächte machen kann. Ich dachte, das wäre für den Anfang nicht schlecht.“

„Stimmt schon.“

„Und wie lange bist du schon hier?“

„Lange genug. Bin hier der old guy, sozusagen. Kann aber nicht sagen, dass ich viele Ehrenamtliche gesehen hätte in den Jahren.“

„Nicht?“

„Na ja, die meisten gehen in ein Hospiz oder so, nicht unbedingt in ein Pflegeheim. Und gerade jetzt, zu uns? Das wundert mich, muss ich sagen.“

„Warum sollte man gerade jetzt nicht zu euch gehen?“

„Weil sie uns schließen werden“, sagt er, „und ich halte noch die Stellung.“

„Soll das heißen, du bist alleine im Dienst? Ist niemand sonst hier?“

„Nein.“ Moses schüttelt den Kopf. „In der Nacht sind wir immer alleine.“

„Für alle Stationen?“

„Sind ja nur noch zwei. Willst du es dir noch einmal überlegen?“

„Sollte ich?“

„Wie man es nimmt.“ Er grinst. „Aber im Ernst, das Team ist wirklich froh, dass du da bist. Am besten, ich zeige dir mal alles.“