In jeder Sommernacht kommt der Punkt, an dem sich der Schweiß auf Moses’ Stirn anfühlt wie eine Schicht aus Dreck. Das blaue Shirt klebt an seinem Rücken und scheuert an seinen Brustwarzen. Manchmal, wenn es besonders heiß ist, klebt er sie mit Pflastern ab wie die Marathonläufer. Er will duschen, aber die Personalduschen hat man abgerissen und in den Zimmern auf den leeren Stationen ist das Wasser abgedreht.
Moses würde sich gerne hinsetzen, vielleicht etwas trinken, aber die Bewohner im zweiten Stock drücken ständig den Schwesternruf und auch das Abendessen ist nicht abserviert. Und dann ist da Frau L., die ihn schon dreimal gebraucht hat, die fiebert und immer verwirrter wird. Bald wird sie aufstehen und stürzen, aber er kann nicht ständig neben ihr stehen.
Moses wählt Pomps Nummer. Der hat nicht Dienst, aber man darf ihn anrufen. Oft sitzt er abends noch in seiner Ordination im Erdgeschoß, manchmal schläft er auch dort, und an der Pinnwand im Stützpunkt hängt seine Privatnummer in leicht verblasster Tinte. Moses weiß sie auswendig.
Normalerweise geht Pomp auch ans Telefon, nur heute meldet er sich nicht. Zum zweiten Mal der Anrufbeantworter.
Moses legt auf. Er wird nicht den Notdienst anrufen, weil der entweder Beruhigungsmittel verschreibt, nach denen Frau L. zwar nicht ruhiger wird, aber noch unsicherer beim Gehen, oder sie ins Krankenhaus einweist, aber sie will nicht ins Krankenhaus. Am ehesten wäre ihr geholfen, würde sich jemand zu ihr setzen und warten, bis sie eingeschlafen ist, aber es gibt niemanden, Frau L. schreit nicht so laut wie Herr T. und für Bewohnerinnen, die nicht schreien, gibt es auch keine Sitzwache.
Moses wischt sich wieder über die Stirn. Er widersteht der Versuchung, sich das Gesicht im Shirt abzuwischen, weil es sich ohnehin nur so anfühlen würde, als verschmiere er den Schweiß und den allgegenwärtigen Staub, der nicht mehr weggeht, seit die Bauarbeiter ihre Arbeit begonnen haben.