Meta legt den Hörer wieder auf und sieht sich noch einmal um. Kein Stethoskop zu sehen, auch kein Moses. Sie steht kurz unschlüssig herum, dann geht sie zurück zu Herrn T.
Er hat sich auf den Rücken gedreht und kratzt sich, die Augen geschlossen, mit der rechten Hand an der Brust.
Meta schließt die Türe hinter sich, langsam, um T. nicht zu stören. Sie sieht auf die Uhr an der Wand und gähnt. Schon nach zehn Uhr.
T. bewegt sich im Schlaf und wimmert leise. „Schsch“, sagt Meta. T. bewegt die Lippen, als würde er flüstern, aber es kommt ihm kein Laut über die Lippen. „Ich lasse uns frische Luft rein“, flüstert Meta, „das wird Ihnen guttun.“
Die Luft, die durch das gekippte Fenster kommt, ist kaum kühler als die im Zimmer. Noch neun Stunden. Vielleicht wird sie, wenn Herr T. wieder schläft, lesen, vielleicht ein wenig auf dem Handy spielen.
Als sie die Augen öffnet und sich umdreht, öffnet auch T. die Augen und beginnt völlig unvermittelt zu schreien.
Es sind Laute, keine Worte, und es ist ein durchdringendes Schreien, eine Verzweiflung, ein tierisches Leid, das Meta so noch nicht gehört hat.
Sie stürzt ans Bett und nimmt seine Hand. „Ich bin da“, sagt sie, „ich bin da. Haben Sie Schmerzen? Oder Durst?“ T. zieht die Hand weg und schlägt nach Meta, trifft aber nicht.
„Wasser? Oder Tee?“ Meta greift nach dem Sprühfläschchen. T. schreit weiter. Meta sprüht ihm Wasser in den Mund. T. hustet.
„Entschuldigung“, sagt Meta, „Entschuldigung bitte.“ Sie drückt auf den Knopf mit der Schwester, drückt zweimal, dreimal.
„Soll ich singen?“
T. antwortet nicht, schreit nur weiter. Meta beginnt zu singen, leise, ein Kinderlied. „Der Mond ist aufgegangen“, singt sie, „die gold’nen Sternlein prangen / am Himmel hell und klar.“ T.s Schreien wird leiser, er holt Luft, stockt, wird ein wenig ruhiger.
„Der Wald steht schwarz und schweiget / und aus den Wiesen steiget / der weiße Nebel wunderbar.“ Metas Stimme ist brüchig, auch sie wird immer leiser. Sie nimmt T.s Hand und drückt sie, und als sie bei „verschlafen und vergessen sollt“ angekommen ist, ist T. still geworden und schläft.