„Es tut mir leid“, flüstert Meta, „dass Sie hier so liegen müssen.“ Sie dreht das Sprühfläschchen zwischen den Fingern. „Und dass Sie offenbar niemand außer mir haben.“
Herr T. ist wieder eingeschlafen. Meta holt vorsichtig ihr Magazin aus der Tasche. Sie hat es zu Hause gefunden, ein Fitnessmagazin, das sie irgendwann gekauft und nie gelesen hat. Auf dem Cover eine junge Frau beim Yoga. Sie lächelt, die Zähne sind weiß. Darunter der Titel „Mit Achtsamkeit im Lockdown: Entspannungstipps für Homeoffice & Co.“.
„Was essen Sie eigentlich?“, flüstert sie und sucht das Zimmer nach einem Hinweis ab, einer Keksschachtel oder Obst, Reste vom Mittagessen, irgendetwas. Da ist aber nichts, nur die Sprühfläschchen und Pflegeutensilien. Nichts, im ganzen Zimmer, kein Essen, keine privaten Dinge. Alles in diesem Zimmer gehört dem Heim.
Herr T. hustet. Ein Speichelfaden hängt an seinem Mundwinkel. Meta steht auf und sucht nach einem Taschentuch.
„Darf ich?“, sagt sie, mehr zu sich selbst. Sie öffnet behutsam die Lade des Nachtkästchens. Darin liegt ein altes Brillenetui, das mit speckigem braunem Samt überzogen ist, und ein Kugelschreiber mit dem Aufdruck einer politischen Partei, die Meta nicht mag.
Sie schließt die Lade.
Sie geht zu dem Kleiderkasten mit der Aufschrift „Privat“ und öffnet beide Flügel. Der rechte schleift auf dem Boden, im Linoleum ist schon ein Viertelkreis sichtbar, wo er seine Spur gezogen hat.
Der Kasten ist fast leer. An einem Drahtkleiderhaken hängen ein brauner Anzug, der muffig riecht, ein weißes Hemd und eine schwarze Krawatte, sonst nichts.
Sie will die Türe wieder schließen, da fällt ihr die Flasche auf. Ganz unten, an der Rückwand des Kastens steht eine Flasche Cognac. Sie nimmt sie heraus.
Es ist eine billige Sorte mit schlecht gemachtem Etikett, das Hügel und eine Burg zeigt. Die Flasche ist zur Hälfte leer.
Meta stellt sie auf den Nachttisch und sucht im Badezimmer weiter, findet dort Zellstoff, nimmt einige Blätter und wischt Herrn T. sachte den Speichel aus dem Mundwinkel.
„Cognac also“, sagt sie und setzt sich hin. Herr T. murmelt etwas, das Meta nicht versteht, und macht schmatzende Bewegungen mit den Lippen, fast einen Kussmund. Meta lächelt. „Na dann. Ich muss aber den Pfleger fragen.“