Seit mindestens fünfzehn Minuten wartet Pomp schon auf Moses. Frau L. ist nach wenigen Minuten eingeschlafen. Schon eine Zeitlang beobachtet Pomp sie, ihre eingefallenen Wangen, die falschen Zähne, die bestimmt einmal zu ihr gepasst haben, aber jetzt zu groß für ihr Gesicht wirken. Pomp sieht sie an, sieht sie intensiv an, und er sucht nach dem Gefühl, das er vor zwei Tagen bei Frau E. hatte.
Aber so genau er ihre Gesichtszüge studiert, er kann das Gefühl nicht mehr finden. Nicht, dass sie ihm nicht leidtäte, wie sie daliegt, vor allem, weil Pomp weiß, dass sie wieder aufwachen und wieder Angst haben wird. Aber es ist nicht die Traurigkeit, die er bei Frau E. hatte, sondern ein Bedauern. Frau L. war seit ihrem Einzug vor vier Monaten nie anders als jetzt, nie als Person spürbar, wie E. und die anderen, damals.
Angenehm. Das Bedauern hier fühlt sich angenehm an, weil es eine Art Überlegenheit ist, ein Gefühl, mit dem er den Raum verlassen und das ihn begleiten wird, wenn er das Antibiotikum und Fiebersenker auf ihre Medikamentenliste setzt, vielleicht auch ein Schlafmittel.
Frau L. murmelt im Schlaf, macht einen tiefen Atemzug.
Moses kommt kurz darauf, eine dünne Matratze in Händen. „Sorry“, sagt er, „musste noch rauf, da schreit auch jemand.“
„Gib her“, sagt Pomp und hilft ihm, die Matratze neben Frau L.s Bett zu positionieren.
„Ob die viel hilft? Na ja. Eigentlich traurig“, sagt er, „dass die Leute immer erst hierherkommen, wenn man kaum mehr mit ihnen sprechen kann, oder?“
Moses rückt die Matratze zurecht. „Man kann auch mit den Dementen kommunizieren, you know?“
„Du weißt schon, wie ich das meine. Erinnerst du dich an die Sommerfeste damals? Stell dir das heutzutage mal vor. Könnte ja kaum einer von den Bewohnern mehr dabei sein.“
„Stimmt schon. Aber bald gehört der Hof eh den IT‑Typen gegenüber.“
„Oh ja.“
Moses schüttelt den Kopf. „Schade“, sagt er, „jammerschade.“