Meta geht den Gang hinunter, zur Familienecke, zur Türe in den Innenhof. Sie rüttelt an der Terrassentüre, schlägt mit der flachen Hand gegen die Glasscheibe.
„Na, na“, sagt Frau Else. Sie stellt ihren Gehwagen umständlich neben der Couch ab und setzt sich. „Sie werden kein Glück haben, die Türe ist versperrt.“ Sie kramt in ihrer Tasche, holt ihre Plastikbox heraus. Mit der anderen Hand klopft sie auf den freien Platz neben sich. „Setzen Sie sich“, sagt sie, „leisten Sie mir ein wenig Gesellschaft.“
„Ich muss an die frische Luft.“
Frau Else kaut eine Erdbeere. „Kalt sind sie am besten. Möchten Sie jetzt eine?“ Sie hält Meta die Dose hin.
Meta schüttelt den Kopf.
Else schüttelt die Dose ein wenig.
„Nein danke, ich will wirklich nicht“, sagt Meta. „Soll ich Ihnen wieder von den Scherben erzählen? Von Ihrem Hof?“
„Davor sind Sie mir aber noch eine Antwort schuldig.“ Frau Else hält die Dose wieder in zwei Händen. Das Gesicht hat sie dem Innenhof zugewandt.
„Sie wollten gerade davonlaufen. Warum?“
„Woher wissen Sie –“
„Kind, Sie sind so gestresst, dass es den ganzen Raum ausfüllt. Also, warum?“
„Ich kann nicht zu ihm zurück.“
„Zu T.? Warum?“ Else steckt sich eine Erdbeere in den Mund.
Und dann erzählt Meta die Geschichte von dem Cognacfläschchen, Pomp, dem Handhalten mit Herrn T. und dem Gespräch mit Moses.
Frau Else schüttelt den Kopf. „Dumm, dumm.“
„Was finden Sie dumm?“
„Dass der Pfleger so lange geschwiegen hat. Aber warum können Sie denn nicht zurück?“
„Ich kann doch nicht bei so einem Menschen im Zimmer sitzen und ihn auch noch versorgen. Ihm die Hand halten. Musik vorspielen.“
„Warum nicht?“
„Was soll das heißen?“
„Was hindert Sie?“
„Ich kann doch nicht mit so jemandem Mitleid haben“, sagt sie, „und ich kann auch nicht in seinem Zimmer sitzen und kein Mitleid haben.“
„Warum können Sie das nicht?“
„Was?“
„Kein Mitleid haben.“
Meta denkt nach. „Ich glaube, weil es mich dann noch wütender machen würde, wie erbärmlich er daliegt.“
„Haben Sie schon darüber nachgedacht, dass ‚erbärmlich‘ eigentlich ein schönes Wort ist?“
„Ich weiß nicht, was Sie damit sagen wollen.“ Meta steht auf und geht auf und ab.
„Kommt von Erbarmen.“
„Finden Sie das schön? Ich finde es irgendwie ... überheblich. So von oben herab.“ „Hm.“ Else steckt eine Erdbeere in den Mund und kaut. Die beiden Frauen sagen nichts, Else isst weiter ihr Obst. Das geht eine Zeitlang so, dann seufzt sie.
„Ich war immer schon gerne hier“, sagt sie. „Damals am Tag, am liebsten zu Mittag, wenn die Sonne hoch am Himmel stand und den Hof erleuchtete. Aber das ist jetzt egal. Es geht nur noch darum, hier zu sein und sich zu erinnern, und ob es dann draußen dunkel ist, ist auch schon egal.“
Sie steht auf. „Aber Sie wollten doch an die frische Luft?“
„Ja“, sagt Meta, „und nein. Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich hier will.“