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Der alte Pflegebereich ist dunkel, aber das macht Meta nichts mehr aus. Durch die offenen Zimmertüren fällt ausreichend Mondlicht auf den Gang, dass sie nicht stolpert. Fast hätte sie Pomp nicht bemerkt, der von hinten gelaufen kommt, das Handy als Taschenlampe in der Hand. Er bleibt neben ihr stehen, sie sieht ihn kurz an und geht weiter.

„Warte.“ Pomp ringt nach Atem. „Bitte.“

Meta bleibt stehen. „Was?“ Sie flüstert, aber in einem Ton, den Pomp versteht.

„Wegen Moses, vorhin, und Herrn T.“

„Ja?“

„Ich wollte mit dir drüber reden. Sollen wir nicht zurückgehen, uns hinsetzen?“

„Ich stehe lieber.“

„Was machst du überhaupt hier? Willst du gehen?“ Meta sieht sich um, als wisse sie nicht, wo sie sich befindet. „Ehrlich gesagt … keine Ahnung. Ich glaube schon. Oder nicht. Keine Ahnung.“

„Was Moses gesagt hat, war nicht klug.“

„Was genau war ‚nicht klug‘?“

„Diese Geschichten über T., das sind alles nur Gerüchte“, sagt Pomp. „Also nein, sorry, es sind nicht bloß Gerüchte, aber wir wissen halt auch nichts Sicheres. Willst du nicht drüben in der Familienecke reden.“

Meta schüttelt den Kopf.

Pomp kommt einen Schritt auf sie zu, die Hände ein Stück ausgebreitet, die Handflächen nach oben.

„Meta“, sagt er, „es sind nur Geschichten.“

„Nur Geschichten!“

„Manchmal ist es besser, wenn man die Geschichten nicht kennt, egal wie wahr sie sind oder nicht.“ Pomp setzt sich auf den staubigen Tisch. „Es kann schön sein, wenn die Lebensgeschichten es auch sind. Aber dann tut es mehr weh, wenn sie sterben. Wie bei Frau E., verstehst du?“

„Was hat das jetzt mit ihr zu tun?“

„Wenn man die Geschichten kennt, ist es immer schwerer, professionell zu bleiben.“

„Ich habe keine Ahnung, was das heißen soll.“

„Ich weiß nicht, wie ich es besser erklären könnte.“

„Ich verstehe hier langsam gar nichts mehr. Ehrlich gesagt, glaube ich, dass ich für heute genug habe.“ Meta hält die Handtasche am Schulterriemen fest.

„Verstehe ich.“

„Ja?“

„Ja. Vielleicht ist es besser, du nimmst dir den Rest der Nacht frei.“

„Ich weiß gar nichts mehr. Habe aber keine Lust mehr, nachzudenken.“

„Nimm dir frei.“

„Ich habe das Gefühl, dass ich Moses im Stich lasse, wenn ich jetzt gehe. Und dass ich es einfach nicht geschafft habe.“

Pomp steht auf und klopft sich den Staub von seinen Shorts. „Moses macht das schon, mach dir um den keine Sorgen. Und für dich wird es noch viele Nächte geben. Ruh dich aus.“

„Danke.“

„Soll ich dich runter in die Stadt bringen? Kommt gleich ein Gewitter.“

„Nein danke, ich gehe lieber zu Fuß.“

„Sicher?“

„Sicher. Gute Nacht.“ Meta winkt, dreht sich um und geht Richtung Ausgang, ohne sich noch einmal umzusehen.