Fünf Minuten. Seit fünf Minuten hat niemand seine Aufmerksamkeit benötigt. Moses steht in der Küche und zerschlägt Eiswürfel, die er in ein Geschirrtuch gewickelt hat, mit einem Hammer. Auf einem der Küchenkästen steht der Eiscrusher. Er ist seit Jahren kaputt.
Er füllt Früchtetee in zwei große Gläser, gibt die Eisbröckchen dazu, dann steckt er je einen Plastikstrohhalm hinein und geht zum Familienbereich.
„Hey“, sagt er, als er näher kommt. „Hey“, sagt Meta. Er hält ihr ein Glas hin. „Eistee“, sagt er, „ohne Koffein.“
„Oh.“
Meta nimmt das Glas, zieht an ihrem Strohhalm.
„Danke“, sagt sie, „das tut jetzt echt gut.“
„Wie geht es dir?“
„Es geht.“ Sie wirft einen Blick zur Seite.
Moses sieht Herrn T. an. „Vielleicht“, sagt er, „schieben wir ihn morgen wieder raus? Scheint ja besser zu sein hier.“
„Ich mag deinen Pragmatismus.“
„Ohne dich wäre es noch viel beschissener hier.“
„Machst du immer um Mitternacht Pause?“
„Ja, aber normalerweise alleine. Und mit Kaffee.“
„Jede Nacht?“
„Immer, wenn ich es schaffe. Also, wenn mich die Bewohner in Ruhe lassen.“
„Und heute Tee, wegen mir?“
Moses blickt zur Terrassentüre. „Wirklich schade, dass wir nicht mehr rauskönnen.“
„Ja, schade.“
„Wir hatten früher Terrassenmöbel da draußen, sogar einen Griller.“
Moses hebt sein Glas. „Prost“, sagt er, „auf einen ruhigen Nachtdienst.“
„Bringt es nicht Unglück?“
„Was meinst du?“
„Einen ruhigen Dienst zu wünschen.“
„Das Unglück ist schon groß genug, da macht das auch nichts mehr aus.“
„Woher kommt es eigentlich, das Unglück? Also, dass alle kündigen und so?“
„Es passt einfach nichts mehr.“
„Das Geld?“
„Auch das. Es wird halt einfach alles dichter, schlechter. Und ich kann nicht zweiundfünfzig Bewohnern gerecht werden, wenn ich alleine bin, jedenfalls nicht so, wie ich das will. Und vom Dienstplan, der sich alle zwei Tage ändert, fang ich erst gar nicht an.“
Meta nimmt einen Schluck. „Und es ist schon auch belastend. Also, die Arbeit an sich. Wie machst du es eigentlich mit Leuten wie T.?“
„Was?“
„Mitleid mit ihm haben?“
„Ich habe mich eigentlich noch nie gefragt, ob ich Mitleid mit ihm habe.“ „Gar nicht?“
„Er tut mir schon leid“, sagt Moses, „weil er krank ist. Aber schlechte Menschen werden halt auch krank. Ich mache einfach, was er braucht, jetzt gerade, in diesem Dienst oder an diesem Tag. That’s it.“
„Ich könnte das nicht. Nicht so wie du.“
Sie schweigen eine Zeitlang, dann sagt Moses: „Sollen wir uns kurz die Füße vertreten? Bisschen den Gang rauf und runtergehen?“
„Gerne.“