16.
Beim Beilager des Hochwohlgebornen gnädigen Herrn Isaac Steiger, Herrn zu Almedingen, des Standes Bern Schultheißen, Mit der Hochwohlgebornen Frauen Elisabeth von Erlach, vermählten Lombach

14. Mai 1735.

 

Man würde Unrecht thun, wenn man dieses Gedicht mit den gewöhnlichen feilen Glückwünschen vermengte. Eine zwanzigjährige Reihe von Gutthaten und unzertrennliche Bande von Erkenntlichkeit haben mich an das hohe Haus verknüpft, dessen beglückte Begebenheit der Vorwurf dieser Ode ist.

 

Verschwiegne Saiten! stimmt euch wieder,

Kein Tag war mehr der Musen werth![146]

Belebt mit Tönen meine Lieder,

Von denen, die die Nachwelt hört!1

Nichts niedrigs hab ich vorgenommen,

Nur Töne, die vom Herzen kommen,

Nur Töne, die zum Herzen gehn;

Beim edlen Vorwurf, den ich wähle,

Soll auch in der gemeinsten Seele

Der Ode hoher Geist entstehn.

 

Von dir, o Steiger! will ich wagen

Zu singen, was dein Volk itzt spricht,

Was auch die Enkel sollen sagen,

Betrüget sonst mein Herz mich nicht.

O könnt ich dich, auf Pindars Schwingen,

Der Ewigkeit entgegen bringen,

Wo wahrer Helden Namen sind!

Wie würde sich dein Nüchtland freuen,

Wann es dich, in den ersten Reihen,

Bei Paulen und Valeren findt!

 

Ich sage, wann ich an dir merke,

Und sag es unentfärbt vor dir:

Der Klugheit nie vergebne Stärke,

Der weisen Reden kurze Zier,

Die Freundlichkeit der holden Sitten,

Die auch der Feinde Herz erstritten,

Des Staates innre Wissenschaft:

Auf deines Nüchtlands erstem Sitze

Fehlt deinem Herzen, deinem Witze

Noch itzt ein Schauplatz ihrer Kraft.[147]

 

Des Himmels Gunst, die seltnen Seelen

Freigebig setzet ihren Preis,

Ließ auch an dir kein Zeichen fehlen,

Woran man sie zu kennen weiß;

Sie hub, aus niedrigern Geschäften,

Dich nach und nach mit sichtbarn Kräften

Durch alle Stufen auf den Thron.

O wahrlich edle Art der Würde

Und einzig würdig der Begierde!

Sie ist der eignen Thaten Lohn.

 

Doch eines Staats-Manns äußrer Schimmer

Ist eine Pracht, die Kummer deckt;

Das Herz bleibt öd und ruhet nimmer,

Wann es nicht treue Freundschaft schmeckt.

Ein Herrscher opfert sich dem Staate;

Von seiner Müh und wachem Rathe

Ist er allein, der nichts genießt;

Unselig, wann nicht treue Liebe

Die Zuflucht seiner Seele bliebe,

Die Lust auf seine Sorgen gießt.

 

Du auch, der dein bemühtes Leben

Der Bürger Wohlfahrt hast geweiht,

Wirst uns nunmehr ein Beispiel geben

Von wohl-verdienter Seligkeit.

Des Vaterlandes schwere Sorgen,

Die wachen Nächt und frühen Morgen

Sind keinem so, wie dir, bewusst;

Drum ist der Wille des Geschickes,

Daß du, o Vater unsers Glückes,

Auch endlich theilst mit unsrer Lust!

 

Ein ungetadeltes Geblüte,

Das seine Ahnen nicht mehr zählt,[148]

Ein Sinn, der Munterkeit und Güte,

Der Feur und Sittsamkeit vermählt,

Ein nur um dich bemühter Wille,

Ein Herz, das Huld und sanfte Stille

Zu deiner Ruhstatt öffnen wird:

Die, welche deiner werth gewesen,

Hat dir der Himmel auserlesen,

Der sie für dich hat ausgeziert.

 

O selig, die ihr Glück verdienen!

Sie fürchten keinen Unbestand,

Der Himmel lässt ihr Alter grünen

Und gönnt ihr Wohl dem Vaterland.

O könntest du die Herzen sehen,

Die Kraft und Leben dir erflehen,

Der Waisen stumme Fröhlichkeit!

Die sinds, o Steiger! die den Segen

Auf dich seit vielen Jahren legen,

Der sich auf deinem Stamm verneut.

 

O späte soll dein Aug ermüden,

Vor dem Verfall und Unruh fliehn!

Sieh Freiheit und den güldnen Frieden

Noch unter unsern Kindern blühn!

So viel Verdienst, so manche Tugend

Verdienet mehr als eine Jugend,

Verdient den Dank noch einer Zeit;

Dein Staat, dein Volk, die dich verehren,

Bewusst des Werths, den sie verlören,

Missgönnen dich der Ewigkeit![149]

 

Fußnoten

 

1 Mariane Wyß von Mathod, des Verfassers erste Gemahlin, war eine Tochter-Tochter der Schwester des Herrn Schultheißen Steiger.